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Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) – links | Linksextremismus | bpb.de

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Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) – links Zahlen, Fakten und Hintergründe

Tom Thieme

/ 6 Minuten zu lesen

Die Zahlen politisch motivierter Kriminalität für das Jahr 2020 offenbaren einen signifikanten Anstieg linksextremer Straf- und Gewalttaten. Wie kommen sie zustande? Und wie sind sie zu verstehen?

22.03.2019, Berlin: Ein Aufkleber mit "Gegen Nazis" und "Antifa Area". (© picture-alliance, Wolfram Steinberg)

Die Anzahl der Straftaten im Bereich der Politische Motivierte Kriminalität (PMK) – links hat ebenso wie das Personenpotenzial im Jahr 2020 neue Höchststände erreicht. Dies hängt einerseits mit der Zunahme an Resonanzstraftaten und Konfrontationsgewalt gegenüber der PMK – rechts und mit einer wachsenden Radikalität gegenüber den staatlichen Ordnungskräften zusammen. Andererseits muss die Interpretation der kriminalstatistischen Daten methodische Probleme reflektieren, die sich speziell auf den Vergleich der verschiedenen PMK-Phänomenbereiche auswirken.

Zur Erfassung Politisch motivierter Kriminalität (PMK)

Obwohl mit erheblichen Schnittmengen sind Politische Motivierte Kriminalität (PMK) – links und Linksextremismus nicht deckungsgleich. Denn einerseits setzt die Ablehnung des demokratischen Verfassungsstaats nicht zwangsläufig strafbare und gewalttätige Mittel voraus. Auch auf legalem Wege (über Wahlen) versuchen Extremisten, die Demokratie abzuschaffen. Andererseits läuft nicht jede politisch motivierte Straftat auf die Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung hinaus. Das Bundeskriminalamt definiert entsprechend PMK-links als diejenigen Straftaten, "wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie nach verständiger Betrachtung einer ‚linken‘ Orientierung zuzurechnen sind [...]. Als linksextremistisch werden solche Taten qualifiziert, wenn "Bezüge zu Anarchismus oder Kommunismus (einschließlich revolutionären Marxismus) ganz oder teilweise ursächlich für die Tatbegehung waren." Abgrenzungsprobleme liegen auf der Hand.

Ferner resultieren Verzerrungseffekte aus dem Wesen der polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) im Allgemeinen und der PMK-Statistik im Besondern. Denn hierin lässt sich nur erfassen, was der Polizei durch Anzeigen und Kontrollen überhaupt bekannt wird, das sogenannte Hellfeld der Kriminalität, während sich unentdeckte Taten, also das Dunkelfeld, nicht widerspiegeln. Das heißt, Änderungen im Anzeigeverhalten der Bevölkerung oder in der Kontrollintensität der Behörden können sich auf die Fallzahlen auswirken, ohne dass die (Politisch Motivierte) Kriminalität tatsächlich zu- oder abnimmt. Umgekehrt müssen stabile Zahlenwerte kein Ausweis einer gleichbleibenden Kriminalitätsbelastung sein, sondern können mit der Verschiebung des Hell- und Dunkelfelds zusammenhängen. Was für die PMK dazukommt: Anders als bei der PKS handelt es sich nicht um eine Ausgangsstatistik, die Straftaten erst nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen bei Aktenabgabe an die Staatsanwaltschaft oder das Gericht erfasst, sondern um eine Eingangsstatistik – politisch motivierte Straftaten werden bereits bei einem Anfangsverdacht durch die Polizei registriert. Die Entscheidung zur Erfassung als PMK liegt in den Händen der ermittelnden Beamten; ob sich diese Annahme bestätigt und ob am Ende überhaupt eine politische Motivation hinter dem konkreten Delikt steht, fließt nicht mehr in die Statistik ein. Wegen dieser Einschränkungen bieten PMK-Daten folglich kein exaktes Abbild der Realität, wohl aber aufgrund ihrer Längsschnittdesigns aussagekräftige Anhaltspunkte zur Entwicklung der verschiedenen Phänomenbereiche und Deliktformen.

