[lat.] S. ist eine politische Weltanschauung, die darauf abzielt, eine solidarische Interner Link: Gesellschaft zu schaffen, in der die Grundwerte Interner Link: Freiheit und Interner Link: Gleichheit verwirklicht werden. Eine zentrale Rolle nimmt dabei die Veränderung der privatkapitalistischen Interner Link: Wirtschaftsordnung ein, die nach sozialistischem Verständnis soziale und ökonomische Interner Link: Abhängigkeit begründet und der persönlichen und gesellschaftlichen Interner Link: Emanzipation entgegensteht. Der S. entstammt dem aufklärerischen Denken und ist u. a. den Prinzipien der Französischen Revolution (Interner Link: Französische Revolution) verpflichtet. Er wendet sich gegen die einseitige Überhöhung individueller Freiheitsrechte und die Verabsolutierung des Privateigentums. Traditionell gibt es sehr unterschiedliche Ausprägungen des S.; der Grundgedanke – die Abschaffung der Interner Link: Herrschaft von Menschen über Menschen – trug wesentlich zu seiner internationalen Verbreitung bei.
Der Begriff S. kommt im ersten Drittel des 19. Jhs. auf und wird – zumeist in Kreisen der (besitzlosen) Handwerkerschaft – mit nicht kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystemen verbunden, in denen genossenschaftliche, gesellschaftliche oder staatliche Eigentumsverhältnisse vorherrschen. Diese Vorstellungen basieren auf frühchristlichen Motiven, antiken Lehrmeinungen und frühbürgerlichen Sozialutopien über neue, menschlichere Formen des Zusammenlebens sowie der gemeinsamen Interner Link: Produktion und Versorgung und reichen bis zu der Ideenwelt des Anarchismus (Interner Link: Anarchie/Anarchismus). Einen rapiden Aufschwung erfährt der S. in der Zeit der Industrialisierung, in der er zur Bewegung gegen die massenhafte soziale Verelendung und die Ausbeutung der Arbeiterschaft wird. National und kulturell unterschiedliche Varianten des S. entstehen: In DEU entwickelt sich eine breite Arbeiterbewegung, die sowohl eine starke gewerkschaftliche Interessenvertretung als auch – gegenüber dem autoritären Interner Link: Staat – eine politisch prägende Organisation (Interner Link: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)) hervorbringt. In GBR formiert sich eine Vielzahl gewerkschaftlicher Organisationen, deren Dachverband erst spät einen politischen Arm, die Interner Link: Labour Party (1900), ausbildet und diesen lange Zeit in enger Abhängigkeit hält. In FRA und anderen romanischen Staaten sind die Arbeitervereinigungen auf betrieblicher Ebene (Interner Link: Syndikalismus) wesentliches Moment der sozialistischen Bewegung; parteipolitische Vertretungen etablieren sich erst spät. In den USA kann die sozialistische Idee (aufgrund der hohen räumlichen und sozialen Mobilität, der regelmäßigen Einwanderungsschübe etc.) kaum Fuß fassen.
Mit der Entwicklung zur Massenbewegung vertieft sich auch die theoretische Diskussion, die zunächst vom Interner Link: Marxismus dominiert wird und in der Wende zum 20. Jh. in eine heftige Kontroverse zwischen Marxismus und Interner Link: Reformismus/Interner Link: Revisionismus mündet. Dabei verstärken sich zwei Hauptströmungen: a) der Reform-S., eine insb. von weiten Teilen der Gewerkschaftsbewegungen verfolgte Richtung, die eine schrittweise Veränderung der gegebenen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse anstrebt und b) der revolutionäre S., der auf einen gewaltsamen politischen Umsturz mit einem politisch (und in der Übergangsphase ggf. diktatorisch) kontrollierten, radikalen Neuanfang in Wirtschaft und Gesellschaft setzt.
Bereits 1864 wurde mit der sog. 1. Internationale (Interner Link: Internationale, Die) versucht, die Arbeiterbewegung auch international zu einigen. Unüberbrückbare ideologische Spannungen und nationale Bindungen führten jedoch zu ihrem Zerfall, zu Neu- und Gegengründungen (2./3./4. Internationale).
Nach der russischen Interner Link: Revolution und der Spaltung der Interner Link: Arbeiterbewegung in DEU (1917) entwickeln sich zwei kontradiktorische Varianten, die insb. nach dem Zweiten Interner Link: Weltkrieg den Begriff des S. verwenden: a) Der freiheitliche, demokratische S. (Interner Link: Demokratischer Sozialismus) der Sozialdemokratie, der sich vom Marxismus abwendet, die Interner Link: Interessen einer ausdifferenzierten Arbeiterschaft vertritt und weite Bevölkerungsschichten mit der Entwicklung des demokratischen Interner Link: Wohlfahrtsstaates anspricht (z. B. auch in Skandinavien), und b) der autoritäre, marxistisch-leninistische Staats-S. der Interner Link: Sowjetunion (UdSSR), unter dessen Diktatur der Arbeiterklasse die Produktionsmittel verstaatlicht und der Wirtschaftsprozess zentraler staatlicher Planung und Lenkung unterworfen ist.
Zwischen beiden Polen und im Zuge der internationalen Ausbreitung des S. nach dem Zweiten Weltkrieg bilden sich weitere Varianten: a) der zwischen Interner Link: Maoismus und Revisionismus pendelnde chinesische S., b) der weniger autoritäre, an rätedemokratischen Prinzipien orientierte Reform-S. im ehemaligen Jugoslawien bzw. der Reform-S. des Prager Frühlings (in dem eine sozialistische Marktwirtschaft entwickelt werden sollte), c) der S. sog. Volksrepubliken verschiedener Interner Link: Entwicklungsländer, die unterschiedliche, mit postkolonialen Interessen verbundene sozialistische Modelle entwickeln (z. B. in Tansania).
Zur weiteren Ausdifferenzierung des S. trugen ab Mitte der 1960er-Jahre die verschiedenen neomarxistischen Strömungen im Süden Europas (Interner Link: Eurokommunismus) bei. In der BRD hatten neomarxistische Ideen noch Einfluss auf die Studentenbewegung Ende der 1960er-Jahre.
Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Siehe auch: