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Muslime in Europa | bpb.de

Muslime in Europa Version mit Gebärdensprache

von: Hatice Schmidt Prof. Dr. Armina Omerika

Im Rahmen der Webvideo-Reihe "Begriffswelten Islam" informiert der Gesprächsfilm über das Verhältnis zwischen dem Islam und Europa und dem Leben von Muslimen in Europa.

Inhalt

Die YouTuberin Hatice Schmidt besucht in diesem Gesprächsfilm die Islamwissenschaftlerin Prof. Dr. Armina Omerika und spricht mit ihr über das Themenfeld des Islams in Europa.

Volltextalternative

[Die Youtuberin Hatice Schmidt steht in Winterjacke und Schal draussen auf einem Platz. Im Hintergrund sind die Eingänge zum Berliner Hauptbahnhof zu sehen. Menschen mit Taschen und Koffern passieren die Türen, ein Taxi fährt vorbei. Hatice spricht direkt in die Kamera.]

Hatice: Hi Leute! Heute ist es soweit, heute ist die letzte Folge von #travellingIslam. Ich habe eine wirklich spannende Reise hinter mir.

[Ganz leise Klaviermusik beginnt, Hatice ist weiterhin zu hören. Das Bild wechselt nun in den Bahnhof, Rolltreppen fahren auf- und abwärts durch die große Halle, Geschäfte sind im Hintergrund zu sehen. Hatice steht mit einem Rollkoffer und einem Kaffeebecher auf einer Zwischenebene im Bahnhof und blickt sich um. Dann folgen Bilder aus den vorhergegangen Filmen der Reihe #travellingIslam: Ein Blick aus einem Flugzeugfenster auf eine nächtliche mit bunten Lichtern beleuchtete Startbahn, ein Blick auf ein blaues Meer und eine alte Stadtmauer - die Befestigungsanlage von Valetta auf Malta, Hatice mit Prof. Dr. Bekim Agai auf einem sommerlichen Platz in Valetta und er sprechend vor dem Hintergrund des Meeres, verschiedene Bilder von Hatice mit Prof. Dr. ヨmer ヨzsoy in Valletta, Tim Sievers beim Interview in Frankfurt, Hatice mit Dr. Mohammad Gharaibeh im Gespräch am Rheinufer in Bonn, Hatice beim Gespräch mit Dr. Serdar Kurnaz durch den schweizerischen Ort Fribourg schlendernd, mit Hamideh Mohagheghi in Hannover und mit Prof. Dr. Katajun Amirpur an der Alster in Hamburg.]

Hatice: Ich bin mit Bahn, Auto, Flugzeug und vielen Fragen von euch und mir im Gepäck zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gereist. Und habe gemeinsam mit ihnen und euch Begriffe und Themen rund um den Islam erforscht, die nicht nur mich und euch beschäftigen, sondern in den Medien und in der Gesellschaft immer wieder diskutiert werden. Heute endet die Serie mit dem Thema "Islam in Europa". Denn nicht nur jetzt nach Paris und Brüssel wird vieles vermischt. Wir hören immer wieder vom Islam, von Muslimen, Radikalen und dem IS und ich habe das Gefühl, dass Muslime gerade in Europa jetzt wieder mehr nach ihrem Glauben und ihren Ansichten zu Terroranschlägen befragt werden.

[Im Bild ist wieder Hatice vor dem Bahnhof, die in die Kamera spricht.]

Hatice: Doch wer sind denn DIE Muslime in Europa?