Die Entwicklung von Straf- und Gewalttaten im Phänomenbereich PMK – links

Die registrierten Fallzahlen sowohl der PMK allgemein als auch im Bereich PMK-links erreichten im Jahr 2020 Höchststände. Lagen die Werte bereits 2019 auf einem Rekordniveau, stiegen sie gegenüber dem Vorjahr nochmals von 41.177 auf 44.692 insgesamt (8,5 Prozent) und links von 9.849 auf 10.971 (11,4 Prozent) Straftaten. Der prozentuale Zuwachs links fiel damit stärker aus als rechts (5,7 Prozent), obwohl die Gesamtzahl an rechten Straftaten mit 23.604 mehr als doppelt so hoch war wie links. Dieser Unterschied erklärt sich zum Teil mit dem Blick auf die einzelnen Deliktbereiche. Im Bereich PMK-links standen 2020 Sachbeschädigungen mit 6.189 Straftaten mit weitem Abstand an der Spitze; auf sie entfallen knapp 60 Prozent aller Fälle. Auf der rechten Seite waren es weniger als fünf Prozent (1.029). Links folgten Verstöße gegen das Versammlungsgesetz (744) und Köperverletzungen (532) (Tabelle 2). Rechts dominieren dagegen Propagandadelikte, und hierbei das Verwenden von verfassungswidrigen Kennzeichen (13.637) – ein Straftatbestand, der explizit die Symbolik in Kontinuität zum Nationalsozialismus herausstellt (§ 86a StGB) und folglich für die PMK-links bei weitem nicht in gleichem Maße Anwendung findet.

Betrachtet man ausschließlich die Zahlen zur politisch motivierten Gewalt, sieht es in mehrerlei Hinsicht anders aus. Erstens stieg die Gesamtzahl linker Gewalttaten 2020 gegenüber dem Vorjahr von 1.052 auf 1.526 Fällen zwar stark an (plus 45,1 Prozent). Sie lag damit aber immer noch deutlich unter den Werten der Jahre 2015/16, in denen sich linkes Gewalthandeln vornehmlich als Reaktion auf das zuwanderungsfeindliche Demonstrationsgeschehen im Zuge der "Flüchtlingskrise" entlud, und des Jahres 2017 mit dem G20-Gipfel in Hamburg. Zweitens überstieg die Zahl linker Gewalttaten deutlich jene von rechts (1.092), was mit Ausnahme eines beinahe ausgeglichenen Verhältnisses 2016 (links: 1702, rechts: 1698) in den vergangenen zehn Jahren immer der Fall war. Drittens zeigt sich eine Reihe von Unterschieden hinsichtlich der Gewaltdeliktstruktur. Zwar stehen in den Bereichen PMK-links und -rechts Körperverletzungen an erster Stelle, allerdings machen diese rechts mit 903 Fällen fast 90 Prozent aller Gewalttaten aus, während es links "nur" 532 bzw. knapp 35 Prozent sind. Dem folgen links Landfriedensbrüche – hier hat sich die Zahl mit 357 Fällen gegenüber 2019 (80) mehr als vervierfacht –, Widerstandsdelikte (323 gegenüber 306 im Vorjahr) und Brandstiftungen (2020: 183; 2019: 178). Zusammenfassend lässt sich Gewalt gegenüber Sachen als "typischer" für den Bereich PMK-links und Gewalt gegenüber Personen als "typischer" für den Bereich PMK-rechts einordnen. In den vergangenen Jahren hat sich jedoch eine Angleichung vollzogen; Körperverletzungen werden heute durch die gewaltbereite linke Szene häufiger verübt als in den 1990er Jahren. Zugleich findet anders als im Rechtsextremismus auf der linken Seite eine intensive Gewalt- und Militanzdebatte statt. Gewalt gegen "Dinge" wird in der linken Szene weithin akzeptiert, gegen Personen indes nur von "hartgesottenen" Gewalttätern verübt bzw. unterstützt.

