Die Bundesregierung im Kontext des parlamentarischen Regierungssystems
Die Bundesregierung besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Zusammen bilden sie das Kabinett. Ebenfalls Teil der Bundesregierung sind die Bundesministerien, denen die Minister vorstehen, sowie das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Die Aufgabe der Bundesregierung ist die Vorbereitung und Umsetzung der Entscheidungen des Bundestages. Ihre Arbeitsweise ist durch das Spannungsverhältnis der in Art. 65 GG festgelegten Prinzipien geprägt: Richtlinienprinzip, Ressortprinzip und Kabinettsprinzip (→ Bundeskanzler).
Als Regierungsbildung wird die Wahl des Bundeskanzlers sowie die Ernennung der Minister bezeichnet. Diese erfolgt in der Regel in Anschluss an eine Koalitionsbildung und der Festlegung eines Regierungsprogramms in einem Koalitionsvertrag (→ Koalition). Der → Bundeskanzler muss nach Art. 63 GG vom Deutschen Bundestag mit der absoluten Mehrheit der Stimmen seiner Mitglieder gewählt werden. Wenn dies innerhalb von 14 Tagen nach dem ersten Vorschlag durch den Bundespräsidenten nicht gelingt, kann der Bundestag einen Bundeskanzler mit einfacher Mehrheit wählen. Der Bundespräsident kann dann entscheiden, den Gewählten zu ernennen oder den Bundestag aufzulösen.
Auch wenn der Bundeskanzler die Bundesminister formal benennt (Art. 64 I GG), liegt die reale Verfügungsgewalt bei den Koalitionspartnern. Die Entscheidung, wie die Ressorts zugeschnitten werden und welche Partei welches Amt in einer neuen Regierung übernimmt, wird bereits in den Koalitionsverhandlungen geklärt. In der bisherigen Praxis wird der Kanzler durch den stärkeren Koalitionspartner gestellt, wobei CDU und CSU als ein Akteur betrachtet werden, der Vizekanzler durch den kleineren Koalitionspartner. Von der über viele Jahre geübten Praxis, das Amt des Vizekanzlers mit dem des Außenministers zu kombinieren, gab es auch immer wieder relevante Ausnahmen. So hatten Ludwig Erhard, Jürgen Möllemann, Philipp Rösler und Sigmar Gabriel das Amt des Vizekanzlers als Wirtschaftsminister inne. Mit der aktuellen Regierung wird das Amt erstmals mit dem des Finanzministers verbunden. Eine besondere Rolle nimmt der Chef des Bundeskanzleramtes ein, diese erhalten seit 1984 in der Regel einen Ministerrang jedoch ohne eigenen Geschäftsbereich. Eine Ausnahme hiervon stellte Frank-Walter Steinmeier von 1999 bis 2005 dar, der lediglich den Rang eines beamteten Staatssekretärs hatte. Das Instrument eines Ministers ohne Geschäftsbereich wird anders als noch unter Konrad Adenauer inzwischen sonst nur noch in Ausnahmefällen, wie bei der Deutschen Einheit, verwendet.
Die Benennung der Personen, die Minister werden, obliegt faktisch den jeweiligen Parteien, die dabei u. a. auf den regionalen und Geschlechterproporz achten. Diese Parteiabhängigkeit führt zu mehrfachen Loyalitätsbeziehungen, da die Minister einerseits der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers unterstehen, andererseits Erwartungen der Partei ausgesetzt sind, die sie nominiert hat. Zumeist sind die Minister Mitglied der Partei, die sie nominiert hat, und verfügen über ein Mandat im Bundestag. Immer wieder werden jedoch auch Minister nominiert, die zum entsprechenden Zeitpunkt kein Bundestagsmandat haben, weil sie etwa in der Landespolitik aktiv sind. Im Kabinett Merkel IV (seit 2018) trifft dies etwa auf Horst Seehofer und Olaf Scholz zu. Vereinzelt gibt es auch parteilose Minister, die aufgrund spezieller Fachkompetenzen oder öffentlichen Ansehens nominiert wurden. Zuletzt war dies Werner Müller als Minister für Wirtschaft und Technologie unter Gerhard Schröder.