[Hatice ist nun wieder im Off zu hören. Sie ist zunächst im Bild, wie sie Spatzen mit einer Tomatentasche füttert, dann sind verschiedene weite Ansichten auf die Landebahn des Berliner Flughafens Tegel zu sehen. Es folgen Bilder des Flughafengebäudes mit dem Tower, ein Flugzeug, das startet und abhebt, ein Flugzeug mit Fluggastbrücke zum Gebäude und ein Blick auf den Betrieb des Flugfeldes. Dann zeigt die Kamera Hatice von hinten vor einer Anzeigetafel stehend und als nächstes Prof. Dr. Armina Omerika, die aus dem Ankuftssaal heraus auf Hatice zukommt. Die beiden umarmen sich herzlich. Es folgen verschiedene Ansichten der beiden während einer Autofahrt. Sie unterhalten sich, lächeln, sitzen einander zugewandt auf der Rückbank des Autos. Eine veschwommene Großaufnahme zeigt Hatice lachend, dann folgen Bilder aus der Windschutzscheibe des Autos auf Strassen im grauen Regenwetter. Als nächstes sitzen Hatice und Armina Omerika einander gegenüer an einem großen Holztisch. Im Hintergrund eine kleine Küchenzeile. Das Bild zeigt erst beide von der Seite, dann wechselt es zu Armina Omerikas Perspektive auf Hatice, die sich Notizen macht, dann zu Hatices Blick auf Armina Omerika und zu einer Großaufnahme von ihr.]

Hatice: Hierzu treffe ich mich heute mit Prof. Dr. Armina Omerika in Berlin. Und weil sie so lieb war hierher zu fliegen, hole ich sie vom Flughafen ab. Sie hat eine Professur für Ideengeschichte des Islam an der Uni Frankfurt. Sie hat davor an einigen Unis in Europa und den USA Islamwissenschaften und Geschichte unterrichtet und auch sehr viel über die Geschichte des Islam in Europa, vor allem in Südosteuropa, geforscht. Ich kenne Armina schon, da sie die Reihe #travellingIslam als Wissenschaftlerin betreut und mit ihrem beeindruckenden Wissen bereichert. Ich freue mich total, sie euch vorzustellen und mit ihr weitere Fragen zum Thema „Islam in Europa“ zu besprechen. Wie viele Muslime leben überhaupt in Europa? Kann man bei so vielen unterschiedlichen Menschen, Kulturen, Glaubensrichtungen von DEN Muslimen sprechen? Aber fangen wir von vorne an.

[Hatice ist von vorne zu sehen. Sie spricht zu Armina Omerika, untermalt ihre Worte mit den Händen. Im Hintergrund ist ein Wohnraum in einer Dachschräge zu erkennen. Die Einrichtung ist in der Unschärfe des Raums weitgehend nicht zu erkennen, ausser einem roten Sessel und einer Zimmerpalme.]

Hatice: Wie ist denn das mit dem Islam in Europa? Wo gibt es überall Muslime und seit wann?

[Armina Omerika ist nun am Tisch sitzend im Bild, hinter ihr die Blätter einer Zimmerpalme. Im Hintergrund ist ein Holzschrank und weitere Gegenstände einer Wohnungseinrichtung zu erkennen. Armina Omerika spricht freundlich, manchmal lächelnd, zu Hatice gewandt. Sie wirkt klar und ruhig, ein Eindruck, der durch ihre Gesten unterstützt wird. Zwischendurch wechselt das Bild auf eine Großaufnahme ihres Gesichtes, in der der Hintergrund dunkel und fast nicht mehr zu erkennen ist.]

Omerika: Grundsätzlich gibt es, wenn man über diese Beziehung Islam und Europa spricht, sehr häufig eine Position, die den Islam auf die eine Seite stellt und Europa auf die andere. Man sagt, das sind zwei verschiedene Sachen. Und dann gibt es Diskussionen darüber: sind die miteinander vereinbar oder nicht? So einfach ist das aber nicht! Der Islam ist ein Teil europäischer Geschichte gewesen, in vielerlei Hinsicht.

Zunächst einmal, diese Aufteilung, oder dieser Gegensatz stammt aus Bildern oder aus Zeiten, wo muslimische Staaten gegen vornehmlich christliche europäische Staaten Kriege geführt haben. Nur ist es so gewesen, dass selbst in Zeiten, wo diese Konflikte stattfanden und wo diese Kriege stattfanden, gab es immer auch eine andere Form von Kontakt und von Austausch. Sie hat sich auf vielen Ebenen manifestiert. Also es gab Austausch beispielsweise in der Wissenschaft; in Bereichen wie Medizin, Mathematik oder Philosophie, da gab es eine gegenseitige Durchdringung könnte man sagen. Es gab Austausch im sprachlichen Bereich. Es gab auch kulturellen Austausch, es gab Begegnungen, man hat übereinander geschrieben, das ist also die eine Ebene.

