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Islamischer Antisemitismus | Antisemitismus | bpb.de

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Islamischer Antisemitismus

Matthias Küntzel

/ 12 Minuten zu lesen

Die Bezeichnung "islamischer Antisemitismus" bezieht sich weder generell auf den Islam, noch pauschal auf Muslime. Stattdessen verweist dieser Begriff auf eine spezifische Ausprägung von Judenhass, die besondere Kennzeichen aufweist, besondere Konsequenzen nach sich zieht und deshalb auch gezielt zu bekämpfen ist – besonders innerhalb der muslimischen Welt.

Mitglieder der al-Ansar Brigade, dem bewaffneten Arm der al-Ahrar Bewegung, patroullieren durch Gaza Stadt. (© picture-alliance)

Der islamische Antisemitismus speist sich aus zwei Quellen, die sich deutlich voneinander unterscheiden: dem islamischen Antijudaismus des 7. und 8. Jahrhunderts sowie dem europäischen Antisemitismus, der erst im 19. Jahrhundert entstand.

Als Mohammed seine Laufbahn als Prophet im 7. Jahrhundert in Mekka begann, war er den jüdischen Traditionen noch zugeneigt. Dies änderte sich nach seinem Auszug nach Medina und dem Beginn der politischen und theologischen Auseinandersetzungen mit den dortigen jüdischen Stämmen. Mohammed gelingt es, die Juden aus Medina zu vertreiben und Hunderte von ihnen zu töten. Seither wurden Juden im Einflussbereich des Islam allenfalls als feige und gedemütigte Zeitgenossen betrachtet. Sie galten neben den Christen als Dhimmis – als "Schutzbefohlene", als Menschen zweiter Klasse, denen eine Sonderstellung eingeräumt wurde, d.h. sie mussten eine zusätzliche Steuer zahlen und Diskriminierungen erdulden. Im Gegenzug erhielten sie das Recht, auf islamischem Gebiet zu leben und ihre Religion auszuüben. Zwar gibt es im Koran auch pro-jüdische Aussagen; es dominieren jedoch Verse, in denen Juden als Feinde dargestellt, gar als "Affen" und "Schweine" abgewertet werden. Dieser degradierende Blick ist bis heute ein Kennzeichen muslimischer Judenfeindschaft geblieben. So skandierten beispielsweise im Sommer 2014 junge Muslime bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Berlin die Parole "Jude, Jude, feiges Schwein, komm‘ heraus und kämpf‘ allein". Und im April 2018 sorgte ein Angriff bundesweit für Empörung, als ein junger Syrer in Berlin einen Kippa-Träger mit einem Gürtel peitschte und ihn zu demütigen suchte.

Während historisch betrachtet Juden für Muslime also keine nennenswerte Gegnerschaft darstellten und als eher schwach und feige galten, gingen die Christen davon aus, dass nicht der Prophet die Juden, sondern die Juden den Propheten, Gottes einzigen Sohn, getötet haben. Im Christentum wurden Juden deshalb als dunkle und übermächtige Instanz dämonisiert. Nur auf christlichem Boden konnte die Propaganda von der "jüdischen Weltverschwörung" gedeihen. Sie wurde zum Kennzeichen des "Antisemitismus" – einer sich im 19. Jahrhundert in Europa ausbreitenden Ideologie, die die Juden nicht länger aus religiösen, sondern aus rassistischen Gründen ausgrenzte und für alles "Böse" in der Welt verantwortlich machte. Dieses Denkmuster ist auch gegenwärtig virulent: Antisemiten beschuldigen Juden wahlweise als vermeintliche Drahtzieher der Flüchtlingsströme nach Europa oder machen sie für den "Islamischen Staat" oder die Corona-Krise verantwortlich.

Im islamischen Antisemitismus werden die negativsten Judenbilder aus Christentum und Islam vereint. Hier werden die muslimischen Überlieferungen von jüdischer Schwäche und Feigheit mit der paranoiden Vorstellung vom Juden als dem heimlichen Herrscher der Welt verbunden und somit das 7. mit dem 20. Jahrhundert verknüpft.