Während der Amtszeit eines Kanzlers bleibt die Ressortaufteilung zumeist weitgehend stabil. Eine Ausnahme bildet die Regierungsumbildung unter Gerhard Schröder 2001. Bei dieser wurde die Zuständigkeit für Verbraucherschutz im Landwirtschaftsministerium verankert. Deutlich häufiger kommt es jedoch zum Austausch einzelner Minister. Diese bieten dann mitunter den Anlass für weitere Personalrochaden. So etwa als beim Rücktritt von Franz Josef Jung 2009 als Minister für Arbeit und Soziales, die bisherige Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Ursula von der Leyen seine Nachfolge antrat und ihre bisherige Position von Kristina Schröder übernommen wurde. Auslöser des Austausches von Ministern sind in der Regel Rücktritte der jeweiligen Minister. Rücktritte können dabei von verschiedenen Motiven geleitet sein: So ist Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 1996 aufgrund ihrer politischen Überzeugungen aus Protest gegen den großen Lauschangriff zurücktreten. Doch auch ressortfremde politische Überzeugungen können einen Minister zu einem Rücktritt veranlassen: Der Minister für Post und Telekommunikation Christian Schwarz-Schilling ist 1992 aufgrund der fehlenden Reaktion der Bundesregierung auf den Bosnienkrieg zurückgetreten. Neben Rücktritten aufgrund der eigenen politischen Position, sind es vor allem Skandale oder echte bzw. vermeintliche Verfehlungen innerhalb des politischen Amtes, die zu Rücktritten führen. 1993 trat etwa Rudolf Seiters als Bundesinnenminister nach dem GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen zurück. Franz-Josef Jung holte dagegen die fehlerhafte Öffentlichkeitsarbeit als Bundesverteidigungsminister nach einem Luftangriff auf zwei Tanklaster in Kundus ein und er trat deswegen von seinem neuen Amt als Bundesarbeitsminister zurück. Daneben können Verfehlungen außerhalb der Politik in einem Rücktritt resultieren. So ist die Bildungs- und Forschungsministerin Anette Schavan aufgrund der Aberkennung ihres Doktortitels zurückgetreten. Einen Sonderfall bildet der kollektive Rücktritt der FDP-Minister 1962 im Rahmen der Spiegel-Affäre, nachdem sie nicht im Vorfeld über das Vorgehen gegen den Spiegel informiert wurden. Die so entstandene Koalitionskrise konnte erst mit dem Rücktritt des verantwortlichen Verteidigungsministers Franz-Josef Strauß gelöst werden. Dies zeigt, dass Rücktritte von Ministern sowohl eine Krise auslösen, als auch einen Befreiungsschlag darstellen können. Häufig kommen Rücktritte dabei auch einer Entlassung durch den Bundeskanzler zuvor, wodurch nur sehr selten ein Minister durch den Kanzler formal entlassen wird, wie im Jahr 2012 Norbert Röttgen, nachdem er als Spitzenkandidat die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verloren hatte.
