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Städtepartnerschaften | bpb.de

Städtepartnerschaften

Kai Pfundheller

Definition

Die Idee der Städtepartnerschaft entstand hauptsächlich nach dem Zweiten Weltkrieg als Initiative der Basis, um die durch zwei Weltkriege in Europa aufgerissenen Wunden zu heilen. Städtepartnerschaften sind ein öffentlichkeitswirksames und langfristig effektives Instrument, um Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenzuführen. Im Mittelpunkt steht der Austausch der Bürger über das Instrument Städtepartnerschaft, die konkrete Ausgestaltung dementsprechend vielfältig. Eine einheitliche Definition des Begriffes Städtepartnerschaften existiert nicht, die am weitesten verbreitete in D ist die Definition der deutschen Sektion des RGRE. Diese definiert Städtepartnerschaften als förmliche, zeitlich und sachlich nicht begrenzte Partnerschaft, beruhend auf einem Partnerschaftsvertrag (Partnerschaftsurkunde). Dabei umfasst der Begriff der Städtepartnerschaft auch die Partnerschaften der Kreise oder Gemeinden. Davon abgrenzend zählt sie noch die Freundschaft als eine Verbindung, die auf einer Vereinbarung beruht, zeitlich oder sachlich aber begrenzt ist (z. B. Projektpartnerschaft) sowie den Kontakt als eine Verbindung ohne förmliche Festlegung auf. Städtepartnerschaften sind Teil der kommunalen Außenpolitik.

Quantität der Städtepartnerschaften

Die Städtepartnerschaftsbewegung wird von der wissenschaftlichen Literatur vernachlässigt, eine Überraschung angesichts der quantitativen, aber auch qualitativen Ausmaße, die diese Bewegung eingenommen hat „als größte Friedensbewegung der Welt“ (Woeseler 2006, S. 412). Zwar existieren keine vollständigen Zahlen über die Anzahl der Städtepartnerschaften in D, die deutsche Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) spricht von 5497 deutsch-internationalen Städtepartnerschaften (RGRE Stand 2018, es handelt sich dabei um freiwillige Angaben der Kommunen, dementsprechend wird die Zahl realiter höher sein). Dabei werden vom RGRE die deutsch-deutschen Städtepartnerschaften, insbesondere die zahlreichen ost-westdeutschen Städtepartnerschaften nicht mitgezählt, deren Anzahl sich nochmals um ca. 1000 bewegen dürfte und die einen entscheidenden Einfluss auf das Gelingen des Wiedervereinigungsprozesses hatten (→ Innere Einheit). Für seine Mitgliedsstaaten (38 Länder Europas) zählt der Dachverband des RGRE (CEMR) weit über 20.000 Städtepartnerschaften. Die Angaben verschiedener Organisationen über die Anzahl der Städtepartnerschaften sind nicht vergleichbar, da eine einheitlich verbindliche Definition des Begriffs Städtepartnerschaften fehlt.

Schaut man sich die Länderverteilung der deutschen Städtepartnerschaften an, dominiert insbesondere Frankreich (2324) vor Polen (592) und Großbritannien (552). Insgesamt dominieren die Länder Europas und hier vor allem die der EU (→ Europapolitik), die Begegnungen innerhalb der Städtepartnerschaften seit 1989 finanziell fördert. Ca. 90 % der deutschen Städtepartnerschaften sind in Ländern der EU, sie haben dabei einen erheblichen Anteil am Gelingen des europäischen Integrationsprozesses. Angesichts des Austritts Großbritanniens aus der EU stehen die deutsch-britischen Städtepartnerschaften aktuell vor großen Herausforderungen.

Geschichtliche Entwicklung

Es waren insbesondere drei Initiativen, die die Städtepartnerschaften in D etabliert haben: Eine Initiative begann sehr zeitnah nach dem Zweiten Weltkrieg, als Engländer, Amerikaner und Kanadier kommunale Vertreter Ds in ihre Heimatländer einluden, um ihnen dort einen Einblick in eine auf demokratischer Grundlage funktionierende Kommunalverwaltung zu gewähren. Daraus sind in den Jahren 1948 bis 1950 einige Städtepartnerschaften entstanden wie Hannover-Bristol oder Bonn-Oxford (vgl. Woeseler 2006, S. 413). Zudem ist die Initiative von Schweizer Professoren und Autoren nach dem Zweiten Weltkrieg hervorzuheben – Hans Zbinden, Eugen Wyler sowie Adolf Gasser – mit ihren Initiativen zur Gründung der Internationalen Bürgermeisterunion für deutsch-französische Verständigung (IBU) und des RGRE, in den die IBU 1985 organisatorisch eingegliedert worden ist. Die Idee bestand darin, die Kommune als Keimzelle der Demokratie zu stärken, um einen weiteren Weltkrieg unmöglich zu machen. Aus den Kontakten französischer und deutscher Bürgermeister während der IBU-Treffen ist 1950 schließlich die erste deutsch-französische Städtepartnerschaft zwischen Montbéliard und Ludwigsburg entstanden.

Der Dachverband des RGRE bildet die europäische Sektion des Weltverbands der Kommunen (UCLG).

Aktivitäten

Die Aktivitäten innerhalb der Städtepartnerschaften erstrecken sich in alle Bereiche, von den freundschaftlichen Begegnungen bis hin zur konkreten inhaltlichen Arbeit – multinationale Jugendcamps, Workshops mit Menschen mit Behinderungen oder Auszubildenden – Schüler- und Studierendenaustausche sind dabei nur ein kleiner Ausschnitt. Viele Bürger hatten ihren ersten Auslandsaufenthalt über eine Städtepartnerschaft. In neuester Zeit nimmt besonders der Verwaltungsaustausch – Konferenzen zu aktuellen Städteproblemen wie →Migration, Demografie, Städtebau, Nachhaltigkeit (→ Umweltpolitik), sowie die Bildung von Netzwerken – einen immer größeren Stellenwert ein.

Eines der bekanntesten Netzwerke ist Eurocities, der Zusammenschluss europäischer Großstädte. Auch gibt es zunehmend Bestrebungen der kleineren und mittleren Städte zu einem Zusammenschluss in einem Netzwerk, um ihren Einfluss auf europäischer Ebene zu stärken (Konföderation der Gemeinden und Städte Europas, KGSE).

Ausblick

Städtepartnerschaften stehen vor bzw. sind einem erheblichen Wandlungsprozess. Die Fahrt in das nahe europäische Ausland ist angesichts der fortschreitenden Globalisierung und der Konkurrenz durch Billig-Flieger kein besonderes Ereignis mehr. Es müssen vermehrt andere Formen der Kooperationen gefunden werden, damit Städtepartnerschaften weiter einen Beitrag leisten können für ein friedlicheres Zusammenleben der Völker.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Kai Pfundheller

Fussnoten