Demographische Entwicklungen
Unsere Gesellschaft wird immer älter. Dabei fühlen sich die 65- bis 85-Jährigen durchschnittlich etwa 10 Jahre jünger, als es ihrem biologischen Alter entspricht. Heute stellen die über 65-Jährigen 21 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland, dies entspricht 16,9 Millionen Menschen. Für das Jahr 2030 wird ein Anstieg auf 29 Prozent der Gesamtbevölkerung vorhergesagt
Interessant für die Anbieter politischer Bildung dürfte Folgendes sein: Die aktuelle Generation der 65- bis 85-Jährigen ist überdurchschnittlich gut informiert und interessiert an politischen Themen. Die Älteren denken nicht nur an ihre eigenen Belange, sondern sie wünschen sich eine generationengerechte und nachhaltige Politik.
Zielgruppe für Bildungsangebote
Wer mehrtägige Seminare oder Studienreisen im Spektrum der politischen Erwachsenenbildung anbietet, kennt das: Ein großer Teil der Menschen, die sich anmelden, sind im sogenannten Ruhestand außerhalb des Erwerbslebens. "Sie verfügen über die wichtigste Ressource: Zeit", sagt der Bildungsreferent und stellvertretende Direktor der Akademie für politische und soziale Bildung Haus am Maiberg, Titus Möllenbeck. Für viele Arbeitnehmer/-innen sei es schwierig, neben Berufs- und Familienalltag noch Zeit für freiwillige mehrtägige Bildungsangebote zu finden, so Möllenbeck. Die über 65-Jährigen sind also eine wichtige Zielgruppe für Träger politischer Bildungsangebote.
Engagement im Alter
65 Prozent der über 65-jährigen sind bürgerschaftlich aktiv, und zwar für durchschnittlich 4,2 Stunden pro Woche. Ein großer Teil von ihnen kann sich sogar vorstellen, sich noch mehr zu engagieren. Der größte Anteil ist im kirchlichen Bereich engagiert, es folgen Seniorenclubs, Sportvereine, Kultur und Soziales. Doch auch in der Politik und in der Bildungsarbeit sind jeweils 4-5% Prozent der älteren Bevölkerung engagiert. Einen großen Einfluss auf Art und Umfang des Engagements hat neben gesundheitlichen Aspekten die Bildung. Menschen mit hoher Schulbildung engagieren sich überdurchschnittlich häufig im Bereich Kultur und Musik, Politik und Bildungsarbeit.
Der wichtigste Grund für das eigene Engagement ist für die meisten Älteren die Freude an der Tätigkeit – Engagement muss also Spaß machen. Der Kontakt zu anderen Leuten und die Abwechslung zum sonstigen Alltag sind für die älteren Engagierten wichtige Motivationsfaktoren.
Schlussfolgerungen für die politische Bildung: Einsatz von Ehrenamtlichen, Selbstbestimmung, eigene Themen und persönliche Ansprache
Obwohl die genannten Studienergebnisse sich vor allem auf bürgerschaftliches Engagement beziehen, lässt sich Vieles auch auf die Teilnahme an Bildungsveranstaltungen übertragen. Erwiesenermaßen nehmen Menschen mit höheren Bildungsabschlüssen oder solche, die sich beruflich weitergebildet haben, auch nach dem Erwerbsleben häufiger an Bildungsveranstaltungen teil.
Ein lohnenswerter Ansatz scheint zu sein, die beiden Bereiche Veranstaltungsteilnahme und ehrenamtliches Engagement unter dem Stichwort "Selbstorganisation" zu verknüpfen. "Bei uns gibt es die Gruppe ‚50plus-aktiv‘. Die Gruppe organisiert sich ihr Bildungsprogramm weitgehend selbst. Wichtig ist ihnen dabei die Selbstbestimmung, sie wollen sich ihre Freiheiten bewahren. Ich sehe meine Rolle eher als Berater und Begleiter und als ‚Ermöglicher‘ bei größeren Reisen oder Seminaren", berichtet Bildungsreferent Möllenbeck vom Haus am Maiberg.