Die Abberufung eines einzelnen Ministers durch den Bundestag ist nicht möglich. Der Bundestag kann lediglich mittels eins konstruktiven Misstrauensvotums mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Kanzler wählen. Während dies 1982 bei der Wahl von Helmut Kohl erfolgreich war, scheiterte 1972 das konstruktive Misstrauensvotum von Rainer Barzel gegen Willy Brandt an zwei Stimmen. Das Gegenstück zum konstruktiven Misstrauensvotum bildet die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers mit der er sich mit Hilfe einer Abstimmung der Zustimmung der Bundestagsmehrheit zu seiner Politik versichert. Sollte der Bundestag diese Zustimmung verweigern, kann der Bundespräsident den Bundestag auflösen – sofern dieser nicht mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder einen neuen Kanzler wählt. Empirisch haben sich zwei verschiedene Formen der Vertrauensfrage herausgebildet: Während eine „echten“ Vertrauensfrage, etwa bei Helmut Schmidt 1982 im Kontext des NATO-Doppelbeschlusses und des Haushaltsstreits oder bei Gerhard Schröder 2001 bezüglich der Beteiligung am Afghanistan-Krieg, der Disziplinierung der Fraktionen der Regierungsmehrheit dient, ist bei einer „unechten“ Vertrauensfrage die Auflösung des Bundestages erklärtes Ziel. Beispiele hierfür sind etwa die Vertrauensfrage von Willy Brandt nach dem konstruktiven Misstrauensvotum 1972 oder jene von Gerhard Schröder nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2005. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat sich seit dem Urteil aus dem Jahr 2005 (2 BvE 4/05) der Begriff der „auflösungsgerichteten Vertrauensfrage“ etabliert, womit der Wandel zu einer nach wie vor mit hohen Hürden versehenen Möglichkeit, die Legislaturperiode aus politischen Gründen vorzeitig aufzulösen, auch begrifflich Niederschlag findet.
Die Bundesministerien
Die Zahl der Minister (ohne Kanzler) verändert sich von Legislaturperiode zu Legislaturperiode. Sie schwankt zwischen 13 in der ersten Wahlperiode von 1949 bis 1953 und 21 zu Beginn der 15. Wahlperiode. Unter Angela Merkel als Kanzlerin bestand die Regierung bisher durchgehend aus 15 Ministerinnen.
Die Zuschnitte der einzelnen Ressorts sind dabei auch ein symbolisches Instrument. Mit der Benennung einzelner Aufgabenbereiche in der Ministeriumsbezeichnung wird eine besondere Aufmerksamkeit auf dieses Thema zum Ausdruck gebracht. Beispiele hierfür sind etwa die Einführung eines Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit 1986 unter Helmut Kohl nur wenige Wochen nach der Reaktorkatastrophe Tschernobyl, das auch eine Reaktion auf ein insgesamt gestiegenes Umweltbewusstsein in der Bevölkerung war. Auch die explizite Erweiterung der Zuständigkeit des Innenministeriums um den Bereich Heimat 2018 unter Horst Seehofer stellt im Angesicht von rassistischen Diskursen und Übergriffen sowie der Fluchtzuwanderung seit 2015 eine solche symbolische Politik dar. Zugleich ist jedoch der Zuschnitt von Ministerien auch ein Instrument, mit dem politische Zielsetzungen verfolgt werden. Ein Beispiel stellt hierbei die Einführung eines Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit 2002 unter Gerhard Schröder dar. Mit der Verbindung beider Bereiche in einem Ministerium sollte der Ausgleich zwischen den Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinfacht werden. Andere Bereiche verlieren ihre Relevanz und werden daher nicht mehr als eigenständiges Ministerium geführt, so wurde das Ministerium für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte 1969 aufgelöst und das Ministerium für Post und Telekommunikation 1997.
Bis zu einem gewissen Maß kann mit dem Ressortzuschnitt auch Personalpolitik betrieben werden. So ermöglichte die Aufteilung des Ministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit 1991 in drei einzelne Ministerien Helmut Kohl eine deutliche Erhöhung des Frauenanteils im Kabinett. Eine andere Variante ist die Zusammenlegung verschiedener wichtiger Themenbereiche zu einem Superministerium. Beispiele sind die Zusammenfassung von Wirtschaft und Arbeit von 2002 bis 2005 im zweiten Kabinett Schröder, das von Wolfgang Clement geleitet wurde und das 2005 diskutierte, letztlich von Edmund Stoiber aber nicht angetretene Wirtschaftsministerium, das um Bereiche aus dem Forschungs-, dem Finanzministerium und auch das Verbraucherministeriums ergänzt werden sollte. Teilweise kann dies auch lediglich eine Übergangslösung darstellen, wie bei der Zusammenlegung der Ministerien für Wirtschaft und Finanzen unter Kanzler Willy Brandt von 1971 bis 1972 nach dem Rücktritt von Finanzminister Alex Möller.
