Die gegenwärtige Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik ist durch Abwehrhaltung bestimmt, sie orientiert sich am Prinzip der Abschiebung und an dem Glauben, dass die Flüchtlinge sich nur für eine begrenzte Zeit in Deutschland aufhalten würden. Doch ein großer Teil der Flüchtlinge bleibt im Land, auch, weil viele aus unterschiedlichen Gründen gar nicht abgeschoben werden können. Trotzdem hat die Bundesregierung immer noch kein umfassendes und zielorientiertes Konzept, um die Integration der Flüchtlinge vom ersten Tag an zu regeln. Ein Grund dafür könnte sein, dass in den Köpfen vieler Verantwortlicher noch nicht angekommen ist, dass Deutschland de facto ein Einwanderungsland geworden ist.
Statt dessen ist die Flüchtlingspolitik der Bundesrepublik immer noch bestimmt von einer "ad-hoc-Politik", die eine soziale Integration der Flüchtlinge in die Gesellschaft gar nicht beabsichtigt. Im Mittelpunkt der politischen Diskussion stehen daher bis heute vorrangig die Probleme, die durch die Aufnahme von Flüchtlingen entstehen, nicht die Vorteile oder auch Chancen. Das aber tut not, denn die letzten Jahre haben gezeigt, dass die Menschen, die vor Verfolgung, Krieg und sozialer Armut fliehen, bleiben werden. Daher ist es an der Zeit, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Flüchtlinge in die Gesellschaft integriert werden können. Eine Antwort auf diese Frage beginnt in den Kommunen, also dort, wo die Menschen hinkommen.
Aufnahme, Unterbringung, Integration
Kirchen, Flüchtlingsinitiativen und einzelne Akteure in der Migrationsarbeit haben die Bundesregierung aufgefordert, die Aufnahme von Flüchtlingen als eine dauerhafte Aufgabe anzusehen.
Die Unterbringung der Flüchtlinge ist bundesweit ein besorgniserregendes Problem, das nicht in absehbarer Zeit gelöst werden kann. Selbst Städte wie Köln, Bonn oder Leverkusen, die frühzeitig das Problem erkannt und Initiativen ergriffen haben, um die Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, haben nicht damit gerechnet, dass die Zahl der Schutzsuchenden sich so rapide erhöhen könnte. Eine gelungene Integration setzt aber voraus, dass die Flüchtlinge in den Kommunen dezentral untergebracht werden. Nach den Erfahrungen unter anderen in Leverkusen, Münster und Bonn zeigt sich, dass die dezentrale Unterbringung in den Stadtteilen sich langfristig lohnt. Sie schützt Flüchtlinge und Asylsuchende vor Diskriminierung und Gewalt und erleichtert ihre Eingliederung in die Strukturen der Stadtteile. So sieht es auch Rita Schillings vom Flüchtlingsrat Leverkusen, die mit der Caritas und der Stadt Leverkusen das "Leverkusener Modell" entwickelt hat. Seither werden in Leverkusen Flüchtlinge nicht mehr in Sammelunterkünften, sondern in Privatwohnungen untergebracht, menschenwürdiger und kostengünstiger.
Doch es sind nicht allein die Kosten, die für eine dezentrale Unterbringung sprechen. Viele kirchliche Beratungsstellen wie Diakonie und Caritas, die Migrationsflüchtlingssozialarbeit leisten und Flüchtlinge in Asylverfahren beraten sowie psychosoziale Beratung und Therapie anbieten, legen großen Wert auf sozialraumorientierte Flüchtlingsarbeit. Hierbei geht es um Konzepte, die einerseits die Bedürfnisse der Flüchtlinge, andererseits die Wünsche und die Anforderungen der Stadtteilbewohner angemessen berücksichtigen. So lässt sich beispielsweise die Akzeptanz seitens der Anwohner für ihre neuen Nachbarn verbessern. Sind die Stadtteilbewohner sozusagen an der lokalen Flüchtlingspolitik beteiligt, können Vorurteile erheblich reduziert werden. Auch wächst die Eigenverantwortlichkeit der Flüchtlinge für ihre Wohn- und Lebenssituation, wenn sie an den Konzepten beteiligt sind. So lassen sich ein friedliches Zusammenleben fördern und Konflikte vermeiden. Mehr noch: So wird eine Willkommenskultur in der Gesellschaft gefördert und gepflegt. Das setzt allerdings auch voraus, dass Flüchtlinge nach Möglichkeit gleichmäßig in allen Stadtteilen der Kommune untergebracht werden. Die Konzentration von Flüchtlingseinrichtungen in einem einzelnen Stadtteil bringt Konflikte mit sich und bietet Rechtsextremen Zündstoff und Argumente.