Ein Beispiel liefert die 1988 verfasste und bis heute gültige Interner Link: Charta der Hamas der palästinensischen Terrororganisation Interner Link: Hamas. In Artikel 7 der Charta heißt es in einem vermeintlichen Zitat des Propheten Mohammed, dass die Muslime die Juden töten werden, "bis sich der Jude hinter Stein und Baum verbirgt, und Stein und Baum dann sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Gottes! Da ist ein Jude hinter mir. Komm und töte ihn‘.“ In Artikel 22 heißt es demgegenüber, dass die Juden "hinter dem Ersten Weltkrieg […] und hinter dem Zweiten Weltkrieg (standen)" und die "Bildung der […] Vereinten Nationen […] anregten, um damit die Welt zu beherrschen." Dieser Text porträtiert die Juden gleichzeitig als Schwächlinge, die fliehen und sich hinter Bäumen und Steinen verstecken müssen und als die heimlichen und eigentlichen Herrscher der Welt. Über die Tatsache, dass das eine Judenbild mit dem anderen unvereinbar ist, gehen diese Antisemiten hinweg.

Entstehung

Solange der Islam im Kontext vormoderner Zustände einer religiösen Doktrin folgte und im Antijudaismus verharrte, war er nicht antisemitisch. Erst im 19. Jahrhundert wurden Muslime mit dem europäischen Hass auf Juden konfrontiert: Priester und Diplomaten brachten die ,Ritualmord‘-Legende des christlichen Mittelalters in den Orient. So machte 1840 die ,Damaskus-Affäre‘ international Schlagzeilen. Mönche und der französische Konsul beschuldigten Juden, einen Ordensbruder und dessen Begleiter ermordet zu haben, da sie deren Blut für ein bevorstehendes Interner Link: Pessachfest benötigten. Die antijüdischen Diffamierungen, Hetzkampagnen und Ausschreitungen, die nun folgten, wiederholten sich in den folgenden Jahrzehnten im gesamten Osmanischen Reich, jeweils angestachelt durch christliche Minderheiten im Orient.

Auch wenn die Übersetzung westlich-antisemitischer Schriften ins Arabische schon um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhundert begann, kam es erst in den Dreißigerjahren des letzten Jahrhunderts zu einer flächendeckenden und systematischen Verbreitung des europäischen Antisemitismus im arabischen Raum. Zu diesem Zeitpunkt setzte Nazi-Deutschland alle Hebel in Gang, um seinen Judenhass in diese Region zu exportieren. Die Nazis verfolgten damit ein doppeltes Ziel: Zum einen wollten sie Araber gegen den jüdischen Teilstaat mobilisieren, den die Interner Link: britische Peel-Kommission 1937 im Rahmen des ersten Teilungsplans für Palästina vorgeschlagen hatte. Zum anderen hatte Adolf Hitler dem Mufti von Jerusalem, dem Führer der palästinensischen Nationalbewegung Amin el-Husseini (1897-1974), zugesagt, die Shoah

(© picture-alliance)

zu gegebener Zeit auch auf die etwa 700.000 Juden im arabischen Raum auszuweiten – ein Mordplan, bei dem er auf aufgehetzte arabische Kollaborateure zurückgreifen wollte.

Zunächst scheiterte Berlin mit dem Versuch, den rassistischen Antisemitismus in diesem Raum zu verankern – die Muslime standen dem rassistisch-biologistischen Antisemitismus ablehnend gegenüber. Dann aber entdeckten die Nazis den Antijudaismus in den Schriften des Islam. Fortan nutzten sie dessen judenfeindliche Überlieferungen als Türöffner, um Muslimen ihren speziellen Hass auf Juden nahezubringen. Sie wurden dabei von Amin el-Husseini unterstützt, der sich in den propagandistischen Dienst der Nationalsozialisten stellte und im Radio Hetzansprachen gegen Juden hielt. Das 31-seitige Pamphlet "Islam – Judentum. Aufruf des Großmufti an die islamische Welt im Jahre 1937" war das erste wichtige Dokument des islamischen Antisemitismus – ein Dokument, das die Nazis während der Kriegsjahre mehrsprachig und in hoher Auflage in der arabisch-islamischen Welt verbreiteten. Hier werden auf der einen Seite die bösartigsten antijüdischen Schmähungen aus dem Koran referiert. Gleichzeitig attackiert der Text Juden in der Diktion des europäischen Antisemitismus als "große Geschäftsleute", als "Mikroben" und als die Verursacher der Pest. Seit Mohammeds Zeiten, lesen wir hier, haben die Juden beständig versucht, "die Muslime zu vernichten“, wodurch eine ewige Feindschaft zwischen Juden und Muslimen behauptet wird. "Die Verse aus dem Koran und Hadith“, heißt es weiter, "beweisen euch, dass die Juden die bittersten Gegner des Islam gewesen sind und noch weiter versuchen, denselben zu vernichten. […] Kämpft für den islamischen Gedanken, kämpft für eure Religion und euer Dasein! Gebt nicht eher Ruhe, bis euer Land von den Juden frei ist."

