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Grüne Braune | Rechtsextremismus | bpb.de

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Grüne Braune

Toralf Staud

/ 12 Minuten zu lesen

Wenn sich Rechtsextreme mit Öko-Themen befassen, ist die Überraschung meist groß. Dabei zeigt ein genauer Blick: "Heimatschutz" war von Anfang an ein Thema im rechten Lager. Deshalb ist es kein Wunder, dass sich auch die NPD seit Jahrzehnten um Umweltbelange und "Heimatschutz" kümmert.

Der Abgeordnete lässt keinen Zweifel an seiner Überzeugung: Gentechnik sei "ein schwerwiegender Eingriff in die Natur" und eine "Zerstörung unserer Nahrung". Genmais schädige nachweislich die Leber von Ratten und stelle auch für die menschliche Gesundheit eine Gefahr dar. Gentechnik sei "ethisch nicht zu vertreten", ihm und seiner Partei seien "Natur und Schöpfung heilig".

Der Mann, der da an einem späten Donnerstagabend im April 2013 am Rednerpult des Schweriner Landtages steht, ist nicht von den Grünen – es ist Stefan Köster, Abgeordneter und Landesvorsitzender der rechtsextremen NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Bei seiner Rede trägt er einen Lodenjanker mit Hirschhornknöpfen. Seine Partei hatte einen Antrag für eine "gentechnikfreie Heimat" eingebracht.

Umweltschützer sind meist überrascht, wenn Rechtsextreme Öko-Themen aufgreifen. Dabei ist Kösters Rede kein Einzelfall. Neonazi-Kameradschaften demonstrieren gegen Castor-Transporte oder rufen zu "Nationalen Säuberungstagen" auf, an denen sie Müll aus Wäldern sammeln. Der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke beklagt die Naturzerstörung. Sogar eigene Öko-Zeitschriften hat die rechtsextreme Szene, etwa Umwelt&Aktiv, in der Tipps zur Dachbegrünung neben Rezepten für altgermanischen Met stehen. Der NPD-Jugendverband Junge Nationaldemokraten (JN) protestiert gegen Tierversuche.

Die Mutterpartei hatte bereits in ihrem ersten Grundsatzprogramm von 1967 "den Schutz des Waldes" gefordert sowie eine "gesetzliche Verpflichtung" zur "Reinerhaltung der Flüsse" und "zur Entgiftung und Bindung von Industrie- und Kraftfahrzeugabgasen". Schon in den 1970er Jahren – also vor den meisten anderen Parteien und lange vor Gründung der Grünen – veröffentlichte die JN Thesenpapiere "zur Ökologie". Seit ihren Landtagseinzügen in Sachsen 2004 und Mecklenburg-Vorpommern 2006 kümmerte sich die NPD regelmäßig auch um klassisch grüne Themen wie Umwelt- und Tierschutz. Sie kritisierte Gentechnik und Massentierhaltung, forderte mehr Unterstützung für ökologische und regionale Lebensmittel und eine Abschaltung der Atomkraftwerke. "Umweltschutz ist Heimatschutz", lautet ein zentraler Slogan der Partei. NPD-Chef Frank Franz gibt sich demonstrativ tierfreundlich, postet auf seiner Facebook-Seite ein Foto, auf dem ein niedlicher Hund ihm das Gesicht abschleckt, dazu den Slogan: "Tierschutz ist nicht nur eine politische Pflicht, sondern eine menschliche Notwendigkeit."

"Innige Naturverbundenheit" als "Kennzeichen des germanischen Gemütslebens"

Manches daran sei sicherlich Taktik, meint Johannes Melchert vom Institut für Demokratieforschung an der Universität Göttingen. Umweltthemen sind in der Bevölkerung populär, mit ihnen kann die NPD ihr Image verbessern und um Sympathien werben. Doch diese Erklärung allein wäre zu kurz gegriffen. Es ist auch Überzeugung, die Rechtsextreme zur Beschäftigung mit Umweltthemen motiviert: Für Blut-und-Boden-Ideologen ist es geradezu ein zwingender Gedanke, dass ein gesundes Volk auch eine gesunde Natur brauche.

