Theoriebildung
Die Etablierung der Politikdidaktik als eigenständige Wissenschaftsdisziplin seit Ende der 1950er-Jahre wird als "didaktische Wende" bezeichnet (Gagel 1994). In einem engeren Sinne ist damit gemeint, dass Fragen des politischen Lernens jetzt ausdrücklich zum Gegenstand einer eigenständigen wissenschaftlichen Theoriebildung werden, um so die "fachliche Identität" der politischen Bildung als eigenständiges Unterrichtsfach der Schule zu begründen (Sander 2003). In der Theorieentwicklung der Politikdidaktik lassen sich seitdem mehrere Phasen beobachten (Sander 2006). Die Gründungsphase der Politikdidaktik als Wissenschaft wurde entscheidend durch die Arbeiten von
Empirische Forschung
Seit Anfang der 1990er-Jahre lässt sich eine wachsende Bedeutung empirischer Forschungen beobachten. In der Politikdidaktik entwickelte sich zunächst ein qualitativ-empirisches Forschungsparadigma. Im Rahmen dieser qualitativen Forschungen lassen sich insbesondere vier Ansätze unterscheiden (Henkenborg 2005):
Forschungen zu Lernertypen und Lernerdidaktiken: Hierunter fallen Ansätze, die sich auf die Erforschung der subjektiven Wahrnehmungen des Unterrichts durch Schülerinnen und Schüler konzentrieren (Georg Weißeno, Carla Schelle, Andrea Moll).
die interpretative Rekonstruktion von Unterricht, d.h. Ansätze, die sich auf Handlungs- und Aushandlungsprozesse im alltäglichen Unterricht fokussieren und so versuchen, eine pädagogische und didaktische Handlungstheorie durch die Analyse von Fallbeispielen zu entwickeln (z.B. Grammes, Hans-Werner Kuhn, Dagmar Richter)
Forschungen zum Professionswissen von Politiklehrern und -lehrerinnen, d.h. Ansätze, die versuchen, das praktische Handlungswissen von Lehrerinnen und Lehrern durch qualitative Interviews zu erfragen (z.B. Weißeno, Richter, Henkenborg, Sigrid Biskupek, Andreas Klee, Andreas Petrik).
Forschungen zu subjektiven Konzepten von Schülerinnen und Schülern (z.B. Dirk Lange, Andreas Petrik)
Im Unterschied zu qualitativen Ansätzen ist die Bedeutung quantitativer Forschungen in der Politikdidaktik bislang geringer. Zwar hat es in der politischen Bildung schon frühe Ansätze einer quantitativen empirischen Forschung gegeben (Hilligen 1956, Karl Rothe 1993; Externer Link: IEA-Civic-Education-Studie 2001, dennoch führen sie in der Politikdidaktik bislang eher ein "Randdasein", auch weil sie noch in den "Kinderschuhen" stecken (Weißeno 2012b). Aktuell haben quantitative Forschungen – auch in Folge der empirischen Ausrichtung der Bildungspolitik als Konsequenz der Pisa-Untersuchungen – an Bedeutung gewonnen. Folgt man Überblicksdarstellungen von Weißeno (2012a, 2012b) lassen sich bislang vor allem folgende Forschungsfelder der quantitativen Forschung in der Politikdidaktik identifizieren. Danach gibt es Forschungen insbesondere:
zum politischen Wissen (z.B. Sabine Manzel)
zu spezifischen Fachkonzepten von Schülerinnen und Schülern (z.B. Weißeno, Valentin Eck, Anke Götzmann)
zum Politikbild von Schülerinnen und Schülern (z.B. Monika Oberle, Eck, Weißeno)
zur Bedeutung von Einflussfaktoren (Sprachbeherrschung, soziales Kapital, Geschlecht, Motivation) auf die politische Bildung (Externer Link: POWIS-Studie von Weißeno, Thomas Goll, Richter, Eck)
zur Lernwirksamkeit von selbst-instruktionalen Lernumgebungen (Externer Link: TEESAEC-Studie: Webquest) und Begriffsbildungsmethoden (Richter: Concept-map)
zum Professionswissen von Politiklehrerinnen und -lehrern (Monika Oberle, Eva Weschenfelder, Weißeno).
Historische Forschungen
Dieser eher kleine Forschungsbereich bezieht sich bislang vor allem auf Forschungen zur Geschichte der schulischen politischen Bildung (Sander 2003) und auf die Geschichte der Politikdidaktik in der Bundesrepublik (Gagel 1994).
Inzwischen hat sich die Politikdidaktik als eine normale Wissenschaft an den Hochschulen etabliert. Im Jahre 2008 gab es 28 Professuren in diesem Bereich an den deutschen Universitäten.