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Sie erkennen gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht an, benachteiligen Frauen, sie grenzen sich von Andersgläubigen oder Konfessionsfreien ab: Das Judentum, das Christentum und der Islam. Alle drei Religionen bieten Anlass für Kritik. Umso mehr, wenn in ihrem Namen Gewalt ausgeübt wird. Zum Beispiel, wenn die Terrororganisation "Islamischer Staat" im Namen "des Islams" Anschläge begeht oder der rechtsextremistische Attentäter in Christchurch über 50 Musliminnen und Muslime tötet und das mit dem "Schutz" des "christlichen Abendlands" rechtfertigt.
Sich komplett von Religion abzuwenden, sie zu verspotten und zu verachten, das fordern neue Atheisten, wie die "Four Horsemen of Atheism" aus den USA. Nicht nur Konfessionslose, sondern auch Gläubige können andere Religionen abwerten. Besonders häufig kritisiert wird dabei "der Islam". In Deutschland wird von manchen behauptet, die muslimischen Verbände seien zu konservativ. Es herrsche gar Misstrauen, zwischen Moscheevereinen und Sicherheitsbehörden. Spätestens seit Sarrazins Veröffentlichung "Deutschland schafft sich ab" wird offen diskutiert, ob eine ganze Religionsgruppe das Land "unterwandern" könne. Dem liegt der Gedanke zu Grunde Musliminnen und Muslime seien grundlegend anders als Nicht-Musliminnen und Nicht-Muslime. Kann eine solche Islamfeindlichkeit als Antimuslimischer Rassismus bezeichnet werden? Diese Frage wird auch in der Wissenschaft kontrovers diskutiert. Unumstößlich ist allerdings, dass in der durch Thilo Sarrazin angestoßenen "Islamdebatte" vermeintliche Kritik zu Pauschalisierung und Abwertung führen kann.
Nicht nur Musliminnen und Muslime, auch Menschen jüdischen Glaubens sehen sich mit Ablehnung und Hass konfrontiert. Besonders im Kopf geblieben sind die Bilder eines Kippaträgers, der in Berlin auf offener Straße, am helllichten Tag beschimpft und mit einem Gürtel geschlagen wird. Laut der polizeilichen Statistik nahmen antisemitische Straftaten und Übergriffe in den vergangenen Jahren zu. Anders als bei Islamfeindlichkeit wird hier jedoch selten über eine Ablehnung der Religion also "des Judentums" gesprochen. Es stellt sich die Frage danach, welche Rolle Religionskritik und Antijudaismus überhaupt für den Antisemitismus spielen.
Lassen sich Islamfeindlichkeit, Antisemitismus, der Umgang mit Konfessionslosen sowie Christenfeindlichkeit vergleichen? Kann in Bezug auf Religionsgemeinschaften tatsächlich von Rassismus gesprochen werden? Wo hört Religionskritik auf und wo fängt die Abwertung an? Diese und weitere Fragen wurden auf dem Podium des 45. bpb:forums "Wo beginnt der Hass? Grenzen zwischen Religionskritik und Rassismus" am 9.Oktober 2019 aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert.
Die Moderation leitete Frau Dr. Christiane Florin, Deutschlandfunk, Köln.
Es diskutierten:
Prof. Dr. Gert Pickel lehrt und forscht am Institut für Praktische Theologie der Universität Leipzig. Er hat Soziologie und Politikwissenschaft an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg studiert und war anschließend wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Seit 2013 ist er u.a. Mitglied im Vorstand des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung. Sein besonderes Interesse gilt der die Verbindung zwischen Rechtspopulismus, Religion, Islamophobie und allgemeiner Religionskritik. Dies spiegelt sich auch in seiner Publikation "Religionssoziologie. Eine Einführung in relevante Themenbereiche" (Wiesbaden 2011) wider.
Dr. Lale Akgün ist Autorin des 2018 erschienen Buches "Platz da! Hier kommen die aufgeklärten Muslime. Schluss mit der Vorherrschaft des konservativen Islams in Deutschland". Sie studierte Medizin, Völkerkunde und Psychologie in Marburg und promovierte an der Universität zu Köln zum Thema "Zur Anwendung von nonverbalen Intelligenztests bei türkischen Grundschulkindern". Von 2002-2009 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages und Stellvertretende Europa und Migrationspolitische Sprecherin sowie Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Darüber hinaus ist sie Mitbegründerin der Initiative Säkularer Islam.
Dr. Yasemin El-Menouar ist Senior Expert bei der Bertelsmann Stiftung und seit 2014 Leiterin des Religionsmonitor-Projekts. Der Religionsmonitor untersucht die Rolle der Religion und der zunehmenden religiösen Vielfalt in europäischen Gesellschaften. Seit 2018 ist sie Associate Fellow der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, wo sie zur Rolle von Religionsgemeinschaften in der Außenpolitik forscht. Von 2012-2014 leitete sie im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Forschungsprojekte im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz. Sie studierte Soziologie und Islamwissenschaften an der Universität zu Köln, wo sie zur Rolle von Religion für die Integration von Muslimen promovierte (Dr. rer. pol.).
Saba-Nur Cheema ist pädagogische Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank – Zentrum für politische Bildung und Beratung in Frankfurt/Main. Sie studierte Politikwissenschaft an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Sie ist Lehrbeauftragte unter anderem an der Frankfurt University of Applied Sciences im Fachbereich Soziale Arbeit. Ihre Arbeits- und Forschungsschwerpunkte sind Antisemitismus und rassismuskritische Bildung, antimuslimischer Rassismus und Religionspluralität. Zu Ihren Veröffentlichungen gehören "Trigger Warnung. Identitätspolitik zwischen Abschottung, Allianzen und Abwehr" (2019, als Herausgeberin mit Berendsen/Mendel) und "Verdächtig sind die Anderen – Umgang mit islamistischem Antisemitismus und antimuslimischem Rassismus in der Bildungsarbeit" (2019, in Foitzik/Hezel: Diskriminierungskritische Schule).
Mehr Informationen
Produktion: 09.10.2019
Spieldauer: 4 Min.
hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb
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