Der Begriff D. beschreibt die mangelnde Legitimation des politischen Systems der EU aufgrund zu geringer Partizipationsmöglichkeiten der Parlamente und Bürger. Seit dem Vertrag von Maastricht (1993) nimmt die Zahl europ. Gesetze und Verordnungen beständig zu. Betrachtet man die EU als ein den Nationalstaaten vergleichbares politisches System, dann stellt sich die Frage, wie die EU politisch legitimiert ist: Das D. in der EU resultiert v. a. aus der lange Zeit mangelnden Anbindung der Kommission an das Europäische Parlament (EP) sowie aus der starken Stellung des Ministerrats, der nur indirekt legitimiert ist (die nationalen Minister sind durch nationale Wahlen legitimiert). Die Entscheidungen sind oft intransparent. Das EP besitzt (noch) nicht die gleichen demokratischen Rechte wie die meisten mitgliedstaatlichen Parlamente, und die Europawahlen sind oft mehr an nationalen und innenpolitischen als europ. Themen orientiert. Der Vertrag von Lissabon (2009) sieht hier jedoch einige Korrekturen vor (z. B. Bürgerinitiative, Stärkung des EP, neue Kontrollrechte der nationalen Parlamente bei EU-Vorhaben); auch die Einführung von »Spitzenkandidaten« bei den Europawahlen (erstmalig 2014) sind eine Antwort auf das D.
Literatur
G. Abels: Legitimität, Legitimation und das Demokratiedefizit der Europäischen Union, in: P. Becker/B. Lippert (Hg.), Handbuch Europäische Union, Wiesbaden 2020.
M. Große Hüttmann: Hat die Europäische Union ein Demokratiedefizit? Und wenn ja, wie viele?, in: Gesellschaft, Wirtschaft, Politik, H. 2/2019, S. 219-229.
A. Schäfer: Nach dem permissiven Konsens. Das Demokratiedefizit der EU, in: Leviathan, H. 3/2006, S. 350-376.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: O. Leiße