Mitte Dezember 1989 gab die Arbeitsgruppe … einen Band mit Gedächtnisprotokollen unter dem Titel „Ich zeige an“ in einer Auflagenhöhe von 2.000 Exemplaren heraus. Die Publikation wurde finanziert durch Spenden … Aus ungefähr 300 Berichten waren 50 ausgewählt worden. …
Die Arbeitsgruppe (versuchte), Betroffene und Kommissionsmitglieder zusammenzuführen. Dazu wurde das Aktionszentrum „Treibhaus“ im Untergeschoss des Fernsehturms genutzt. … Am 8. und 16. Dezember 1989 kam es im „Treibhaus“ zu den ersten Zusammenkünften zwischen „Zugeführten“ und Mitgliedern der Zeitweiligen Untersuchungskommission. Es ging um die Bildung von Selbsthilfegruppen zur Aufklärung der Gesetzesverletzungen in den Zuführungspunkten, um die Ermittlung der Schuldigen und um die Rehabilitierung der Opfer sowie um Wiedergutmachung der physischen, psychischen und materiellen Schäden. Es wurde klargelegt, was erweiterte Amnestie, was Kassation von Urteilen und was volle Rehabilitierung bedeutet. Wir halfen bei Strafanzeigen oder bei nachwirkenden Auseinandersetzungen mit der Polizei. Viele Zugeführte konnten bei diesen Treffen ihre Aussagen wechselseitig stützen.
Gestützt auf die Erfahrungen im „Treibhaus“ bildete die Untersuchungskommission im Januar 1990 acht Gruppen, in denen, nach Zuführungspunkten getrennt, Zusammenkünfte organisiert wurden, um den Betroffenen juristische und psychologische Hilfe zu geben und um Material für Prozesse zu sammeln.
Inzwischen lag eine Unzahl von Beschwerden vor, weil den Opfern in lapidaren Schreiben die Einstellung von Ermittlungsverfahren mitgeteilt worden war. Anzeichen sprachen dafür, dass der damalige Generalstaatsanwalt von Berlin, Dr. Simon, die Vernichtung aller Dokumente über Zuführungen und Zugeführte veranlasst und Oberst Dietze von Präsidium der Volkspolizei die Durchführung angeordnet hatte. … Die Arbeitsgruppe hatte bis Mitte Januar keine Unterstützung durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei erfahren. Erst nach massivem Protest auf einer öffentlichen Anhörung am 6. Januar 1990 im Roten Rathaus und in der am 9. Januar 1990 folgenden Kommissionssitzung sowie durch eine Aktion am 13. Januar 1990 im „Treibhaus“, wo innerhalb von zwei Stunden 300 Unterschriften gegen die Verschleppungstaktik von Justiz und der Polizei gesammelt wurden, gelang es, einige Verfahren wieder in Gang zu bringen. …
Insgesamt führten Mitglieder Kommission zwischen Oktober 1989 und Mai 1990 in den acht Gruppen 39 Zusammenkünfte mit Betroffenen und mit Polizisten durch. In drei Stellen kam es zu Gegenüberstellungen von Polizisten und Betroffenen. In den Zuführungspunkten Blankenburg und Immanuelkirchstraße wirkten sie wie Konfrontationen. Die Stimmung war beklommen und aggressiv. Zur Aufklärung konnte letztlich wenig beigetragen werden. …
Die Betroffenen sind unzufrieden. Die Ermittlungsverfahren gegen Polizeiangehörige wurden weder von der Kriminalpolizei noch von der Staatsanwaltschaft aktiv vorangetrieben. Die wenigen Verfahren führten in den Augen der Opfer zu keinen gerechten Urteilen. Ein Selbstreinigungsprozess in den Reihen der Polizei ist nicht erkennbar. Uns ist kein Fall bekannt, dass gegen MfS-Mitarbeiter gerichtlich vorgegangen wurde.
Quelle: Andreas Förster, "