Integration heißt auch teilhaben lassen – an Schule, am Wohnraum, an der Gesellschaft
Doch es ist nicht nur die Unterbringung in Wohnungen, die die Situation von Flüchtlingen verbessert. Sie brauchen auch medizinische Betreuung und die Möglichkeit, an der Gesellschaft, in der sie nun leben, teilzuhaben. Die Integration der Flüchtlinge und deren Familienangehöriger ist in vielen Kommunen nach wie vor eine gesellschaftliche Herausforderung. Wenn auch große Städte wie unter anderem Köln und Bonn ein zukunftsorientiertes Integrationskonzept entwickelt haben, in dem der menschenwürdige Umgang mit Flüchtlingen geregelt ist, mangelt es daran andernorts.
Die bisher fehlende zukunftsorientierte Flüchtlingspolitik behindert sowohl die Teilnahme der Flüchtlinge an der Gesellschaft als auch ihre Chancengleichheit. Dadurch werden neue soziale Probleme produziert, die später schwierig zu bewältigen sind. Durch Benachteiligung der Minderheiten in der Gesellschaft entstehen Konflikte, die das friedliche Miteinander und das Zusammenleben gefährden können. Es ist aber eine der zentralen Aufgaben einer Gesellschaft, das Zusammenleben von Zuwanderern und Einheimischen zu gestalten. Hier sind die Kommunen und die einzelnen Stadtteile, aber auch Kirche, Diakonie und Wohlfahrtsverbände gefordert, ihre Arbeit ernst zu nehmen. Flüchtlinge sollten das Gefühl der Sicherheit und Gleichheit bekommen und als Menschen willkommen sein.
Ein wesentliches Problem stellt in den Kommunen die Unterbringung der Kinder in den Schulen und Kitas dar. Überall mangelt es an Lehrpersonal, in Schulen wie in Kitas, nicht nur in Bonn, wo viele Flüchtlingskinder nicht zur Schule gehen können und die Stadt nur einen Teil der Ersatz-Sprachförderung bezahlen kann.
Flüchtlings- und Integrationspolitik ist ein Menschenrechtsgrundsatz
Die weltweiten Flüchtlingszahlen und globalen Zusammenhänge der unterschiedlichen Fluchtursachen zeigen, dass Migrationsfragen heute nicht mehr Randprobleme, sondern zentrale gesellschaftspolitische Aufgaben sind. Sie werden aller Voraussicht nach in ihrer Bedeutung künftig noch zunehmen. Die Zuwanderung zwingt die Gesellschaft dazu, sich zu verändern: Sie steht vor der immensen Herausforderung, Menschen aus anderen Kulturkreisen zu integrieren und zuzulassen, dass diese Menschen sich integrieren.
Artikel 1 unseres Grundgesetzes besagt, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Dies gilt für alle Menschen, unabhängig von ihrer Herkunft, ihres Aufenthaltsstatus' und ihrer Staatsangehörigkeit. Eine Missachtung dieses Grundsatzes ist eine Menschenrechtsverletzung. Unser Auftrag als Gesellschaft ist es deshalb, dieses Menschenrecht zu schützen. Flüchtlingen zu helfen bedeutet zugleich, die Kommunen zu entlasten und sie bei der Unterbringung nicht alleine zu lassen. Bund und Länder sollten die Kosten der Unterbringung sowie die Kosten der sozialen und gesellschaftlichen Integration mittragen. Dadurch können gesellschaftliche Konflikte in den Kommunen vermieden werden.
Die Erfahrungen, die wir als EMFA