Dieses Dokument unterstellte den Juden in Anlehnung an den europäischen Rassismus eine unveränderbare, bösartige Natur, die sich über mehrere Jahrhunderte nicht verändert habe. Wenn die Boshaftigkeit der Juden aber unveränderlich ist und alle Zeitepochen und -umstände überdauert hat, gibt es aus Sicht der Antisemiten nur eine Option, die Rettung verspricht: die Vertreibung oder Vernichtung der Juden.

Wichtigstes Werkzeug für die Propagierung des Nazi-Antisemitismus in der arabischen/muslimischen Welt war ein Radiosender aus dem brandenburgischen Zeesen, einem kleinen Ort südlich von Berlin, der sechs Jahre lang – vom 25. April 1939 bis zum 26. April 1945 – den Judenhass allabendlich auf Arabisch, Persisch und Türkisch von Berlin aus in die muslimische Welt sendete. Radio Zeesen sprach die Zuhörerschaft nicht als Araber, sondern als Muslime an. Der Sender engagierte erstklassige arabische Sprecher, rezitierte zu Beginn der Sendungen den Koran und würzte die Programme mit sorgfältig ausgewählter arabischer Musik.

Die zeitgenössischen Berichte betonen, wie beliebt dieser deutsche Propagandasender war. Selbst Araber, die dem Nazireich distanziert gegenüberstanden, ergötzten sich an dem drastischen Judenhass, den er verbreitete. Die Nazis knüpften damit an latent vorhandene Aversionen an, wie sie in den judenfeindlichen Koranversen und dem jahrhundertealten Status der Juden als Dhimmis zum Ausdruck kamen. Zudem nutzten sie den Interner Link: lokalen Konflikt zwischen der zionistischen Bewegung und den Arabern in Palästina, um diesen antisemitisch aufzuladen und Kompromisslösungen zu torpedieren. Mit ihrem theologisch angepassten Antisemitismus veränderte diese Radiopropaganda das Bild vom Juden in der arabischen Welt. Sie beförderte eine (ausschließlich) antijüdische Lesart des Koran, popularisierte die europäischen Weltverschwörungsmythen und prägte eine genozidale Rhetorik gegenüber Israel. Nach und nach begannen muslimische Araber, die christlich-europäische Vorstellung vom Judentum als einem "kosmischen Übel" zu übernehmen.

Verbreitung

Radio Zeesen stellte seinen Betrieb im April 1945 ein. Seine Frequenzen des Hasses wirkten in der arabischen Welt aber nach. So blieb der arabische Raum nach 1945 die einzige Region in der Welt, in der eine pro-nationalsozialistische Vergangenheit als eine Quelle des Stolzes angesehen wurde, nicht der Scham. Dies zeigt das Beispiel der 1928 gegründeten ägyptischen Interner Link: Muslimbruderschaft, die in den Dreißigerjahren von Nazideutschland mit Geldern bedacht und ideologisch unterstützt worden war. 1945 war sie mit 500.000 Mitgliedern die einflussreichste Massenbewegung und der wichtigste Träger des islamischen Antisemitismus in der arabischen Welt. Im November 1945 – sechs Monate nach Ende des Nazi-Kriegs – zettelten sie in Kairo und Alexandria die ersten antijüdischen Pogrome der neueren Geschichte Ägyptens an. Sie stellten sich uneingeschränkt hinter die Zusammenarbeit zwischen Amin el-Husseini und dem NS-Regime und trugen 1948 mit ihrer Massenmobilisierung maßgeblich dazu bei, dass der Interner Link: Teilungsplan für Palästina, den die Vereinten Nationen am 27. November 1947 mit mehr als Zweidrittel ihrer Mitglieder beschlossen hatten, sabotiert wurde und Interner Link: arabische Armeen Ägyptens, Transjordaniens, Syriens, des Irak und des Libanon in der Nacht vom 14. zum 15. Mai 1948 in Palästina einmarschierten, um die unmittelbar zuvor erfolgte Gründung Israels rückgängig zu machen.