Mit diesem Denken stehen NPD & Co. nahtlos in der Tradition der deutschen Umweltbewegung, viel mehr übrigens als die Grünen oder Greenpeace. Die Wurzeln des Naturschutzes in Deutschland waren nämlich nicht links, liberal oder anarchistisch, sondern vor allem konservativ, nationalistisch und völkisch. Als Ende des 19. Jahrhunderts auch im Deutschen Reich Industrialisierung und Verstädterung voranschritten und sich damit die traditionellen Kulturlandschaften rasant veränderten, störte das vor allem Bildungsbürger: kulturpessimistische und modernisierungskritische Professoren, Gymnasiallehrer, Verwaltungsbeamte oder Künstler. Den wuchernden Städten, in denen angeblich Dekadenz und Sittenverfall herrschten, hielten sie ein romantisches Ideal vom deutschen Wald oder dem Bauern auf eigener Scholle entgegen.

Es entstand eine "Heimatschutzbewegung". Diese wollte die Natur weniger wegen ihres Eigenwertes bewahren, sondern vor allem wegen ihrer angeblichen Bedeutung für die deutsche Kultur. Um "deutsches Volkstum ungeschwächt und unverdorben zu erhalten", schrieb beispielsweise der Berliner Musiker Ernst Rudorff, müsse man "die deutsche Heimat mit ihren Denkmälern und der Schönheit der Natur vor weiterer Verunglimpfung schützen". Rudorff und seinen Zeitgenossen ging es stark um Ästhetik, weshalb sie sich beispielsweise über die plötzlich überall in der Landschaft auftauchenden großen Reklameschilder (für aufkommende industrielle Massenprodukte, etwa Odol-Mundwasser oder Knorr-Suppenpulver) echauffierten. In dem 1904 von ihm gegründeten Bund Heimatschutz sah Rudorff übrigens für Juden oder Frauen keinen Platz.

Zwar sei das Denken dieser frühen Heimatschützer bereits kompatibel mit dem Rassismus der völkischen Bewegung gewesen, so der Jenaer Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll; doch eine engere Verknüpfung beider habe es erst nach der deutschen Niederlage im Ersten Weltkrieg und der danach immer stärker um sich greifenden nationalen Aufbruchstimmung gegeben. Nun ging es beim Schutz der Heimat nicht mehr nur um die deutsche Kultur, sondern gleich um die deutsche, germanische, arische "Rasse". Die Bücher des völkischen Schriftstellers Hermann Löns erreichten zwischen den beiden Weltkriegen Millionenauflagen. "Naturschutz ist Rasseschutz" hieß es bei ihm. Der "letzte und wichtigste Zweck des gesamten Heimatschutzes" sei der "Kampf für die Gesunderhaltung des gesamten Volkes, ein Kampf für die Kraft der Nation, für das Gedeihen der Rasse".

Nun verschmolzen auch Heimatschutz und Antisemitismus. Reklametafeln in der Landschaft galten nicht mehr nur als Zeichen eines kulturlosen, kapitalistischen Materialismus‘, sondern als hässlicher Ausdruck einer "jüdisch-liberalistischen Wirtschaftsauffassung", eines "undeutschen, das Händlerische allem anderen voranstellenden Geistes". Mehr noch: "Dem Juden" wurde grundsätzlich die Fähigkeit abgesprochen, überhaupt ein "inneres Verhältnis" zur Natur entwickeln zu können – weil er ein "ewiger Nomade" sei und daher "keine Heimat" habe. Demgegenüber sei eine "innige Naturverbundenheit" ein "Kennzeichen des germanischen Gemütslebens" und ein "Merkmal unserer Rasse", wie es etwa Walther Schoenichen formulierte, der langjährige Leiter der obersten Naturschutzstelle in Preußen.

