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Personenporträt: Wolfgang Feige

Tilman Grammes

/ 4 Minuten zu lesen

Wolfgang Feige (geb. 1931) zählt zu den wichtigsten Theoretikern der Staatsbürgerkunde in der DDR. In seinen Veröffentlichungen äußerte er sich zu Stoffauswahl und Methodik der Staatsbürgerkunde auf Grundlage des Marxismus-Leninismus. Seiner Auffassung nach war es Aufgabe der Lehrkraft, den Lernenden im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht die "Weltanschauung der Arbeiterklasse" als "akzeptierbar" zu vermitteln. Seine Konzeption wurde als "offene Parteilichkeit" umschrieben.

Wolfgang Feige besuchte von 1937 bis 1941 die zweiklassige Dorfschule und anschließend die Städtische Oberschule in Neurode. Die Reifeprüfung legte er 1950 an der Petrischule in Leipzig ab. Es folgte ein dreijähriges Studium der Pädagogik mit dem Wahlfach Geschichte an der Karl-Marx-Universität Leipzig und die Qualifikation für die Oberschule. Feige war Lehrer an der Erweiterten Helmholtz-Oberschule (EOS) in Leipzig für die Fächer Geschichte, Staatsbürgerkunde, teilweise auch für Erdkunde und Latein.

Seit 1964 war Feige als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Pädagogischen Institut Leipzig tätig. Seine Dissertation in den Historischen Hilfswissenschaften trägt den Titel "Sozialstruktur der spätmittelalterlichen deutschen Stadt im Spiegel der historischen Statistik. Mit besonderer Berücksichtigung der niederen Schichten der Bevölkerung und mit einem Exkurs in das Leipzig des 16. Jahrhunderts" (Leipzig 1965).

Eine erste Veröffentlichung Feiges in der Zeitschrift Geschichte und Staatsbürgerkunde aus dem Jahr 1964 greift einen Slogan aus der westdeutschen Politikdidaktik auf: "Freiheit und Verantwortung". Es handelt sich um stoffliche und methodische Hinweise zur Unterrichtseinheit IV der 12. Klasse.

1971 erfolgte eine Gruppenhabilitation Feiges zusammen mit Lothar Gärtner und Jonny Gottschalg am Franz-Mehring-Institut der Universität Leipzig zum Thema "Zur Bestimmung des Grundwissens im Marxismus-Leninismus und zu seiner Wirkung auf die Ideologie- und Theorienbildung".

Als Hochschullehrer war Feige seit 1973 zugleich Direktor der Sektion Marxismus-Leninismus/Staatsbürgerkunde an der Pädagogischen Hochschule "Clara Zetkin" in Leipzig und korrespondierendes Mitglied der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR. Der Leipziger Standort war in der arbeitsteiligen Forschungskooperation der DDR zuständig für die Entwicklung der Unterrichtshilfen für die 8. Klasse. Fragen der Unterrichtsmedien wurden in der Schrift "Zur Arbeit mit Unterrichtsmitteln im Staatsbürgerkundeunterricht" systematisiert. Es lassen sich informelle Kontroversen mit der Staatsbürgerkundemethodik am Standort Halle nachweisen.

In Leipzig wurde in den 1980er Jahren das Interdisziplinäre Zentrum für Unterrichtsforschung eingerichtet (Leitung: Prof. Dr. sc. Edgar Rausch), an dem die sogenannte Leipziger Schule der Kommunikativen Didaktik geprägt wurde. Hier wurden auch westdeutsche Publikationen wie die Theorie des Kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas (1983) rezipiert, zugleich jedoch als "bürgerliche Didaktik" zurückgewiesen. In einem Vortrag erklärte Feige: "Es muß klar sein: Die Schule im Sozialismus zwingt keinen Schüler zum weltanschaulichen Bekenntnis, wohl aber muß insbesondere der gesellschaftswissenschaftliche Unterricht den Schülern überzeugend zeigen, daß die Weltanschauung der Arbeiterklasse als geistige Grundlage für den politischen Entscheidungsprozeß zu beachten ist und deshalb für jeden – auch für den Träger anderer Weltanschauung – gerade wegen ihres Materialismus und ihrer Dialektik in diesem praktisch-politischen Sinne akzeptierbar ist." Diese Konzeption wurde als "offene Parteilichkeit" umschrieben.

Feige wurde als verdienter Hochschullehrer der Deutschen Demokratischen Republik ausgezeichnet. Die Deutsche Lehrerzeitung stellte ihn als Autor vor, der vielen Lesern vor allem durch zahlreiche Beiträge zur Methodik des Staatsbürgerkundeunterrichts bekannt ist. Er galt als ein Pädagoge mit "Gespür für ungewöhnliche Unterrichtsituationen" (Siegfried Piontkowski). Das zeigt ein Blick in sein letztes Buch mit dem Titel "Wege zur Weltanschauung", das 1988 im Verlag Volk und Wissen veröffentlicht wurde.