Die Tatsache, dass in diesem Krieg die zuvor noch als Dhimmis verlachten Juden die arabischen Armeen besiegten, erlebten viele Araber als Schock, was ihre Anfälligkeit für antisemitische Mythen erhöhte. Anfang der Fünfziger Jahre veröffentlichte der prominente Muslimbruder Interner Link: Sayyid Qutb einen weiteren Schlüsseltext des eliminatorischen islamischen Antisemitismus: den religiösen Essay "Unser Kampf mit den Juden", in dem europäisch-antisemitische Stereotype, die Verschwörungstheorien der "Protokolle der Weisen von Zion" und antijüdische Koranstellen zu einer gedanklichen Einheit verbunden werden. "Seit dem ersten Tag ihrer Existenz verschworen sich die Juden gegen die muslimische Gemeinschaft", behauptet hier Qutb. "Der erbitterte Krieg, den die Juden gegen den Islam anzettelten", heißt es weiter, "ist ein Krieg, der in beinahe vierzehn Jahrhunderten nicht für einen einzigen Moment unterbrochen wurde." Dieser Krieg setze "sich gewalttätig fort und wird auf diese Weise weitergehen, weiI die Juden erst mit der Zerstörung des Islam zufrieden sein werden."

Während in Wirklichkeit die Juden von Medina gegen Mohammed und seine Anhänger keine Chance hatten, präsentiert Qutb die Muslime als Opfer und die Juden als Aggressoren gegen den Islam. Bei ihm wird aus den Einzel-Episoden von Medina ein global und erbittert geführter Krieg, der nur mit der Vernichtung der einen oder anderen Seite enden kann.

Das Grundmuster dieser paranoiden Phantasie ist vom Nationalsozialismus bekannt, basierte doch auch dessen Interner Link: Propaganda auf der Unterstellung, die Juden wollten Deutschland auslöschen. Man legitimierte die Shoah, indem man die eigenen Vernichtungsambitionen auf die Juden projizierte. Qutb kopierte mit seiner Behauptung, die Juden wollten den Islam vernichten, diese Projektion. Hitler sei ein von Allah gesandter Führer gewesen, heißt es in seinem Traktat, und die Judenvernichtung eine wohlverdiente, von Allah gewünschte Bestrafung gewesen.

Nach dem Interner Link: Sechs-Tagekrieg von 1967 und der erneuten Niederlage der Araber ließ das saudische Herrscherhaus Qutbs Text in der muslimischen Welt verbreiten. Bereits zuvor hatte der spätere iranische Revolutionsführer Interner Link: Ruhollah Khomeini Qutbs Judenhass für seine Anti-Schah-Kampagnen benutzt: "Die Juden und Ausländer wollen den Islam zerstören", rief er 1963 seinen Anhängern zu, "Ruft all die Katastrophen in Erinnerung, die die Juden und Bahais dem Islam zugefügt haben.“

Interner Link: 1979 wurde mit der Machtergreifung schiitischer Islamisten in Teheran der islamische Antisemitismus weiter gestärkt. Jetzt wurde den iranischen Juden ein Dhimmi-Status aufgezwungen und der antijüdische Hass auf Israel konzentriert. "Von Anfang an", erklärte Khomeini 1981, "war eines unserer wichtigsten Ziele die Vernichtung Israels." Drei Jahre später veröffentlichte die Hamas ihre oben zitierte Charta; 2009 schloss sich Interner Link: Yusuf al-Qaradawi , ein prominenter Fernsehprediger und Chefideologe der sunnitischen Muslimbruderschaft, dem Hitler-Lob Sayyid Qutbs an: "Im Laufe der Geschichte hat Allah den Juden Personen aufgezwungen, die sie für ihre Korruption bestrafen. Die letzte Bestrafung wurde von Hitler durchgeführt", erklärte er im TV-Sender Al-Jazeera. “Er hat es geschafft, ihnen ihren Platz zuzuweisen. Dies war eine göttliche Bestrafung. So Allah will, wird die nächste Bestrafung seitens der Gläubigen erfolgen.“ Al-Qaradawi äußert hier die Hoffnung, dass es das nächste Mal die Muslime sein werden, die den Juden eine dem Holocaust vergleichbare "göttliche Strafe" zufügen. Er beruft sich auf den Islam, um künftige Verbrechen zu legitimieren.

