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Die zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppten Polen litten unter der rücksichtslosen Trennung von ihren Familien und waren den schwierigen Lebensumständen in der Fremde restlos ausgeliefert. Ein halbes Jahr nach dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 traten im März 1940 die sogenannten Polen-Erlasse in Kraft – ein speziell an sie gerichtetes, rassistisch begründetes Sonderrecht. Mehrere Anordnungen sollten das Verhältnis zwischen der deutschen Bevölkerung und den polnischen Zwangsarbeitern während der Arbeit und im Alltag regeln.
Dazu gehörte die Kennzeichnungspflicht für die Polen. Der sichtbare Buchstabe „P“ an der Kleidung zielte – ähnlich wie der Davidstern für die Juden und das Abzeichen „OST“ für die Verschleppten aus der Sowjetunion – auf Stigmatisierung und Ausgrenzung. Die Präsenz der Polen im öffentlichen Raum sollte auf ein Minimum begrenzt werden: Sie durften keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, weder Kirchen noch Kinos, Theater oder kulturelle Veranstaltungen besuchen.
Die Anordnungen bestimmten das Verhalten beider Seiten. So wurden auch den Deutschen alle privaten Kontakte zu Polen untersagt. Das begann mit dem Verbot, bei Mahlzeiten gemeinsam an einem Tisch zu sitzen. Intime Beziehungen wurden streng geahndet und endeten für die Frauen aus Polen nicht selten mit einer KZ-Haft und für die Männer sogar mit der Todesstrafe. Die meisten Deutschen ließen sich von den rassistischen Prinzipien leiten und behandelten entsprechend ihre polnischen Arbeiter. Viele waren eingeschüchtert und verhielten sich ähnlich. Dementsprechend erfuhren die polnischen Zwangsarbeiter bei der Arbeit, in den Unterkünften und auf den Straßen meistens Ablehnung, Feindseligkeit und Verachtung.
Andererseits gab es unter den Deutschen nicht wenige, die die Polen menschlich, manchmal sogar freundlich behandelten. So wird in fast jedem Zeitzeugeninterview aus Polen der Erinnerung an die schlechten Deutschen eine positive Geschichte entgegengesetzt. Bezeichnend ist dabei eine Art innerer Verpflichtung, an jene „Anständigen“, „Rechtschaffenen“ und „Guten“ zu erinnern, sie möglichst mit Namen zu nennen und so zu würdigen.
Biografische Daten
Zdzisław D. 1924 geboren in Łódź (Polen) bis 1937 Abschluss der Grundschule und Arbeit in der Bäckerei des Vaters ab 1940 Zwangsarbeit in einer Munitionsfabrik bei Dannenberg (Niedersachsen) 1942 Flucht und erneute Deportation zur Arbeit in einer Bäckerei in Dannenbergv 1945 Aufenthalt in einem Displaced-Persons-Camp bei Hamburg, dann Rückkehr und Arbeit als Bäcker, später als Buchhalter 2004 Besuch in Dannenberg Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945", Externer Link: Interview za193 (Registrierung erforderlich) Dauer 4:05 h, Datum: 27.11.2005, Sprache: polnisch
Janina Halina G. geboren 1926 in Łódź (Polen) bis 1939 Besuch der Volksschule und Aufnahmeprüfung für das Handelsgymnasium 1941 bis 1943 Arbeit als Minderjährige in Łódź 1943-1945: Verschleppung und Arbeit in einem Rüstungsbetrieb der AEG in Hennigsdorf bei Berlin 1945 vorläufige Verhaftung wegen Hilfe für KZ-Häftlinge April 1945 Befreiung und Heimkehr Studium und Arbeit als Geschäftsführerin 1987 bis 1993 Tätigkeit im Verein der durch das Dritte Reich geschädigten Polen 1995 Besuch in Berlin und Hennigsdorf 2014 gestorben in Łódź Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945", Externer Link: Interview za255 (Registrierung erforderlich) Dauer 4:16 h, Datum: 16.6.2005, 29.8.2005, Sprache: polnisch
Mehr Informationen
Redaktion: Cord Pagenstecher
Kamera: Stanisław Ścieszko bzw. Jerzy Ernst
Schnitt: Tobias Kilgus
Drehbuch: Ewa Czerwiakowski
Ton: Tobias Kilgus
Interviewpartner/innen: Zdzisław D. (ehemaliger polnischer Zwangsarbeiter in Dannenberg / Niedersachsen), Janina Halina G. (ehemalige polnische Zwangsarbeiterin in Hennigsdorf / Brandenburg)
Interviewerin: Katarzyna Madoń-Mitzner (KARTA Warschau) bzw. Ewa Czerwiakowski (Berliner Geschichtswerkstatt) im Rahmen eines vom Institut für Geschichte und Biographie der FernUniversität Hagen koordinierten Interviewprojekts
Produktion: 16.02.2015
hrsg. von: Freie Universität Berlin, Center für Digitale Systeme
Lizenzhinweise
© Archiv "Zwangsarbeit 1939-1945"