"In Staatsbürgerkunde steht dieser Anspruch in verschärfter Form, weil hier Demokratie direkter Gegenstand der Unterrichtung ist. Hier können die Schüler sofort die Probe darauf machen, wie ernst es dem Staatsbürgerkundelehrer selber, einem staatlich eingesetzten Erzieher und Propagandisten der marxistisch-leninistischen Partei, mit der Demokratie ist. Sein Verhalten und Handeln kann Demokratieerziehung hemmen, wenn nicht gar verhindern. Sein kommunikations- und kooperationsfördernder Unterrichtsstil, seine Dialogbereitschaft können aber auch die Erziehung und Befähigung zur sozialistischen Demokratie wesentlich befördern. Eine wichtige Seite des Führungsstils zeigt und realisiert sich in der Übertragung konkreter Verantwortung auf die Schüler. Das geschieht dort am weitesten und konsequentesten, wo die Schüler nicht bloß in die Gestaltung einzelner Phasen, etwa in die Kontrolle und Bewertung, einbezogen und lediglich als 'Lieferanten' von Erfahrungen angesehen werden, sondern wo ihnen auch die Möglichkeit eingeräumt wird, über die Wahl von Themen, Stoffen, Methoden und Unterrichtsmitteln mitzureden."

Nach 1989 hat sich Feige öffentlich nicht mehr zu seiner Arbeit geäußert.

Der Text wurde übernommen aus dem Band: Wolfgang Sander / Peter Steinbach, Politische Bildung in Deutschland. Profile, Personen, Institutionen, Bonn 2014. Erschienen in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 1449.

Quellen / Literatur

Wolfgang Feige, Ansprüche an die geistige Aktivität in Staatsbürgerkunde, in: Deutsche Lehrerzeitung DLZ (1988) 19, S. 10.

Wolfgang Feige, Sozialistische Demokratie als historische Errungenschaft und ständige Herausforderung den Schülern bewusst machen, in: Geschichte und Staatsbürgerkunde GuS (1989) 9, S. 650-657.

Kommunikation im Unterricht, Auswahlbibliographie 1983-1987. Interdisziplinäres Zentrum Unterrichtsforschung/Kommunikation, Pädagogische Hochschule Clara Zetkin Leipzig, Schriftenreihe, Leipzig 1988.

Theoretische und methodologische Fragen der interdisziplinären Forschung zur unterrichtlichen Kommunikation und Kooperation. Interdisziplinäre Konferenz 14.10.1986. Protokollband, Bd. 1, Pädagogische Hochschule Clara Zetkin Leipzig, Leipzig 1987.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Geschichte und Staatsbürgerkunde (1964) 1, S. 40-46.

  2. Wolfgang Feige/ Lothar Gärtner/ Jonny Gottschalg, Bestimmung des Grundwissens im Marxismus-Leninismus und zu seiner Wirkung auf die Ideologie- und Theorienbildung. Eine Unters. im Fach Staatsbürgerkunde, Leipzig 1971.

  3. Wolfgang Feige u. a. (Autorenkollektiv), Zur Arbeit mit Unterrichtsmitteln im Staatsbürgerkundeunterricht, Berlin 1979.

  4. Aus einer Aktennotiz im Bundesarchiv Koblenz geht hervor, dass dieser 1988 am Leipziger Zentrum für Unterrichtsforschung gehaltene Vortrag am 16. Mai 1989 für den IX. Pädagogischen Kongress abgelehnt worden ist.

  5. Wolfgang Feige, Sozialistische Demokratie als historische Errungenschaft und ständige Herausforderung den Schülern bewusst machen, in: Geschichte und Staatsbürgerkunde (1989) 9, S. 650-657.

Lizenz

Dieser Text ist unter der Creative Commons Lizenz "CC BY-NC-ND 3.0 DE - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 3.0 Deutschland" veröffentlicht. Autor/-in: Tilman Grammes für bpb.de

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Weitere Inhalte

Prof. Dr. Tilman Grammes, Studium der Germanistik, Politikwissenschaft, Geschichte, Erziehungswissenschaft, Lehrer an verschiedenen Berliner Schulen, Professor für Didaktik der Sozialkunde an der Universität Passau, ab 1993 an der TU Dresden, Umbau des Faches Staatsbürgerkunde zu einer demokratischen politischen Bildung. Seit 1997 Professor für Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Didaktik sozialwissenschaftlicher Fächer an der Universität Hamburg.