Er und zahlreiche Andere schlossen sich in den 1930er Jahren den Nationalsozialisten an, weil sie unter einer NSDAP-Regierung die besten Chancen sahen, Interner Link: ihre Ziele zu verwirklichen. Landschaftsschützern wie Alwin Seifert oder Heinrich Wiepking-Jürgensmann eröffneten sich während des Krieges Arbeitsmöglichkeiten in zuvor unvorstellbarer Fülle, als sie neue Autobahnen begrünen, kriegswichtige Fabrik- und Wehranlagen durch Bepflanzung tarnen oder im direkten Auftrag von Heinrich Himmler die eroberten und brutal entvölkerten Ostgebiete zu einem "artgemäßen Lebensraum" für "germanisch-deutsche Menschen" umgestalten sollten. Zuhause sei ihre Aufgabe, so im Jahr 1940 der Geschäftsführer des bayerischen Bund Naturschutz, Luitpold Rueß, "die Heimat und die Natur sauber und schmuck zu erhalten und zu gestalten an dem Tag, wo das Heer der deutschen Soldaten aus Blut und Krieg heimkehrt in das gerettete Vaterland". Viele dieser Natur- und Landschaftsschützer konnten später in der Bundesrepublik (und vereinzelt auch in der DDR) ungebrochen weiterarbeiten: Heinrich Wiepking-Jürgensmann beispielsweise lehrte ab 1948 als Professor für Landespflege an der Universität Hannover; Alwin Seifert erhielt nach dem Krieg eine Professur an der Technischen Hochschule München/Weihenstephan und wurde 1958 Vorsitzender des später im BUND aufgegangenen Bund Naturschutz.

Völkische Siedler: freundliche Biobauern mit Blut-und-Boden-Ideologie

Das Dörfchen Klaber liegt mitten in Mecklenburg, gut 20 Kilometer östlich von Güstrow. Es hat rund 70 Einwohner, eine Backsteinkirche und einen Dorfteich, auf dem Gutshof haben sich einige Kunsthandwerker angesiedelt. Alles wirkt idyllisch – wenn da nicht diese Stele aus grauem Naturstein wäre. Mächtig steht sie vor dem ehemaligen Pferdestall des Guts, für Laien sieht sie aus wie ein Stamm mit Hörnern. Es ist eine Irminsul, ein bei völkischen und neuheidnischen Gruppen verbreitetes Symbol.

In Klaber und einigen Dörfern ringsum haben sich Interner Link: "Völkische Siedler" niedergelassen. Unter ihnen sind Ökobauern und Biogärtner, eine Heilpraktikerin und eine Buchbinderin oder auch ein Schmied, der kunstvolle Messer fertigt und nebenher Honig produziert (Marke: "Freie Erde" und "100% konzernfrei"). Im Jahr 2005 widmete die Wochenzeitung Junge Freiheit den Siedlern eine ganzseitige Reportage. Sie wollten ganz bewusst aus der modernen, "entfremdeten" Gesellschaft "aussteigen", erzählten sie da – Worte, die so ähnlich auch Mitglieder linker, öko-sozialer oder esoterischer Landkommunen wählen könnten. Doch die Neusiedler von Klaber und Umgebung wollten auch "ihr Leben auf das Ursprüngliche zurückführen", was auch beinhaltet, dass ihre Frauen sich um Hof und Kinder zu kümmern haben. Die Siedler sehen sich in der Tradition der Artamanen, einer völkischen Siedlerbewegung der 1920er und 30er Jahre – junge Leute, die die Städte verließen und durch ein bewusst bäuerliches Leben zum wahren Deutschtum zurückfinden und die "Rasse" stärken wollten.

Etwa zwei Dutzend solcher rechtsextrem-völkischen Siedlungsprojekte gebe es bundesweit, schätzt die Amadeu-Antonio-Stiftung, die Hälfte davon allein in Mecklenburg-Vorpommern. Mehr als Tausend Personen umfasse die Szene bereits. Die Gegend um Güstrow gilt als "Toskana der rechtsextremen Szene". Vor Ort sind die Siedler häufig beliebt. Oft haben sie viele Kinder, gelten als nett und engagiert.

Dass sie alles andere als harmlos sind, merkt man erst, wenn sie ihr Weltbild genauer erläutern. Der Hauptgrund für die heutigen Umweltprobleme, meint etwa Huwald Fröhlich, einer der ersten Neo-Artmanen in der Region Güstrow, liege in einer Entfremdung von der Kultur ihrer Ahnen. Ursprünglich hätten die Deutschen nämlich "eine innige Verbindung zur Natur" gehabt: Die Auseinandersetzung mit der rauen, nordischen Umwelt habe die Germanen zugleich stark gemacht und sie Ehrfurcht gelehrt. Doch mit der Einführung des Christentums (übrigens einer "orientalischen" Religion) habe eine "Entartung" begonnen, die "innere Verwurzelung in natürliche Abläufe" sei gekappt, die "Bindung an Sippe, Stamm und Volk" aufgelöst worden. So könnten "materielle Einzelinteressen derart wirksam werden", dass die Umwelt vor dem Kollaps stehe. Ganz nebenbei verwirft Fröhlich auch noch alle humanistischen Ideen – diese seien ebenfalls dem Christentum entsprungen und daher "ihrem Wesen nach widernatürlich". Was auf den ersten Blick reichlich bizarr und sektenhaft wirkt, ist eine lupenreine Neuauflage der Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten.