Die Ministerien haben einen jeweils eigenen Unterbau, der aus verschiedenen Abteilungen und Referaten besteht (→ Ministerialbürokratie). Auch diese können zwischen Ministerien hin- und her verschoben werden. So ist die für den Jahreswirtschaftsbericht, die Konjunkturprognosen und die Einhaltung marktwirtschaftlicher Prinzipien zuständige Grundsatzabteilung des Wirtschaftsministeriums 1998 in das Finanzministerium gewechselt, wurde 2002 dann aber erneut in das Wirtschaftsministerium eingegliedert.
Die Zahl der Mitarbeiter in den Ministerien ist sehr unterschiedlich. Besonders hoch ist sie im Auswärtigen Amt. Die hohe Zahl der Mitarbeiter ist dabei insbesondere auf die hohe Zahl von Beschäftigten in Auslandsvertretungen zurückzuführen. Auch beim Bundesministerium der Verteidigung und beim Bundesministerium für Finanzen ist die Zahl der Mitarbeiter überdurchschnittlich hoch. Bei anderen Ministerien liegt sie deutlich niedriger, da die Ausführung der Gesetze den Ländern obliegt oder wie beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung viele Mitarbeiter in nachgeordneten Behörden oder Organisationen wie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) arbeiten. Zusätzlich unterstehen den Ministerien als oberste Bundesbehörden noch einige Bundesoberbehörden. Hierzu zählt etwa das Bundesamt für Justiz oder der Bundesnachrichtendienst.
Die Ministerien werden durch einen Minister geführt. In ihren politischen Aufgaben werden sie durch parlamentarische Staatssekretäre unterstützt, die sie unter anderem gegenüber Bundestag, Bundesregierung sowie auf internationalen Konferenzen vertreten können. Mit Ausnahme der parlamentarischen Staatssekretäre im Bundeskanzleramt müssen sie Mitglied des Deutschen Bundestages sein. Im Bundeskanzleramt und im Auswärtigem Amt tragen die parlamentarischen Staatssekretäre den Titel eines Staatsministers, unterm anderem damit sie auf dem internationalen Parkett auf Augenhöhe agieren können. Um den Informationsfluss zwischen Regierungsfraktionen und Bundesregierung zu verbessern und eine Kontrolle innerhalb von Koalitionen zu ermöglichen, besteht die Möglichkeit parlamentarische Staatssekretäre komplementär hinsichtlich der Parteimitgliedschaft des Ministers zu besetzen. Dieses als Kreuzstichverfahren bekannte Prinzip wird in der Bundesregierung zwar nicht durchgehend angewendet, seit 1990 wurde es jedoch in den CDU/CSU-FDP- sowie die SPD/Grünen-Koalitionen stets bei einzelnen Ministerien benutzt, während in den CDU/CSU-SPD-Koalitionen weitgehend darauf verzichtet wurde. Bei Ministern der CSU ist es üblich, dass mindestens ein parlamentarischer Staatssekretär von der CDU oder dem Koalitionspartner gestellt wird.
Die interne Führung der Ministerien obliegt den beamteten Staatssekretären sowie weiteren politischen Beamten, die jederzeit in den vorläufigen Ruhestand versetzt werden können (→ Ministerialbürokratie). Daraus ergibt sich eine grundlegende Stabilität der Arbeitsstrukturen in den Ministerien auch bei wandelnder Führung.
Die meisten Ministerien haben ihren ersten Dienstsitz in Folge des Bonn/Berlin-Gesetzes von Bonn nach Berlin verlegt. Unter anderem das Bundesministerium der Verteidigung hat aber weiter seinen ersten Amtssitz in Bonn. Alle Ministerien haben jedoch zumindest jeweils einen zweiten Amtssitz in Bonn bzw. Berlin.
