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Es war ein Vorgang von welthistorischer Bedeutung als im Dezember 1989 und im Januar 1990 Bürgerinnen und Bürger in der DDR die Zentralen der Geheimpolizei besetzten und die Regierung zwangen, den übermächtigen Apparat ersatzlos aufzulösen. Noch nie zuvor stand das Geheimwissen in Millionen Akten einer demokratischen Öffentlichkeit zur Verfügung.
Schon bald tauchten in vielen Redaktionsstuben MfS-Akten aus oft dubiosen Quellen auf. Manche versuchten mit diesen Akten finanzielle Vorteile zu erzielen. Zahlreiche Gerüchte kursierten, und es drohte eine Situation, in der mit zweifelhaften Akten Erpressungen erfolgen und die offene Gesellschaft in einen bedrohlichen Zustand versetzt werden konnte. Daher war es notwendig, den Umgang mit den MfS-Akten auf eine gesetzlich gesicherte Grundlage zu stellen. Denn zur Öffnung der Archive gab es keine Alternative. Nur die Öffnung konnte selbst zur Demokratisierung der Gesellschaft beitragen. Eine Vernichtung der Akten hätte diese eher erschweren, wenn nicht sogar verhindern können.
Am 7. Juni 1990 beschloss die frei gewählte Volkskammer, dass ein Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des MfS/AfNS eingesetzt würde. Dieser Sonderausschuss, dem Joachim Gauck vorstand, war die Geburtsstunde der späteren "Gauck-Behörde". Am 24. August 1990 verabschiedete die Volkskammer ein Gesetz über den Umgang mit den MfS-Unterlagen. Als dieses keinen Eingang in den Einigungsvertrag fand, besetzten Bürgerrechtler das MfS-Archiv, traten zeitweise in den Hungerstreik, erhielten prominente und massenhafte Unterstützung und beeinflussten medienwirksam eine Sitzung der Volkskammer.
Am 18. September 1990 wurde dann aufgrund dieser Proteste und wegen des Engagements von Bürgerrechtlern, die in der Volkskammer als Abgeordnete saßen, im Einigungsvertrag festgeschrieben, dass der Bundestag unverzüglich ein MfS-Unterlagen-Gesetz verabschieden solle. Am 3. Oktober 1990 folgte Joachim Gaucks Ernennung zum Sonderbeauftragten der Bundesregierung. Ihm standen anfangs 52 Mitarbeiter zur Seite. Am 14. November 1991 verabschiedete der Bundestag das "Stasiunterlagengesetz" und am 2. Januar 1992 eröffnete offiziell die Behörde des "Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR", nach ihrem ersten Leiter auch "Gauck-Behörde" genannt. Bald arbeiteten hier fast 3.000 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und verhalfen den Bürgern zu ihrem Recht, "ihre" Akte einzusehen. Außerdem bearbeiteten sie Millionen Anträge öffentlicher Einrichtungen auf Überprüfung, ob jemand mit dem MfS zusammengearbeitet habe. Zu der von einigen befürchteten Hysterie kam es nicht. Die ersten, die am 2. Januar 1990 ihre Akte einsehen durften, waren prominente Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler. (Dr. Ilko-Sascha Kowalczuk)
Quelle: Dieser Beitrag ist Teil der DVD-Edition "Kontraste - Auf den Spuren einer Diktatur".
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Kamera: Stephan Ambrosius
Schnitt: Sylvia Krüger
Produktion: 06.01.1992
Spieldauer: 22 Min.
hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung und RBB
Verfügbar bis: 31.12.2035
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