Ein anderer Aspekt dieses Verhältnisses Islam und Europa ist die Tatsache, dass es in bestimmten europäischen Gebieten, wie beispielsweise in Südosteuropa, auf dem Balkan also, durchaus Gesellschaften gibt, wo Muslime seit Jahrhunderten leben und wo der Islam auch im Alltag, im Lebensalltag, als Religion eine ganz wichtige Rolle gespielt hat. Solche Länder wie Bosnien-Herzegowina, wie Albanien oder Kosovo, aber auch andere Länder wie Serbien, Montenegro, Bulgarien usw. kennen schon seit Jahrhunderten die Präsenz des Islams. Muslime gehören dazu und sie haben dort gelebt, das sind eben ihre Länder. Das sind natürlich auch europäische Länder und entsprechend den jeweiligen Bedingungen haben sie da auch bestimmte islamische Traditionen entwickelt. Es gibt, wenn wir jetzt den Blick ein wenig weiter nach Osten richten, auch Länder, in denen Muslime seit Jahrhunderten eine Präsenz haben und wo sie selbstverständlich dazugehören. Russland wäre da zu nennen, als ein Land, das auch in seinem europäischen Teil sehr viele Muslime beherbergt. Und zwar nicht erst seit jetzt, sondern durchaus auch historisch. Ukraine ist ein Land, wo Muslime traditionell gelebt haben, auf der Krim beispielsweise, die Tataren. Oder auch Polen, ein Land das heute zwar eine muslimische Minderheit hat, also zahlenmässig eine sehr kleine, aber zu den Ländern gehört, die den Islam als Religionsgemeinschaft, also als offizielle Religion, mit als Erste in Europa anerkannt haben. Und dann gibt es natürlich noch Westeuropa und westeuropäische Gesellschaften. Hier ist die Geschichte ein wenig anders. Diese Geschichte des Islams hier, oder einer nennenswerten Präsenz von Muslimen zahlenmäßig, fängt hier tatsächlich mit dem 20. Jahrhundert an, mit dem Anfang des 20. Jahrhunderts. Und auch da gibt es Unterschiede: Die Migrationen von Muslimen nach England haben z.B. früher angefangen als Migrationen oder Einwanderungen von Muslimen nach Deutschland oder nach Österreich. Das kam erst ab der Mitte des 20. Jahrhunderts. Aber man muss ja auch sagen, dass sehr viele europäische Länder früher mal Kolonialmächte waren und dass diese Kolonien auch eine große Zahl von Muslimen eingeschlossen haben, sehr häufig sogar mehrheitlich muslimisch waren. Und dass es dann natürlich auch diese Verbindungen waren, die Muslime aus diesen Ländern dann später in die europäischen Länder wie Großbritannien, wie Frankreich, wie Holland geführt haben. Nach Deutschland kamen die meisten Muslime, also wieder jetzt in einer nennenswerten Anzahl - gewisse Traditionen hat es schon vorher gegeben, die erste Moschee in Berlin ist in den 20er Jahren gebaut worden, das ist die älteste Moschee in Deutschland - aber hauptsächlich kamen die Muslime ab der Mitte des 20. Jahrhunderts, im Zuge von zunächst einmal Arbeitsmigrationen. Später dann auch in den 90er Jahren beispielsweise im Zuge von Kriegsflucht, da kamen sehr viele Muslime aus Bosnien-Herzegowina hierhin oder jetzt eben auch Kriegsflüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Es ist also eine sehr heterogene muslimische Landschaft in Europa immer vorhanden gewesen, und sie ist jetzt immer noch vorhanden.

[Hatice ist wieder im Bild, sie spricht zu Armina Omerika.]

Hatice: Ist das muslimische Leben in Europa anders als woanders auf der Welt?