Ursachen und Hintergründe des Anstiegs von PMK – links

Der Anstieg an Straf- und Gewalttaten im Bereich PMK-links steht in einem engen Zusammenhang mit dem linksextremistischen Personenpotenzial. Auch hier waren für das Jahr 2020 neue Höchststände zu verzeichnen. So stieg die Gesamtzahl von 33.500 auf 34.300, darunter 9.600 Gewaltorientierte (2019: 9.200), von denen wiederum 7.500 (2019: 7.400) Personen den Autonomen zuzurechnen sind. Sowohl das Anwachsen der linken Szene als auch die Anzahl der von ihr ausgehenden Straftaten stellt eine Reaktion auf die Zunahme des Rechtsextremismus und dessen hoher medialer Präsenz dar. Bei der Mehrzahl der politisch motivierten Delikte von links handelt es sich folglich um Resonanzstraftaten und Konfrontationsgewalt – einerseits gegenüber Rechtsextremisten, anderseits gegenüber staatlichen Ordnungskräften. Sie werden im Zuge von Demonstrationen und Protestereignissen verübt, bei denen Autonome bzw. Anhänger der "Antifa" auf tatsächliche und vermeintliche Rechtsextremisten sowie auf Polizisten stoßen.

Polizisten haben schon vor Jahren Rechtsextremisten als Hauptopfergruppe linker Straf- und Gewalttaten abgelöst, wie sich auch aus der wachsenden Bedeutung von Widerstandsdelikten und Landfriedensbrüchen erkennen lässt. Knapp ein Drittel aller Straf- und fast zwei Drittel aller Gewalttaten von links richteten sich im Jahr 2020 gegen die Polizei – beinahe eine Verdoppelung der Fälle gegenüber dem Vorjahr. Die Feindbilder "Faschos" und "Bullen" verschmelzen. Die Absicherung des öffentlichen Raums und die Durchsetzung des Grundrechts auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit – auch für die rechtsextremen Feinde der Freiheit – gelten in Teilen der linken Szene als Beleg für den rechtsautoritären Charakter des Staates im Allgemeinen sowie für die rechte Gesinnung von Polizisten und Sicherheitsbehörden im Besonderen. So wird linke Kriminalität als eine Art Notwehrhandlung gegen den "repressiv-faschistischen Staat" legitimiert.

Mit der Corona-Pandemie und den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens entstand 2020 zudem ein neues Handlungsfeld im Bereich der PMK. Auch hier entluden sich linke Straf- und Gewalttaten als Gegenreaktion auf die überwiegend von rechts ausgehenden Angriffe auf das Gesundheitssystem sowie Einrichtungen und Vertreter des Staates, wenngleich eine klare Zuordnung der meisten Delikte zu den einzelnen Phänomenbereichen kaum möglich ist. Etwa jede siebte Straftat stand im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie, im Bereich PMK-links war es fast jede fünfte.

Dass vor allem Gewalttaten im Bereich PMK-links häufig auftreten, hat zwei zentrale Ursachen. Einerseits wächst der Deliktbereich "Massenmilitanz", auf die das Gros der Gewalttaten entfällt, durch das zunehmende Protest- und Demonstrationsgeschehen mit an, während dies in den anderen PMK-Phänomenbereichen weniger stark der Fall ist. Andererseits spiegelt wie eingangs aufgezeigt die PMK-Statistik nur das Hellfeld der Kriminalität wider. Die registrierten Straftaten haben demnach maßgeblich mit den Unterschieden im Anzeigeverhalten der Opfer politisch motivierter Gewalt zu tun. Rechtsextreme Gewalt richtet sich vorwiegend gegen Migranten, die zum Teil geprägt von negativen Polizeierfahrungen in ihren Herkunftsländern und aufgrund von Sprachbarrieren vermutlich seltener Anzeige erstatten dürften. Linke Gewaltdelikte werden dagegen meist an Polizisten begangen, die Übergriffe bei Demonstrationen ausnahmslos anzeigen – was gleichermaßen ihrer dienstlichen Verpflichtung wie ihrem Eigeninteresse entspricht. Dies zu reflektieren, ist bei der Interpretation der Fallzahlen zur PMK unabdingbar.

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Prof. Dr. Tom Thieme ist Professor für Gesellschaftspolitische Bildung und Stellvertretender Direktor des Sächsischen Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (SIPS) an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH). Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Extremismus-, Demokratie- und Diktaturforschung.