Unter Rechtsextremen ist solches Denken in vermeintlichen Zwangsläufigkeiten weit verbreitet: In pseudowissenschaftlichen Argumentationsketten werden aus Gegebenheiten der Landschaft bestimmte Eigenschaften von Menschen oder Menschengruppen abgeleitet ("Geodeterminismus"). Beobachtungen aus dem Tierreich werden auf die menschliche Gesellschaft übertragen ("Biologismus"). So sei es doch nur "natürlich", quasi biologisch vorgegeben, dass Frauen sich auf die Mutterrolle zu konzentrieren und auf andere Karrieren zu verzichten hätten ("Sexismus"). Darwins Evolutionstheorie wird herangezogen, um ein angebliches Vorrecht des Stärkeren zu postulieren, das auch das menschliche Zusammenleben zu bestimmen habe ("Sozialdarwinismus"). Ein derartiges Gedankengebäude pflegt auch die NPD und bezeichnet es großspurig als "lebensrichtiges Menschenbild".

Dass der Mensch kein reines Naturwesen ist, dass er sich gerade dadurch auszeichnet, eine Kultur geschaffen zu haben, blenden die Rechtsextremen vollkommen aus. So konstruiert sich die NPD entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse nach typisch rechtsextremem Muster auch eine scheinrationale Begründung für ihren Nationalismus: Auf der Internetseite des Europaabgeordneten und Ex-Parteichefs Udo Voigt etwa heißt es, diese aggressive und ausgrenzende Ideologie sei lediglich "die politische Ausprägung des Territorialverhaltens und dient somit der Existenzsicherung und der Arterhaltung, einem biologischen Grundprinzip. Nationalismus ist Fortschritt im Sinne der Evolution."

Für die NPD ist Umweltschutz vor allem Mittel zum Volkserhalt

Berlin-Mitte, ein frostiger Samstag im Januar 2011. Parallel zur Landwirtschaftsschau "Grüne Woche" demonstrieren rund 20.000 Menschen unter dem Motto "Wir haben es satt – Nein zu Gentechnik, Tierfabriken und Dumpingexporten". Aufgerufen dazu haben Umwelt-, Bauern- und Verbraucherschutzorganisationen. Mittendrin trägt ein Trupp junger Männer ein Transparent mit der Aufschrift: "Wir haben es satt. Dem Schächten ein Ende setzen". Es kommt zu Rangeleien, Demonstranten haben die Gruppe als Rechtsextreme erkannt und drängen sie aus dem Zug.

Viele Forderungen der grünen Braunen decken sich mit denen von Umweltverbänden. Doch einige Themen sind bei ihnen auffallend häufig, etwa das Schächten, also die bei Juden und Muslimen traditionelle Art des betäubungslosen Schlachtens von Tieren durch Ausbluten. Zwar lehnt auch der Deutsche Tierschutzbund diese Praxis ab, aber bei Rechtsextremen ist dies oft die lauteste und bisweilen einzige tierschützerische Forderung. Im Wikingerversand zum Beispiel, der in der Szene sehr beliebt ist, gibt es im gesamten Aufkleber-Sortiment ein einziges Motiv mit Umweltbezug, den Slogan: "Schächten ist Tierquälerei". Auch klingt bei rechtsextremen Tierschützern immer ein rassistischer Unterton mit. Schächten wird als undeutsch bezeichnet, als "kulturfremd", "artfremd". Eine AG Tierrecht, die sich vor Jahren in der Szene der Autonomen Nationalisten gründete, stellte zum Thema eine Zeichnung aus einem NSDAP-Kinderbuch von 1938 auf ihre Website. Darauf sind vier grimmige und dämonische Männer zu sehen, der Titel lautete: "Wie die Juden Tiere quälen", die Bildunterschrift: "Wieder stürzt das Tier zu Boden. Langsam stirbt es. Die Juden aber stehen herum und lachen dazu".