[Das Bild wechselt wieder zu Armina Omerika.]

Omerika: Das kann man so pauschal nicht sagen. Es gibt weder in anderen Teilen der Welt ein einheitliches muslimisches Leben, noch gibt es in den verschiedenen europäischen Staaten und Gesellschaften ein einheitliches muslimisches Leben. Dazu sollte man vielleicht zwei Sachen unterscheiden. Zunächst einmal, was bedeutet muslimisches Leben? Also Muslime leben eben in ihren Gesellschaften, in ihren Kontexten, gehen ihren Alltagsangelegenheiten nach und haben in dieser Hinsicht genau dieselben Probleme, Schwierigkeiten oder Freuden usw. wie alle Anderen auch. Eine andere Frage ist die, welche islamischen Traditionen sich wo entwickelt haben. Und auch da können wir jetzt nicht von einheitlichen islamischen Traditionen sprechen, also weder in der ganzen Welt noch jetzt spezifisch in Europa. Jemand der in einer jahrhundertealten islamischen Tradition aufgewachsen ist, wie beispielsweise in Bosnien-Herzegowina, wird wahrscheinlich ein anderes Verhältnis oder zumindest andere Angewohnheiten haben als jemand, für den der Islam jetzt etwas ganz Neues ist, oder der es jetzt ganz neu erlebt in einem Kontext, wo der Islam keine historische Verankerung hat, oder zumindest nicht eine so lange historische Verankerung. Durch die Migrationen aus der ganzen Welt, nach Deutschland hin, kann man schon sagen, dass es hier zu einem Zusammenkommen von so vielen vielfältigen unterschiedlichen islamischen Traditionen kam, dass sich diese Vielfalt fast konzentriert in einer Dichte, die Muslime wahrscheinlich aus ihren ursprünglichen Kontexten, in dieser Form und in dieser Intensität nicht kannten. Was bedeutet das? Das bedeutet konkret... Nehmen Sie eine Stadt wie Frankfurt: Sie haben da Muslime, die kommen aus der Türkei, die kommen aus nordafrikanischen Ländern, die kommen aus dem Nahen Osten, die kommen aus Indien, sie kommen aus Pakistan, sie wandern vielleicht aus anderen europäischen Ländern ein, sie kommen aus Bosnien, sie kommen aus Albanien. Und all diese Muslime bringen zum einen ihre eigene Sprache mit, zum anderen ihre eigene Tradition den Islam auszulegen. Und für viele Leute, gerade auch für jüngere Generationen, kann man sagen, dass es sehr häufig Überraschungsmomente gab. Wenn sie dann plötzlich im selben Raum mit anderen Muslimen lebten und feststellen mussten, dass es da auch andere Interpretationen, andere Deutungen, andere Arten den Islam zu leben, gibt. Wenn wir über Islam oder islamische Traditionen in Europa sprechen, oder auch über das religiöse Leben von Muslimen, dann gibt es auch hier enorme Unterschiede, die sich aus unterschiedlichen politischen Systemen ergeben. Es gibt ja nicht DEN Westen, nicht das Westeuropa, das einheitlich wäre. Auch hier reden wir von verschiedenen historischen und politischen Traditionen. All diese Faktoren muss man berücksichtigen, wenn man davon spricht, dass es DIE Muslime in Europa gibt, oder wenn man sich die Frage stellt, wie Muslime in Europa leben. Eine pauschale Antwort gibt es darauf sicherlich nicht.

[Das Bild wechselt zu Hatice, sie spricht lebendig, beinahe eindringlich zu Armina Omerika gewandt.]

Hatice: Ich hatte ja jetzt das Glück auf der Reise viele Experten und Expertinnen zu fragen. Aber wo gehen denn Leute hin, die eben nicht diese Experten haben? Wen können die denn ansprechen?

[Wieder ist Armina Omerika im Bild. Sie spricht konzentriert und ernsthaft, dabei sehr aufmerksam Hatice zugewandt.]