Auswirkung

Die kurzzeitige Begegnung mit der NS-Ideologie hat die arabische Welt langfristig verändert. Bis heute werden hier die antijüdischen Passagen aus den Frühschriften des Islam unablässig wiederholt, bis heute wird der Weltenlauf mithilfe der "Protokolle der Weisen von Zion" erklärt, bis heute betrachten führende Vertreter der Palästinensischen Autonomiebehörde jeden Versuch, das Verhältnis zu Israel zu normalisieren, als Hochverrat. 2014 ermittelte eine weltweit durchgeführte Studie der Anti-Defamation-League, dass im Nahen Osten und Nordafrika 75 Prozent der befragten Musliminnen und Muslime antisemitischen Äußerungen zustimmten, während es bei Muslimen in Asien, wohin die Radiowellen aus Zeesen nie gelangten, 37 Prozent und im Durchschnitt der Weltbevölkerung 26 Prozent waren. Die antisemitische Aussage "Juden sind für die meisten Kriege in der Welt verantwortlich" bezeichneten 20 Prozent der Befragten außerhalb des Nahen Ostens als "möglicherweise wahr". Im Nahen Osten teilten jedoch 65 Prozent der Befragten diese Meinung.

Der jüngste Versuch einer religiös motivierten Massenmobilisierung fand im Dezember 2017 statt, als US-Präsident Donald Trump Jerusalem als Israels Hauptstadt anerkannte. Damals verurteilte die Palästinensische Autonomiebehörde Trumps Beschluss als "Aggression gegen den Islam, […], Aggression gegen den Koran, […], Aggression gegen die Muslime […], Aggression gegen die Al-Aqsa-Moschee […] und Aggression gegen die Menschheit" . Zur gleichen Zeit ging vor dem Brandenburger Tor Israels Fahne in Flammen auf, während sich der Zorn junger Berliner Muslime in Parolen wie "Jerusalem gehört allen Muslimen der Umma dieser Welt. Niemand anderem!“ entlud.

Gleichwohl haben in jüngster Zeit einzelne arabische Politiker und Journalisten damit begonnen, sich von den antijüdischen Parolen zu distanzieren, die die arabische Welt seit 80 Jahren dominieren. So erklärte der saudische Kronprinz Mohammed Bin Salman, dass auch Israelis "das Recht haben, friedlich in ihrem Staat zu leben“. Arabische Kommentatoren versichern, dass der Islam einer Normalisierung der Beziehungen zu Juden keineswegs im Wege stehe. Die Zeitung Al-Sharq Al-Awsat, die dem saudischen Herrscherhaus nahesteht, berichtete - durchaus zutreffend! -, dass der Mufti von Jerusalem mit seinem Versuch, "die Ideologie der Muslimbruderschaft mit der der Nazis zu kombinieren … der palästinensischen Sache mehr als irgendjemand sonst geschadet“ habe.

Wenn aber selbst maßgebliche Kräfte Saudi-Arabiens – dem Kernland des Islam – ihr Verhältnis zu Israel überdenken, zeigt dies, dass nicht der Koran als solcher einer Normalisierung der Beziehungen zwischen Arabern und Juden im Wege steht, sondern dessen antisemitische Interpretation. Für antiisraelische muslimische Führer ist der islamische Antisemitismus heute das wichtigste Instrument, die zarten Keime einer Annäherung an Israel zu zerstören. Sie betrachten die Abschaffung des Dhimmi-Status‘ für Juden als eine Verletzung göttlicher Gesetze und die Berufung auf den Koran als das probateste Mittel, den Vormarsch der Moderne in islamischen Gesellschaften zu stoppen. "Wer die Beziehungen zu Israel normalisiert, bricht mit dem Koran und mit dem islamischen Glauben", warnte beispielsweise noch jüngst der iranische Religionsführer Ali Khamenei. "Die Feindschaft gegenüber den Juden ist eine zwingende religiöse Pflicht und gehört zu den Kennzeichen des Gläubigen", sekundierte ihm Scheich Yousuf Makharzah in Jerusalem. So wirkt der spezifische Judenhass weiter nach, den Nazi-Deutschland einst beförderte. Seine Protagonisten gehen davon aus, sich in einem religiösen Krieg mit den Juden zu befinden, der nur von der einen oder der anderen Seite gewonnen werden kann. Diese Sonderform von Judenhass verhindert die Modernisierung islamischer Gesellschaften, gefährdet die jüdischen Gemeinschaften nicht nur in Europa und bedroht, was Iran und Israel anbelangt, akut den Weltfrieden. Die Tatsache, dass der islamische Antisemitismus erst vor 80 Jahren entstand, verweist zugleich auf die Chance, ihn im Kontext der neuen innerislamischen Auseinandersetzungen zu überwinden.