Fast immer sind rechtsextreme Umweltschützer an der Begründung für ihre Forderungen zu erkennen. So heißt es auf einem Umwelt-Flugblatt der NPD gleich zu Anfang: "Ohne eine ökologisch verantwortbare Politik ist jedes Volk in seinem Bestand bedroht." Wie bei den frühen Heimatschützern oder der NSDAP ist bei ihr Umweltschutz also ein Mittel zum Zweck des Volkserhalts. Die mecklenburg-vorpommersche NPD-Fraktion schrieb in Flugblättern: "Polnische Piratenfischer bedrohen die Existenz unserer Fischer". Seriöse Umweltschützer würden schlicht vor Überfischung warnen. Als ihr Schweriner Fraktionschef Udo Pastörs gegen einen geplanten Braunkohletagebau protestierte, begründete er das weniger mit dem Weltklima als damit, dass ein "Großkonzern aus Übersee" deutschen Boden ausplündere. Auf Wahlplakaten warnte die Partei vor einem "Atomtod aus Polen" – als wäre ein AKW weniger riskant, wenn es diesseits der Grenze gebaut würde.

Und als der Abgeordnete Stefan Köster im April 2013 seine Rede gegen die Gentechnik hielt, geißelte er darin auch dahinterstehende "internationale Großkonzerne". Dabei wäre manipuliertes Saatgut für die Umwelt nicht harmloser, wenn es von einer deutschen Firma käme. In der NPD aber sorgt man sich besonders darum, dass mit Gentechnik die "Ernährungssouveränität der Völker gebrochen werden" solle – die im Kriegsfall bekanntlich sehr wichtig werden könnte. Während Gentechnik-Gegner schlicht vor einer dauerhaften Verschmutzung der Umwelt durch Gen-Pollen warnen, sorgt man sich bei der NPD auch um eine ganz besondere Sache: Die Freisetzung wäre, warnte einmal das parteinahe Blatt hier&jetzt, "nach einem erfolgten Machtwechsel" nicht "wieder rückgängig zu machen".

Literatur:

  • Brüggemeier, Franz-Josef/Cioc, Mark/Zeller, Thomas (Hrsg.): How Green Were the Nazis? Nature, Environment, and Nation in the Third Reich. Athens (Ohio). 2005

  • Geden, Oliver: Rechte Ökologie. Umweltschutz zwischen Emanzipation und Faschismus. Berlin (2. Auflage) 1999

  • Heinrich, Gudrun/Kaiser, Klaus-Dieter/Wiersbinski, Norbert (Hrsg.): Naturschutz und Rechtsradikalismus. Gegenwärtige Entwicklungen, Probleme, Abgrenzungen und Steuerungsmöglichkeiten. BfN-Skripten 394. Bonn-Bad Godesberg 2015 – https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/skript394.pdf

  • Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.): Braune Ökologen. Hintergründe und Strukturen am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns. Band 26 der Reihe Demokratie. Berlin 2012 – https://www.boell.de/sites/default/files/Braune-Oekologen.pdf

  • Oekom e.V. (Hrsg.): Ökologie von rechts. Braune Umweltschützer auf Stimmenfang. Zeitschrift Politische Ökologie (30. Jahrgang) Nr. 131, München 2012

  • Radkau, Joachim/Uekötter, Frank (Hrsg.): Naturschutz und Nationalsozialismus. Frankfurt/New York 2003

Fussnoten

Fußnoten

  1. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, 6. Wahlperiode, 40. Sitzung am 25. April 2013, Plenarprotokoll, S. 143ff. – Externer Link: http://www.landtag-mv.de/fileadmin/media/Dokumente/Parlamentsdokumente/Plenarprotokolle/6_Wahlperiode/PlPr06-0040.pdf

  2. So Rudorff in seinem 1897 erschienen Buch Heimatschutz; zit. nach: Frohn, Hans-Werner: Naturschutz und Demokratie. Vom Hang zu ‚starken Männern‘ und lange Zeit bewusst verschwiegenen demokratischen Traditionen 1880 bis 1970. In: Heinrich/Kaiser/Wiersbinski (2015). S. 73-85, hier S. 74

  3. Schmoll, Friedemann: Die Verteidigung organischer Ordnungen: Naturschutz und Antisemitismus zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. In: Radkau/Uekötter (2003). S. 169-182, hier S. 170f.