Die Zahlen der Generali-Studie zum Thema Engagement unterstützen dies: Neben inhaltlichen und sozialen Aspekten ist für viele Engagierte wichtig, dass sie selbst bestimmen können, wann und in welchem Umfang sie sich einbringen. Viele möchten sich nicht langfristig binden.
Die Inhalte von Projekten stehen für höher Gebildete stark im Mittelpunkt. Will man Teilnehmende mit Bildungsangeboten erreichen, muss man Themen finden, die sie interessieren – idealerweise bestimmt die Zielgruppe die Themen der Bildungsangebote selbst. Die Herausforderung für Bildungsanbieter besteht also darin, die Zielgruppe Ältere Menschen in die Themenplanung mit einzubeziehen und geeignete Formen der Partizipation zu entwickeln, etwa in Lernwerkstätten oder offenen Treffen.
Bei der Planung von Veranstaltungen sollte man bedenken, dass viele Menschen sich ungern als "Alte" oder "Senioren" bezeichnen lassen. Am besten bezieht man die Zielgruppen auch in die Namensfindung neuer Angebote mit ein.
Auch die soziale Komponente sei bei Veranstaltungen der politischen Bildung nicht zu unterschätzen, sagt Titus Möllenbeck. Es sei den Teilnehmenden wichtig, unter Gleichgesinnten zu sein. Der persönliche Kontakt und Vertrauen zu den Bildungsreferenten spiele auch eine wichtige Rolle. Viele sind besonders motiviert, wenn sie persönlich angesprochen werden, oder wenn sie andere Teilnehmende oder den Lernort kennen.
Veranstaltungen der politischen Bildung für ältere Menschen sollten gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder Fahrdiensten erreichbar sein. Informationen sollten in ausreichend großer Schrift verfasst und in verschiedenen Medien – insbesondere Printmedien – veröffentlicht werden.
Finanzierung
Bildungsangebote, die sich speziell an Menschen über 65 Jahre wenden, sind Angebote der Erwachsenenbildung. Für sie gelten die gleichen Fördermöglichkeiten. Vereinzelt gibt es Programme beim BMFSFJ oder bei Kommunen, die sich speziell der Bildung und Aktivierung älterer Menschen widmen. Der Generali Zukunftsfonds fördert Projekte und Organisationen, die nicht nur für, sondern vor allem mit Älteren arbeiten. Für Projekte, die gezielt Teilnehmende mit gesundheitlichen oder anderen Einschränkungen einbeziehen, gibt es zusätzliche Förderprogramme, etwa bei der Aktion Mensch.
Teilnehmendenbeiträge können eine wichtige Säule in der Finanzierung von Angeboten für ältere Menschen sein. Gerade bei Projekten, die sie selbst initiiert und mit organisiert haben, sind viele Teilnehmende bereit, sich stärker finanziell einzubringen.
Generell ist auch bei der Finanzierung von Bildungsprojekten für ältere Menschen auf einen Finanzierungsmix zu achten. Man sollte sich nicht auf einen einzigen Förderer stützen. Träger sollten sich zudem stets fragen, ob sie Produkte oder Dienstleistungen anbieten können, die zu einer Eigenrefinanzierung beitragen können. Bei lokalen Projekten sollte die Förderung langfristig vor allem lokal basiert sein. Lokale Förderer sind stärker mit dem Projekt und seinen Zielen verbunden als nationale Förderer.
Literatur
Generali Zukunftsfonds (Hrsg.) und Institut für Demoskopie Allensbach: Generali Altersstudie 2013. Wie ältere Menschen leben, denken und sich engagieren, Frankfurt a.M. 2012.
Generali Zukunftsfonds (Hrsg.): Monitor 04: Alter. Macht. Staat. Politische Teilhabe der Generation 65 plus, Externer Link: http://zukunftsfonds.generali-deutschland.de/online/portal/gdinternet/zukunftsfonds/content/314342/940446
bpb:magazin, März 2013, Titelthema "Älter".
Anne Frank Zentrum: Pilotprojekt 65+. Der ländliche Raum in den neuen Bundesländern und seine Ressource – Die Generation 65+. Eine Dokumentation, Berlin 2015.