in ukrainischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Nach dem Nuklearunglück von Tschernobyl 1986 verweigern Pétro und Nadia, ein 60-jähriges Ehepaar, die Evakuierung und bleiben als einzige allein in ihrer Heimatstadt Zvizdal zurück. Über 30 Jahre lebt das Ehepaar als Selbstversorger völlig isoliert in der Einöde, ohne Nachbarn und Familienangehörige, ohne Einkaufsmöglichkeit, Verkehrsanbindung, Strom, fließend Wasser und Telefon.
Die Journalistin und Dramaturgin Cathy Blisson und die belgischen Multimedia-Künstler Bart Baele und Yves Degryse, zusammen bekannt als die Theatergruppe BERLIN, besuchten das Paar zwischen 2011 und 2016 regelmäßig in der Todeszone. Mit Hilfe von Filmaufnahmen und Interviews dokumentierten sie eindrucksvoll den entbehrungsreichen Alltag in der Abgeschiedenheit, den Umgang mit dem Alleinsein, die seltenen Besuche, ihre Lebenseinstellung und die zunehmend schwerer zu meisternden Herausforderungen, die eine komplett autarke Lebensweise im fortschreitenden Alter mit sich bringt.
Auf Grundlage der langjährigen Recherchen ist eine berührende, multimediale Performance über Einsamkeit, Überleben, Armut, Hoffnung und die Liebe zweier alter Menschen entstanden. Die filmischen Aufnahmen werden durch mehrere maßstabsgetreue Modelle des realen Lebensraums von Nadia und Pétro ergänzt. Die werden immer wieder live in den Film eingebracht. Auf diese Weise entsteht eine eigene filmische Bühnensprache, die sich jeder Genrezuschreibung entzieht.
Die Produktion „Zvizdal“ lenkt den Blick des Publikums auf Menschen, deren Lebensgrundlage durch eine atomare Katastrophe dauerhaft zerstört wurde. Wie lebt man in einer Gegend, die aufgrund der allgegenwärtigen Strahlung komplett von der Weltwirtschaft abgeschnitten, ja beinahe von der Landkarte gelöscht ist? Wie kann das Theater Menschen und ihr Leben porträtieren, ohne sie zu kapitalisieren?
„Zvizdal“ ist ein vielschichtiger, sensibler und respektvoller Abend. Er erinnert daran, welchen Preis die globalisierte Weltgesellschaft für ihren Komfort zu zahlen bereit ist. Die starrköpfige Entscheidung von Pétro und Nadia, sich nicht ins urbane Leben einzugliedern, ermöglicht uns einen Ausflug auf die Kehrseite privilegierten Lebens. Am Ende werden so auch etablierte Ideen von Armut und Reichtum in Frage gestellt.
Mit: Nadia und Pétro Opanassovitch Lubenoc
Konzept: Bart Baele, Yves Degryse, Cathy Blisson
Szenografie: Manu Siebens, Ina Peeters, BERLIN
Interviews: Yves Degryse, Cathy Blisson
Kamera und Schnitt: Bart Baele, Geert De Vleesschauwer
Ton: Toon Meuris, Bas de Caluwé, Manu Siebens, Karel Verstreken
Dolmetscherin: Olga Mitronina
Soundtrack: Peter Van Laerhoven
Bühnenbild: Manu Siebens, Klaartje Vermeulen, Dirk Stevens, Kasper Siebens, Kopspel, Rex Tee [stagiair]
Technik: Joris Festjens, Dirk Lauwers
Modell: Ina Peeters
Mit Unterstützung von: Puck Vonk, Rosa Fens en Thomas Dreezen
Grafik: Jelle Verryckt
Website: Stijn Bonjean
Kommunikation, Produktion: Laura Fierens
Geschäftsleitung: Kurt Lannoye
Administrative Unterstützung: Jane Seynaeve
Spielstätte:
Münchner Kammerspiele, Kammer 2
Vorstellungstermine:
Do., 8. November 2018, 19 Uhr
Fr., 9. November 2018, 19.30 Uhr
Publikumsgespräche:
Kuratiert von: Milena Mushak (bpb) und den Münchner Kammerspielen
Moderation: Christoph Gurk
8. November 2018:
Mit: Dr. Melanie Arndt (Leibniz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung / Universität Regensburg) und Cathy Blisson (Dramaturgin)
Moderation: Christoph Gurk (Münchner Kammerspiele)
9. November 2018 (1. Vorstellung):
Mit: Dr. Melanie Arndt (Leibniz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung / Universität Regensburg) und Cathy Blisson (Dramaturgin)
Moderation: Christoph Gurk (Münchner Kammerspiele)