Arbeitsweise der Regierung
Die Mehrheit der Gesetze wird durch die Bundesregierung vorbereitet und in den Gesetzgebungsprozess eingebracht. Die Bundesregierung kann hierbei auf die Ministerialbürokratie zugreifen und so Referentenentwürfe vorbereiten lassen. In diesem Prozess werden teilweise auch die Fachpolitiker der Koalitionsfraktionen sowie Interessengruppen einbezogen. Dies dient einerseits der Informationsgewinnung durch Expertenbeteiligung, andererseits der politischen Prüfung, ob ein entsprechender Gesetzentwurf mehrheitsfähig ist. In Ausnahmefällen wird die Gesetzesformulierung an externe Akteure (Wissenschaftler, Rechtsanwaltskanzleien) ausgelagert, weil in der Ministerialbürokratie nicht der entsprechende Sachverstand zur Verfügung steht. Dies gilt vor allem als problematisch, wenn damit Rechtsanwaltskanzleien beauftragt werden, die Mandanten in diesen Feldern betreuen, da damit die Gefahr einer Interessenkollision besteht.
Die ausgearbeiteten Gesetzentwürfe müssen formal vom Kabinett beschlossen werden. Das Kabinett tagt immer Mittwochs. Geleitet werden die Sitzungen durch den Bundeskanzler, es nehmen teil die Minister, welche durch ihre parlamentarischen Staatssekretäre vertreten werden können, die parlamentarischen Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, der persönliche Referent des Kanzlers, Bundespressechef und Chef des Bundespräsidialamtes. Vereinzelt können zu einzelnen Tagesordnungspunkten auch weitere Beamte aus den Ministerien hinzugezogen werden. Ob die Vorsitzenden der die Regierung tragenden Fraktionen an den Kabinettssitzungen teilnehmen dürfen, liegt in der Entscheidungskompetenz der Bundeskanzlerin/des Bundeskanzlers. Von Vorteil ist die Teilnahme der Fraktionsvorsitzenden insofern, als damit bereits bei der Diskussion und Beschlussfassung über eine politische Festlegung im Kabinett berücksichtigt werden kann, wie es um die Mehrheitsfähigkeit eines Vorschlags im Bundestag bestellt ist. Das Kabinett entscheidet formal per Mehrheitsbeschluss. Allerdings kommt es in den Kabinettssitzungen nur selten zu kontroversen Abstimmungen. Die meisten Konflikte zwischen den Ressorts werden vorher – um eine effiziente Sitzung zu ermöglichen – in Treffen auf Arbeits- oder Ministerebene geklärt. Bei Konflikten zwischen den Koalitionspartnern wird der Koalitionsausschuss einberufen (→ Koalition). Entsprechende Rücksichtnahme ist regelmäßig auch in den Koalitionsverträgen niedergelegt, so heißt es im Koalitionsvertrag der CDU-CSU-SPD-Regierung Merkel IV: „Im Kabinett wird in Fragen, die für einen Koalitionspartner von grundsätzlicher Bedeutung sind, keine Seite überstimmt.“.
Um Abstimmungen im Kabinett zu erleichtern finden auch Vorklärungen in Kabinettsausschüssen statt. Bekanntestes Beispiel hierfür ist der Bundessicherheitsrat innerhalb dessen über Rüstungsexporte durch die beteiligten Minister entschieden wird. Als Organ der exekutiven Selbstorganisation unterliegt der Bundessicherheitsrat nur eingeschränkt der parlamentarischen Kontrolle. Einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21.10.2014 (2 BvE 5/11) zufolge ist die Bundesregierung dem Bundestag lediglich über abgeschlossene Vorgänge auskunftspflichtig und auch das nur in Bezug auf wenige strukturelle Daten. Der vorangehende Willensbildungsprozess sowie die Entscheidungsgründe müssen nicht offengelegt werden.
