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Föderalismus und EU | bpb.de

Föderalismus und EU

M. Große Hüttmann/Th. Fischer

F. [lat.: foedus = Bund, Übereinkunft] bezeichnet den Zusammenschluss von Teilen zu einem größeren politischen Ganzen, wobei sowohl die Zentrale als auch die Gliedstaaten ein Mindestmaß an Autonomie behalten. Die Beziehungen zwischen der Zentrale und den Gliedern des Bundes und das Maß an Eigenständigkeit und Kooperation sind i. d. R. in einer Verfassung festgeschrieben. Die Geschichte der europ. Integration ist seit ihren Anfängen geprägt von föderalen Ideen und bekennenden »Föderalisten« (z. B. Altiero Spinelli). Die Schweiz und die USA dienen der föderalistischen Bewegung in Europa seit jeher als Vorbild und Modell für die Entwicklung der EG (»Vereinigte Staaten von Europa«). Die schrittweise Vertiefung der EG/EU wurde als schleichende Föderalisierung in Richtung eines »unvollendeten Bundesstaats«, so der erste Kommissionspräsident Walter Hallstein, beschrieben. Der Vertrag von Maastricht (1993) mit den institutionellen und politikfeldspezifischen Reformen (Einführung der Wirtschafts- und Währungsunion und der gemeinsamen Eurowährung, Stärkung des Europäischen Parlaments, Subsidiaritätsprinzip, Ausschuss der Regionen) entwickelte die EU hin zu einem quasiföderalen System (»Mehrebenensystem«). Dieser Trend verfestigte sich 2004 mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa durch die Einführung von politischen Symbolen (Flagge, Hymne, Motto »In Vielfalt geeint«). Nach dem Scheitern des Verfassungsvertrages 2005 in den Volksabstimmungen in Frankreich und in den Niederlanden wurden diese Symbole im Vertrag von Lissabon (2009) jedoch gestrichen.

Auch wenn mit diesem Vertrag die Symbole verschwunden sind, verstärkt sich gleichwohl die »Föderalisierung« der EU (u. a. durch die stärkere Einbeziehung der nationalen Parlamente). In vielen Staaten der EU wird der F. als Zielperspektive für die Entwicklung der europ. Integration kategorisch abgelehnt. Diese antiföderale Haltung erklärt, weshalb bislang in allen EU-Verträgen die Worte F. oder »föderal« vermieden wurden und stattdessen von der »immer engeren Union der Völker Europas« (Präambel des Vertrags von Lissabon) gesprochen wird.

Literatur

  • M. Burgess: Federalism, in: A. Wiener/T. Diez (Hg.), European Integration Theory, 2. Aufl., Oxford 2009, S. 25-44.

  • R. Hrbek und M. Große Hüttmann (Hg.): Renaissance des Föderalismus? Zur Diskussion über die Weiterentwicklung der EU, Baden-Baden 2016.

  • M. Große Hüttmann/Th. Fischer: Föderalismus, in: H.-J. Bieling/M. Lerch (Hg.), Theorien der europäischen Integration, 3. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 35-53.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Große Hüttmann/Th. Fischer

Siehe auch:

Fussnoten

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