Wohl kaum ein Ereignis hat sich so in unser kollektives Bewusstsein eingebrannt, wie die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001. Die Folgen des Terrors sind bis heute spürbar - und haben unsere Welt stark verändert. Auch nach all den Jahren erscheinen die Bilder von Passagiermaschinen, die in die Türme rasen, immer noch vollkommen unwirklich. Und wie bei so vielen Ereignissen, die die Welt dauerhaft veränderten - ob Mondlandung, Präsidentenmord oder Klimawandel - es dauert nie lange, bis Zweifel aufkommen. Bei einigen Menschen entwickelt sich jedoch aus einer gesunden Skepsis ein Dauerzustand von Misstrauen. Alles, was von "Denen da oben" gesagt wird, diene nur der Manipulation der Bevölkerung. Rund um die Terroranschläge vom 11. September ist dieses Verhalten besonders ausgeprägt.
Heute verbreiten die Anhängerinnen und Anhänger des "9/11 Truth movement", sogenannte "Truther", ihre Verschwörungstheorien und "alternativen Fakten" gerne im Netz. Einigkeit darüber, wer tatsächlich hinter den Anschlägen steckt, scheint es unter "Truthern" nicht zu geben. Doch Motive für eine solche Verschwörung existieren angeblich zur Genüge. Dass sich Osama Bin Laden und die Terrororganisation al-Kaida mehrfach zu den Terroranschlägen bekannt haben, spielt für sie keine Rolle.
Viele "Truther" glauben, dass Mitglieder der US-Regierung die Anschläge bewusst geschehen ließen. Andere gehen sogar noch weiter und behaupten, ein kleiner Personenkreis innerhalb der US-Führung habe die Anschläge selbst geplant und mithilfe Dritter durchgeführt. Warum? Um einen Vorwand zu schaffen, in Afghanistan und im Irak einzumarschieren. Und warum das? Wegen des Öls. In der Tat wird die US-Invasion des Iraks heute von vielen als Fehler betrachtet. Der Vorwand, Diktator Saddam Hussein entwickle Massenvernichtungswaffen hat sich mittlerweile als Fehlinformation der US-Geheimdienste entpuppt. Und auch der Faktor Öl im Irak-Krieg wurde in den letzten Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. All das beschert Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretikern einen gewissen Zulauf.
Geschichtlich betrachtet sind derartige Theorien jedoch nichts Neues: Schon beim Angriff der Japaner auf Pearl Harbour im Zweiten Weltkrieg gab es Verschwörungstheorien, die US-Regierung hätte den Angriff absichtlich geschehen lassen, um sich den Rückhalt der Bevölkerung für einen Kriegseintritt zu sichern. So etwas wird dann als "False-Flag-Operation" bezeichnet. Und auch am 11. September soll die US-Luftverteidigung aus diesem Grund die Anschläge absichtlich nicht verhindert haben, wie viele "Truther" glauben.
Ob zugelassen oder selbst durchgeführt, das wohl stärkste Indiz für eine 9/11-Verschwörung basiere angeblich auf technischen Fakten: Die Wucht der Flugzeugeinschläge sowie die Hitze der daraus resultierenden Brände hätten nicht ausgereicht, um die Gebäude zum Einsturz zu bringen. Gezielte Sprengungen sollen zum Kollaps des World Trade Centers geführt haben. Neben den beiden Türmen steht hier auch das weniger bekannte "7 World Trade Center" im Fokus. Dieses Nebengebäude stürzte erst einige Stunden nach den beiden Haupttürmen in sich zusammen. Und es stimmt: Flugzeugkerosin brennt nicht heiß genug, um Stahl zu schmelzen. Sehr wohl aber heiß genug, dass sich Stahlträger unter tausenden Tonnen Last verformen - bis sie schließlich einknicken. Ein Schicksal, das die Türme und das "7 World Trade Center" teilten, denn auch dieses wurde durch Brände im Inneren zu stark geschwächt, um standzuhalten.
Doch nicht nur die US-Regierung könnte hinter den Anschlägen stecken: Andere "Truther" glauben stattdessen an eine internationale Finanzverschwörung. Konkret sei es bei den Anschlägen um "Insiderdeals" an der Börse gegangen. Anhängerinnen und Anhänger dieser Theorie sehen "ungewöhnliches Verhalten" an den Aktienmärkten kurz vor den Anschlägen als klares Indiz dafür. Hierbei geht es beispielsweise um den Verkauf von Anteilen großer US-Fluglinien. Sie glauben, eine geheime Elite habe die Anschläge durchgeführt und sei dadurch noch viel reicher geworden. Auch diese Verschwörungstheorie wurde von der offiziellen 9/11-Untersuchungskommission unter die Lupe genommen. Man kam zu dem Schluss, dass in den Tagen vor den Anschlägen überdurchschnittlich viele Verkaufsoptionen der betroffenen Fluglinien platziert wurden – aber eben nicht so viele, dass es sich um Insidergeschäfte handeln könne.
In Behauptungen um Finanzverschwörungen schwingt zudem häufig eine gehörige Portion Antisemitismus mit. Demnach stecke der israelische Geheimdienst Mossad und/oder die jüdische Bankiersfamilie Rothschild hinter den Anschlägen. Verschwörungstheorien über das sogenannte Weltfinanzjudentum dienten bereits im Dritten Reich der Volksaufhetzung. Die Lüge, unter den mehr als 3.000 Opfern der Anschläge habe es keinen Jüdinnen und Juden gegeben, wurde mehrfach als falsch wiederlegt.
Als besonders irrsinnig, selbst unter Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretikern, gilt die sogenannte No-Planes-Theorie. Wie der Name schon sagt, sind die Anhängerinnen und Anhänger dieser Theorie überzeugt davon, es seien gar keine Flugzeuge ins World Trade Center geflogen. Doch woher stammen die zahllosen Aufnahmen der Passagiermaschinen? Von den Medien manipuliert. Die unzähligen Augenzeugenberichte? Geheimagentinnen und -agenten der US-Behörden. Gemäß der No-Planes-Theorie wurden die Gebäude gesprengt. Von Reptiloiden, Illuminaten oder Freimaurern - der Fantasie von "Truthern" sind kaum Grenzen gesetzt. Für sie steht fest: Irgendeine geheime Macht hat uns alle getäuscht.