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Jacob Burckhardt, ein renommierter Basler Kulturhistoriker, dessen Konterfei den 1000-Franken-Schein in der Schweiz ziert, feiert in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag. Corinne Maier und ihre Performer:innen haben die Herausforderung angenommen und eine Auftragsarbeit akzeptiert, die sich kritisch mit seinem Leben und Werk auseinandersetzen soll. Mit großer Eloquenz und viel Sprachwitz debattieren sie nun über Sinn und Unsinn ihres Auftrags. Welche Annäherungen lassen sich in Zeiten von Gender- und Diversity-Debatten an einen Wissenschaftler finden, der trotz bedeutungsvoller Werke nachweislich Antisemit war und menschenverachtende, kriegstreiberische Thesen vertrat?
Während die Performer:innen mit sprachlicher Schärfe und beißender Ironie der widersprüchlichen Persönlichkeit Burckhardts gekonnt zu Leibe rücken, entspinnt sich eine ebenso humorvolle wie kluge Reflexion über das Theatermachen selbst. Eine Reflexion über den Systemunterschied zwischen Freiem und Stadttheater und die Sachzwänge, denen freie Theatermacher:innen unterliegen, wenn es darum geht, ihren Lebensunterhalt zu verdienen und Drittmittel für die nächste Produktion aufzutreiben – selbst wenn sie das Thema nur wenig interessiert. Wie ist es möglich, dennoch eine Produktion auf die Bühne zu bringen, die relevant und bedeutsam ist? Die mit viel Scharfsinn geführte Konversation dreht immer absurdere Schleifen. Fast unmerklich entfaltet sich das eigentliche Thema des Abends: die angesichts der komplex gewordenen Gegenwart weit verbreitete Ratlosigkeit im Kulturbetrieb (und nicht nur dort). In der zweiten Hälfte des Stücks verdichtet die Regisseurin die Gemengelage zum Bild einer gigantischen, transparenten, mit Luft gefüllten Plastikblase, auf der die Akteur:innen und jeder für sich einen persönlichen Zugang zu dem umstrittenen Wissenschaftler finden.
Die virtuos gebaute und ästhetisch beeindruckende Performance kommt sprachlich mit großer Leichtigkeit daher, ist präzise und von genauer Beobachtungsgabe geprägt. Was bleibt in der krisengeschüttelten Gegenwart vom angeeigneten Wissen übrig, wenn man sich körperlich vollkommen erschöpft im Hamsterrad des Kulturbetriebs bewegt?
Von und mit: Katharina Bill, Anne Haug, Oriana Schrage, Lajos Talamonti
Konzept, Regie: Corinne Maier
Konzept, Dramaturgie: Kris Merken
Szenografie: Martina Ehleiter
Sounddesign, Komposition: Bernhard la Dous
Choreografie: Berit Jentsch
Lichtdesign, Technische Leitung: Thomas Kohler
Produktion: Elena Conradt & Franziska Schmidt, produktionsDOCK Basel
Mit Dank an: Fachausschuss Tanz und Theater BS / BL, Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia, Hauptstadtkulturfonds – Senatsverwaltung für Kultur und Europa, Migros-Kulturprozent, Wilhelm und Ida Hertner-Strasser Stiftung, Stiftung Edith Maryon sowie alle weiteren Förderer
Die Münchner Aufführungen von „The End of the World as We Know It“ wurden unterstützt von Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung.
Spielstätte:
Schwere Reiter
Vorstellungstermine:
Fr., 9. November 2018, 21.30 Uhr
Sa., 10. November 2018, 17 Uhr
Publikumsgespräch am 10. November 2018:
Mit: Prof. Dr. Harald Lesch (Astrophysiker, LMU München) und Corinne Maier (Regisseurin)
Moderation: Stefanie Beckmann (Dramaturgin)
Kuratiert von: Dramaturgische Gesellschaft