Eine besondere Rolle innerhalb des Kabinetts nimmt der Finanzminister ein. So kann der Finanzminister bei finanzwirksamen Fragen ein suspensives Veto einlegen, welches nur aufgehoben werden kann, wenn in der erneuten Beratung auch der Kanzler für die Vorlage stimmt. In Hinblick auf die Vereinbarkeit mit geltendem Recht stehen die gleichen Möglichkeiten dem Innenminister und dem Justizminister zu. Bei fehlender Beteiligung in der Vorbereitung von frauenpolitischen Maßnahmen besonderer Tragweite kann der Minister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend die Absetzung der Vorlage von der Tagesordnung verlangen.
Die Bundesregierung kann weitere Beauftragte einsetzen. Dabei handelt es sich um ein wichtiges Instrument für die Aufwertung von Politikfeldern und ihre symbolische Sichtbarkeit. Die Beauftragten sind dabei vielfach Ersatz aber auch mögliche Vorstufe für ein eigenes Ministerium. Im Bundeskanzleramt sind etwa der Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration angesiedelt und im Gesundheitsministerium der Beauftragte der Bundesregierung für Drogenfragen. Auch im Bereich der Außenpolitik setzt die Regierung durch Beauftragte besondere Schwerpunkte. Dies kann im Einzelfall die Einbindung der Landesebene in die Außenpolitik als Domäne des Bundes bedeuten. So wird das Amt des Beauftragten der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit seit 2014 durch Dietmar Woidke, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, wahrgenommen
Grenzen nationalstaatlichen Regierens
Zentraler Bestandteil der Aufgaben der Bundesregierung ist die Mitwirkung in internationalen Organisationen (z. B. Vereinte Nationen, Internationaler Währungsfonds) oder in bilateralen und multilateralen Abkommen und Verträgen (z. B. Kinderrechtskonvention, Elysée-Vertrag). Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Rolle der Bundesregierung innerhalb der Europäischen Union. Der Bundeskanzler ist Teil des Europäischen Rates, der zwar nicht im regulären Gesetzgebungsverfahren der EU relevant wird, jedoch zentraler Ort für Diskussionen um die Weiterentwicklung der Europäischen Union und in die Wahl der Europäischen Kommission eingebunden ist. Innerhalb des Rates der Europäischen Union sind die Fachminister vertreten und wirken an der europäischen Gesetzgebung mit. Im Rahmen des Rates für Wirtschaft und Finanzen (ECOFIN) werden dabei auch zentrale Entscheidungen der Eurogruppe etwa hinsichtlich des Stabilitätspaktes getroffen. Auf Basis der föderalen Kompetenzverteilung übernimmt bei Themen, die in die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis der Länder, ein Vertreter des Bundesrates diese Aufgabe.
Ein weiteres Instrument der Pflege der Beziehung zu anderen Staaten sind Regierungskonsultationen. Diese gemeinsamen Treffen der Regierungen stellen eine symbolische Aufwertung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit dar, die sonst vor allem über die Reisen einzelner Minister erfolgt wäre. Entsprechende Regierungskonsultationen finden beispielsweise mit Polen, Israel und China statt.
Auch wenn die Bundesregierung eine zentrale Position im Regierungssystem der Bundesrepublik einnimmt, ist sie zugleich eingebunden in ein System von Beschränkungen ihrer Macht: Die europäische Gesetzgebung bei der sie als ein Akteur unter vielen mitwirkt, die Ausführung der Gesetze durch die Länder, die Mitwirkung des Bundesrates an der nationalen Gesetzgebung, starke und eigenständige Regierungsfraktionen sowie umtriebige Interessengruppen erschweren zwar ein Durchregieren, gewährleisten jedoch zugleich auch die Kontrolle der Regierung. Nicht zuletzt stellt die Regierung trotz des Kabinettsprinzips vielfach keinen einheitlichen Akteur dar, sondern ist als Koalition verschiedener Parteien mit unterschiedlichen Interessen und Policy Vorstellung stets auf Aushandlung und Konfliktmanagement angewiesen.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Steffen Beigang