Omerika: Gerade jetzt in Deutschland, wenn wir konkret von unserem heutigen Kontext in diesem Land sprechen, gibt es zunächst einmal erste Schritte in Richtung Einführung eines islamischen Religionsunterrichts in den Schulen. Das ist aber erst in einer Anfangsphase. Viele junge Muslime, die heute in Deutschland Fragen haben - und sehr viele haben Fragen zu ihrem Glauben - hatten nicht die Möglichkeit, diese Fragen vielleicht im Laufe eines normalen Schulbesuchs beantwortet zu bekommen, wie das bei den meisten oder zumindest vielen Angehörigen der christlichen Religionen in Deutschland der Fall war.

Und seltsamerweise gibt es ja diese Angewohnheit, wenn man über Religion spricht, dass tatsächlich jeder meint, sich dazu äussern zu können und dazu als Experte sich äussern zu können. Das muss man sich so vorstellen: Wenn du beispielsweise eine Operation an deinem Gehirn planst, dann gehst du doch auch nicht zu einem KFZ-Mechaniker und sagst, du kennst dich doch so ein bisschen aus, mit irgendwelchen Systemen, also könntest du bitte mein Gehirn operieren. Du gehst auch nicht zu jemandem, der gerade zwei Kurse in Erster Hilfe abgeschlossen hat. Und weil er sich ein wenig im medizinischen Bereich auskennt, würde er dann auch auch fachmännisch diese Operation vornehmen können. Es würde uns niemals einfallen, solche Lösungen zu finden. Also man geht zu einem Spezialisten, zu einem Neurochirurgen, der jahrelange Ausbildung in diesem Bereich hat und der auch Erfahrung in diesem Bereich hat und der das dann auch fachmännisch vornehmen kann.

Im Bereich Religion ist das wiederum anders. Man geht auf Leute zu, weil sie irgendetwas mit dem Islam zu tun hatten oder haben oder sich als Muslime äussern, und stellt ihnen Fragen zum Islam, die sie dann als Experten beantworten. Da ist natürlich große Vorsicht geboten. Es ist schwierig. Es gibt aber trotzdem Methoden, es gibt trotzdem Wege, sich Informationen zu besorgen, die ausgeglichen sind, die sachlich sind, die differenziert sind. Dazu gehören natürlich Bücher, dazu gehören auch Fachzeitschriften, dazu gehören auch Gespräche, warum nicht, mit Leuten, die Ausbildung in dem Bereich haben und die sich längere Zeit damit beschäftigt haben. Dazu gehört auch das Internet. Nur da muss man aber aufpassen, dass man tatsächlich dann auch gewisse Medienkompetenzen entwickelt, wie in anderen Bereichen auch. Das gilt ja nicht nur für den Islam, das gilt auch für andere Informationen, die man sich einholen will. Man muss lernen, Kompetenzen zu entwickeln, wie man in der Tat eine sachliche Information von Feststellungen, Unterstellungen, Verdrehungen, Propaganda unterscheidet. Auf der anderen Seite gibt es aber in Deutschland auch genug Islamwissenschaftler. Es gibt mittlerweile auch muslimische Theologen, also islamische Theologen, die sich damit beschäftigen, die auch Antwort geben können. Es gibt aber auch die Religionsgemeinschaften, also gerade die großen Religionsgemeinschaften mit ihren Moscheen, wo man hingehen kann, um sich zumindest, vielleicht nicht unbedingt eine umfassende Information, aber einen Eindruck zu verschaffen, wie es in dieser Tradition oder wie das in dieser Richtung des Islam gelebt wird.

[Hatice ist zu sehen.]

Hatice: Was bedeutet das denn jetzt für uns alle, für heute und für die Zukunft?

[Das Bild wechselt zu Armina Omerika.]

Omerika: Viele Muslime sind sehr stolz auf die Errungenschaften der islamischen Geschichte, auf die großen zivilisatorischen Errungenschaften. Ich hatte das ja vorhin genannt. Gerade im Bereich der Medizin, gerade im Bereich des Denkens, also der Philosophie, im Bereich von Mathematik, Naturwissenschaften, Optik ist natürliche eine große Geschichte gewesen usw.. Sie sind aber auch stolz auf die Geschichte von solchen Staaten, die ein Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen, verschiedener Ethnien ermöglicht haben. Also ein relativ friedvolles Zusammenleben vor dem Hintergrund der damaligen historischen Umstände. Das ist eine Art von Stolz, der auf die Vergangenheit rückprojiziert wird. Zurecht teilweise.

