Theodor Litt wurde 1880 geboren. Nach der Schulzeit begann er 1899 ein Lehramtsstudium mit den Fächern alte Sprachen, Geschichte und Philosophie in Bonn. 1904 beendete er das Studium mit einer Promotion in Altphilologie. Danach war er Lehrer an Gymnasien in Bonn und Köln.
Für den Wechsel in die Berufslaufbahn eines akademischen Lehrers entscheidend war Litts Teilnahme an einer Konferenz, die das Preußische Ministerium der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten im Mai 1917 veranstaltete. Litt wurde danach Referent im Ministerium und bearbeitete neue Lehrpläne für Gymnasien. 1919 erhielt er eine außerordentliche Professur für Pädagogik an der Universität Bonn. Im Oktober 1920 schließlich wurde er Nachfolger Eduard Sprangers auf dem Lehrstuhl für Philosophie und Pädagogik an der Universität Leipzig. An dieser Universität blieb er bis 1947.
Litt war zeitlebens ein liberal-konservativer Denker. So versuchte er im akademischen Jahr 1931/32, als er Rektor der Universität war, den unheilvollen Einfluss des nationalsozialistischen Studentenbundes zurückzudrängen. Da er sich der Demokratie der Weimarer Republik gegenüber loyal verhielt, sich als Verteidiger der Freiheit von Forschung und Lehre begriff und irrationalistische Weltanschauungen strikt ablehnte, geriet er nach 1933 in einen scharfen Gegensatz zum nationalsozialistischen Regime. Nach etlichen Zusammenstößen mit der neuen Obrigkeit innerhalb und außerhalb der Universität beantragte er 1936 seine Emeritierung, der 1937 stattgegeben wurde.
Aufgrund seiner erwiesenen Gegnerschaft zum Nationalsozialismus konnte Litt nach dem Kriegsende 1945 seine Lehrtätigkeit in Leipzig sogleich wieder aufnehmen. Er erkannte aber nicht nur schnell die sich in der Sowjetischen Besatzungszone herausbildenden unfreiheitlichen Strukturen, sondern erfuhr auch bald Einschränkungen seines öffentlichen Wirkens. Er zögerte deshalb nicht, im Jahr 1947 einen Ruf auf die Professur für Philosophie und Pädagogik an der Universität Bonn anzunehmen und die Leitung des neu errichteten Instituts für Erziehungswissenschaft zu übernehmen. Litt wurde 1952 emeritiert. Seine Vortrags- und publizistische Tätigkeit setzte er bis zu seinem Tod 1962 fort.
Litt fand in der Bundesrepublik breite Anerkennung. Ihm wurde mehrfach die Ehrendoktorwürde verliehen. 1952 wurde er in die Friedensklasse des Ordens Pour le Mérite aufgenommen. 1960 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Litt verstand sich in erster Linie als Philosoph mit einer Vorliebe für Kulturphilosophie, Anthropologie sowie Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, daneben als Allgemeinpädagoge. Auch Betrachtungen zu Geschichte, Geschichtsbewusstsein und Geschichtsunterricht spielen bei Litt eine nicht unerhebliche Rolle. Äußerungen zur politischen Bildung und Erziehung nehmen hieran gemessen eher eine Randstellung ein.
Zusammen mit Anderen (darunter Eduard Spranger, Wilhelm Flitner und Hermann Nohl) gründete Litt 1925 die Zeitschrift Die Erziehung, die bis 1933 das führende Organ der geisteswissenschaftlichen Pädagogik war. Es erstaunt nicht, dass Litt als Vertreter dieser pädagogischen Strömung stark von der Hermeneutik Wilhelm Diltheys beeinflusst war. Sein philosophisches und pädagogisches Denken wurde aber auch von der Phänomenologie und von der reflexiven Dialektik Hegels geprägt.
Als Litts einflussreichstes Werk kann Individuum und Gesellschaft gelten, eine Grundlegung der Kultur- und Sozialphilosophie, die er erstmalig 1919 veröffentlichte und 1924 und 1926 jeweils grundlegend überarbeitete. Das Buch beeinflusste stark die dialektische Staatslehre der Weimarer Republik, insbesondere Rudolf Smend.
Litt hatte sich schon in seiner Leipziger Zeit über politische Erziehung geäußert. Dabei war er für ein realistisches, Macht und Herrschaft reflektierendes Staatsverständnis eingetreten. Von dieser Haltung wich er auch nicht ab, als er Stellung zur politischen Bildung in der Bundesrepublik bezog. Einen Markstein setzte er im Jahr 1954 mit seiner Schrift Die politische Selbsterziehung des deutschen Volkes. Dieses schmale Buch, das die Bundeszentrale für politische Bildung als Band 1 ihrer Schriftenreihe herausgab, erlebte 1961 bereits die sechste Auflage. Litt führte in diesem Text eine engagierte Auseinandersetzung mit Theodor Wilhelm alias Friedrich Oetinger, der den Gedanken der Partnerschaftserziehung in die Diskussion eingeführt hatte. Litt warf Oetinger eine Vernachlässigung von Politik und Staat vor. Litt orientierte seine eigene Konzeption im Gegenzug ausdrücklich an den Gegebenheiten der pluralistischen Demokratie und postulierte als maßgebliches Ziel der politischen Bildung die Förderung der politischen Urteilsfähigkeit.
Der Text wurde übernommen aus dem Band: Wolfgang Sander / Peter Steinbach, Politische Bildung in Deutschland. Profile, Personen, Institutionen, Bonn 2014. Erschienen in der Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Bd. 1449.