  4. Uekötter, Frank: Wie grün waren die Nazis? Eine kurze Umweltgeschichte von 1933 bis 1945. In: Oekom e.V. (2012). S. 32-38, hier S. 34

  5. zit. nach Kirchhoff, Thomas: Naturschutz und rechtsextreme Ideologien. Abgrenzungen im Hinblick auf das Ideal landschaftlicher Eigenart. In: Heinrich/Kaiser/Wiersbinski (2015). S. 22-37, hier S. 26

  6. alle Zitate nach Schmoll, Friedemann: Die Verteidigung organischer Ordnungen: Naturschutz und Antisemitismus zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus. In: Radkau/Uekötter (2003). S. 169-182, hier S. 178ff.

  7. zit. nach: Frohn, Hans-Werner: Naturschutz und Demokratie. Vom Hang zu 'starken Männern' und lange Zeit bewusst verschwiegenen demokratischen Traditionen 1880 bis 1970. In: Heinrich/Kaiser/Wiersbinski (2015). S. 73-85, hier S. 77

  8. zit. nach Fehn, Klaus: "Lebensgemeinschaft von Volk und Raum" Zur nationalsozialistischen Raum- und Landschaftsplanung in den eroberten Ostgebieten. In: Radkau/Uekötter (2003), S. 207-224, hier S. 211f.; siehe z.B. auch: Zeller, Thomas: "Ganz Deutschland sein Garten” – Alwin Seifert und die Landschaft des Nationalsozialismus. In: Radkau/Uekötter (2003). S. 273-308 sowie Wolschke-Buhlmahn, Joachim: Violence as the Basis of National Socialist Landscape Planning in the "Annexed Eastern Areas". In: Brüggemeier/Cioc/Zeller (2005), S. 243-256

  9. Luitpold Rueß in der Zeitschrift Blätter für Naturschutz, 2-3/1940, zit. nach Geden, S. 30

  10. zu Kontinuitäten im Nachkriegsdeutschland siehe z.B. die Aufsätze von Andreas Dix, Jens Ivo Engels, Stefan Körner und Thomas Zeller in Radkau/Uekötter (2003) oder von Hermann Behrens, Nils Franke und Hans-Werner Frohn in: Heinrich/Kaiser/Wiersbinski (2015)

  11. Im Frühmittelalter war die Irminsul heidnisches Heiligtum des germanischen Stammes der Sachsen, seit den 1920er Jahren wurde es zunehmend von der völkischen Bewegung vereinnahmt und als Gegensymbol zum christlichen Kreuz verstanden. Im Nationalsozialismus wurde die Irminsul von der SS-Forschungseinrichtung "Deutsches Ahnenerbe" als Symbol genutzt, heute dient sie etwa der neuheidnisch-völkischen, rechtsextremen Interner Link: Artgemeinschaft als Logo.

  12. Schmidt, Marcus: Steine sammeln für ein neues Leben. Junge Freiheit 15/05 vom 8. April 2005, S. 12

  13. Brauckmann, Stefan: Historische Hintergründe – Die Artmanenbewegung in der Weimarer Republik. In: Heinrich-Böll-Stiftung (2012), S. 39-50

  14. Externer Link: http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/voelkische-siedler

  15. Externer Link: http://www.mdr.de/exakt/siedlung102.html

  16. Fröhlich, Huwald: Umweltschutz und Marktwirtschaft – ein Widerspruch. In: Molau, Andreas: Opposition für Deutschland. Widerspruch und Erneuerung. Inning am Ammersee 1995

  17. Externer Link: http://de.scribd.com/doc/103033725/Hiemer-Ernst-Der-Giftpilz-1938-57-S-Fraktur#scribd, S. 38

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Toralf Staud war von 1998 bis 2005 Politikredakteur der ZEIT, heute schreibt er als freier Autor unter anderem über Rechtsextremismus. Zwei seiner Bücher erschienen auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung. Er war 2010 und 2013 an den Recherchen von ZEIT und Tagesspiegel zu Todesopfern rechter Gewalt beteiligt. Zuletzt veröffentlichte er bei Kiepenheuer&Witsch: Neue Nazis. Jenseits der NPD – Populisten, Autonome Nationalisten und der Terror von rechts.