Eine andere Frage wäre aus meiner Sicht viel wichtiger, nämlich die Frage nach der Zukunft. Wie möchte man in 300 Jahren erinnert werden? Was haben wir heute gemacht, das wir dauerhaft hinterlassen? Wie werden die Menschen in 300-400 Jahren, Historiker, wenn sie die Bücher aufschlagen, wenn sie unsere heutigen Quellen lesen, wie werden sie die Rolle der Muslime beurteilen, oder die Rolle des Islams? Und das ist natürlich eine Frage nach gesellschaftlicher Produktivität. Wollen die jungen Muslime erinnert werden als Menschen, die Großes geleistet haben? Die vielleicht große Ergebnisse in der Wissenschaft erzielt haben - so wie ihre Vorgänger - die vielleicht Schriftsteller sind, Künstler, Nobelpreisträger... Wollen sie so erinnert werden oder wollen sie, dass ihre Religion nur permanent mit Angst und Schrecken in Verbindung gebracht wird? Das ist eine große Aufgabe in meinen Augen, für gerade die jungen Muslime, die eben hier in diesen Gesellschaften auch verankert sind. Und je mehr Gedanken man sich darüber macht und je kritischer man auch ist, vielleicht auch ein Stück weit selbstkritischer, umso mehr gelingt dieses Unterfangen, meiner Meinung nach.

[Nun beginnt leise Klaviermusik. Im Bild ist ein Feuer in einem Kamin, dann Hatice und Armina Omerika auf roten Sesseln vor dem Kamin sitzend. Als Hatice zu sprechen beginnt, ist sie in die Kamera blickend vor dem Kamin zu sehen. Es folgen Bilder von Armina Omerika, ein Blick aus dem Fenster auf eine nächtliche Hausfassade, atmosphärische Bilder von Hatice und Armina Omerika vor dem Kamin und immer wieder Hatice direkt in die Kamera sprechend und Großaufnahmen des Kaminfeuers. Hatice verabschiedet sich lächelnd mit einem Kopfnicken und einem aufmunternden Fingerzeig. Dann wird das Bild ausgeblendet.]

Hatice: Damit sag ich wohl ein letztes Mal Dankeschön für's Reinschalten. Natürlich möchte ich mich auch bei Armina bedanken, nicht nur für dieses Gespräch, sondern für ihren Einsatz für diese gesamte Reihe. Natürlich auch bei der bpb und für alle, die in diesem Team mit dabei waren, auch die Experten und Expertinnen. Ich hab euch alle ganz doll in mein Herz geschlossen. Natürlich auch bei euch, dass ihr wirklich immer reingeschaltet habt, aktiv mit dabei wart und mich bei dieser Reihe sehr unterstützt habt. Das bedeutet mir alles sehr sehr viel. Danke, dass ihr mich auf dieser Reise begleitet habt. Tschüss und bis zum nächsten Mal mit euch!

Mehr Informationen

  • Redaktion: Meimberg GmbH

  • Kamera: Meimberg GmbH

  • Schnitt: Meimberg GmbH

  • Drehbuch: Meimberg GmbH

  • Musik: Meimberg GmbH

  • Ton: Meimberg GmbH

  • Sprecher: Hatice Schmidt, Prof. Dr. Armina Omerika

  • Wissenschaftliche Beratung: Saliha Kubilay, Marie Meimberg, Prof. Dr. Armina Omerika

  • Gesprächspartner: Armina Omerika

  • Produktion: 10.12.2015

  • Spieldauer: 16 Min.

  • hrsg. von: Bundeszentrale für politische Bildung.

Lizenzhinweise

Dieser Text und Medieninhalt sind unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Hatice Schmidt Prof. Dr. Armina Omerika für bpb.de

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