Quellen / Literatur

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Küntzel, Matthias: Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand, Berlin-Leipzig 2019.

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Mallmann, Klaus-Michael und Cüppers, Martin: Halbmond und Hakenkreuz. Das Dritte Reich, die Araber und Palästina, Darmstadt 2006.

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Nettler, Ronald L.: Past Trials & Present Tribulations. A Muslim Fundamentalist’s View of the Jews, Oxford 1987.

Nathan Weinstock: Der zerrissene Faden. Wie die arabische Welt ihre Juden verlor 1947-1967, Freiburg-Wien 2019.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Charta der Islamischen Widerstandsbewegung Hamas, in: Baumgarten, Helga: Hamas. Der politische Islam in Palästina, Kreuzlingen/München 2006, S. 207-241, hier: S. 211, S. 219.

  2. Sabry, Mohamed, Islam-Judentum-Bolschewismus, Berlin 1938, S. 22-32; Neuveröffentlichung in: Küntzel, Matthias, Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand, Berlin-Leipzig 2019, S. 236-248, hier: S. 237ff und S. 248.

  3. Sayyid Qutb, Our Struggle With the Jews, in: Nettler, Ronald L.: Past Trials & Present Tribulations. A Muslim Fundamentalist’s View of the Jews, Oxford 1987, S.72-87, hier: S.81f., S.85. Übersetzung: M.K.

  4. Zit. nach Amir Taheri, The Spirit of Allah. Khomeini & the Islamic Revolution, Bethesda 1986, S. 131f. Übersetzung: M.K.

  5. Institution zur Koordination und Publikation der Werke Imam Khomeinis, Abteilung Internationale Beziehungen: Das Palästina-Problem aus der Sicht Imam Khomeinis, Teheran 1996, S. 258.

  6. Sheik Yousuf Al-Qaradhawi: Allah Imposed Hitler upon the Jews to Punish Them - ,Allah Willing, the Next Time Will Be at the Hand of the Believers‘“, MEMRI-TV, #2005, 30. Januar 2009. Übersetzung: M.K.

  7. Externer Link: https://global100.adl.org/.

  8. Ebd.

  9. Palestinian Media Watch, "Abbas‘ advisor incites religious war‘, Bulletin, 13. Dezember 2017. Übersetzung: M.K.

  10. Bender, Justus, ,Nichts gegen Juden, aber…‘, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14. Dezember 2017.

  11. "Saudischer Kronprinz Bin Salman spricht Israel Existenzrecht zu, in: Tagesspiegel, 3. April 2018.

  12. "Saudi Writer: The Arab League Summits Are Completely Pointless: Palestinian Leaders- First And Foremost Jerusalem Mufti Al-Husseini And PLO Leader Arafat – Damaged The Palestinian Cause The Most", in: MEMRI, Special Dispatch No.7499, 31. Mai 2018. Übersetzung: M.K.

  13. "Normalizing ties with ‘Zionists‘ is against Quran, Iranian supreme leader says", in: Times of Israel, 15. April 2019. Übersetzung: M.K.

  14. "Jerusalem Friday Serman by Sheikh Yousef Makharzah: It Is the Religious Obligation of Muslims to Bear Animosity against the Jews; Mahmoud Abbas Is Wrong to Say Otherwise", in: MEMRI-TV #7849, 14. Februar 2020. Übersetzung: M.K.

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Matthias Küntzel, geb. 1955, ist Politikwissenschaftler und Historiker und seit 1992 Politiklehrer an einer Hamburger Gewerbeschule. 2019 ist sein Buch "Nazis und der Nahe Osten. Wie der islamische Antisemitismus entstand" erschienen.