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Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) | bpb.de

Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP)

B. Lippert

Seit 2004 verfolgt die EU mit der ENP einen einheitlichen Ansatz für die Gestaltung ihrer Beziehungen zu 16 Nachbarstaaten im Süden (Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästinensische Autonomiebehörde, Syrien, Tunesien) und Osten (Belarus, Moldova, Ukraine, Armenien, Georgien, Aserbaidschan). Die Beziehungen zu Russland und den Ländern des westlichen Balkans fallen nicht darunter. Das Ziel der ENP ist die Schaffung eines Raums von Stabilität, Sicherheit und Wohlstand. Die EU grenzt die ENP von der Erweiterungspolitik ab und vermeidet einstweilen eine Vorentscheidung über eine mögliche Beitrittsperspektive, die unter den EU-Staaten umstritten ist. Die ENP basiert im Süden auf den bilateralen Assoziierungsabkommen mit den Mittelmeerländern sowie der 2008 gegründeten »Union für das Mittelmeer«. Mit den östlichen Nachbarn werden Assoziierungsabkommen mit einer vertieften Freihandelszone ausgehandelt. Diese bilateralen Beziehungen bilden zusammen mit Angeboten zur multilateralen Kooperation und Dialogen die östliche Partnerschaft, die 2008 lanciert wurde. Das zweite Gipfeltreffen der 27 + 6 fand 2011 in Budapest statt. Belarus ist einstweilen nur in multilaterale Teile einbezogen. Instrumente der ENP sind u. a. die beiderseits ausgehandelten Aktionspläne, ferner das Finanzierungsinstrument ENPI, eine spezielle Governance sowie die Nachbarschaftsinvestitionsfazilität und die im Rahmen der sog. Heranführungsstrategie erprobten Expertenentsendungsprogramme TAIEX und Twinning. Alle Instrumente sollen in gemeinsamer Verantwortung länderspezifisch angewendet und Fortschritte aufseiten der Nachbarstaaten belohnt werden. Die ENP bietet ihren Partnern eine Reihe von wirtschaftlichen und politischen Anreizen zur Zusammenarbeit. 2011 wurden die Ergebnisse einer Überprüfung der ENP vorgelegt. Als Prioritäten bei der Fortentwicklung schälen sich heraus:

• mehr Treffen auf Ministerebene,

• Teilhabe am Binnenmarkt,

• Erleichterung der Mobilität,

• größeres EU-Engagement bei regionalen Konflikten,

• vertiefte sektorale Kooperation. Die Umwälzungen in Nordafrika (»Arabischer Frühling«) haben auch Auswirkungen auf die ENP.

Zu den konzeptionellen Schwächen der ENP zählen die Zusammenführung der Nachbarn im Osten und im Süden, Unklarheit über die politischen Ziele (»Finalität«), ein Ungleichgewicht zwischen Forderungen (insbesondere politischen) und Angeboten an die Partnerstaaten vonseiten der EU und mangelhafte individuelle Differenzierung unter den 6 bis 10 Nachbarn. Mit Art. 8 des Vertrags von Lissabon wurde eine primärrechtliche Grundlage geschaffen, auf der die EU »besondere Beziehungen mit den Ländern in ihrer Nachbarschaft« entwickeln kann. Zu diesem Zweck ist es ihr möglich, nicht näher definierte »spezielle Übereinkünfte mit dem betreffenden Land« zu schließen. Die EU hat im Mai 2017 einen Bericht zur Neugestaltung der E. vorgelegt (»ENP Review 2015«); die Neuerungen beziehen sich u. a. auf höhere Flexibilität beim Einsatz der Instrumente, eine größere Eigenverantwortung bei den ENP-Staaten und auf Maßnahmen zur Bekämpfung der irregulären Migration.

Internet

Literatur

  • B. Lippert: Europäische Nachbarschaftspolitik, in: W. Weidenfeld/W. Wessels (Hg.), Jahrbuch der Europäischen Integration 2019, Baden-Baden 2019, S. 357-364.

  • B. Lippert: Die EU und ihre Nachbarschaftsbeziehungen: etablierte Assoziierungsmodelle und neue Grundformen, in: integration, H. 2/2019, S. 83-96.

  • T. Schumacher u. a. (Hg.): The Routledge Handbook on the European Neighbourhood Policy, NewYork 2018.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: B. Lippert

Siehe auch:

Fussnoten

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