Geschichte
Die Institutionalisierung der Zentralen für politische Bildung sowohl auf der Ebene der Länder als auch auf der Ebene des Bundes ist das Ergebnis der Erfahrungen mit dem Zusammenbruch der Weimarer Demokratie und der darauf folgenden nationalsozialistischen Diktatur. Ihre Wurzel liegt aber auch in der Reeducation-Politik der westlichen Alliierten nach 1945 mit dem Ziel der "Umerziehung" der Deutschen zur Demokratie. "Es gab aber auch Bemühungen von Bürgern selbst, Demokratie zu lehren und zu lernen. So schlossen sich z.B. im Gebiet des heutigen Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz Bürgerinnen und Bürger in Vereinen zusammen, um der zarten Pflanze Demokratie zum Wachstum zu verhelfen" (Schiele, 1996, S.239).
Die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder verabredete im Februar 1954, zentrale Einrichtungen für die staatsbürgerliche Bildungsarbeit in allen Bundesländern ins Leben zu rufen. Dieser Beschluss wurde in den Ländern sehr unterschiedlich und erst nach und nach umgesetzt. Nach 1990 sind auch in sämtlichen neuen Bundesländern Landeszentralen für politische Bildung entstanden. Obwohl die Landeszentralen sich in Organisationsform, Aufgabengestaltung, administrativer Einbindung und materieller Ausstattung unterscheiden, haben sie und die Bundeszentrale für politische Bildung ein gemeinsames Aufgabenverständnis. Sie wollen u.a. das Gedankengut der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verbreiten und festigen sowie das politische Engagement der Bürger/-innen fördern.
Dennoch gehört politische Bildung im öffentlichen Auftrag und ihre Organisationen durch staatlich finanzierte und kontrollierte Zentralen nicht wesensmäßig zur Demokratie. Zwar finden sich in Österreich und in den USA ähnliche Einrichtungen, dennoch handelt es sich bei den Zentralen für politische Bildung, wie sie in Deutschland existieren, weltweit um singuläre Institutionen. Auch hier war es nicht unumstritten, dass der Staat solche Aufgaben übernimmt. Insbesondere in der Gründungsphase wurde die Gefahr diskutiert, dass unter dem Ziel der "Förderung des demokratischen Gedankens" bloß die Regierungspolitik verbrämt werden könnte.
Auf Grund des Bildungsföderalismus in Deutschland existieren auf Bundes- und Landesebene Zentralen für die politische Bildung, die unabhängig voneinander arbeiten, zum Teil aber auch kooperieren. In den 1990er-Jahren verstärkte sich die Zusammenarbeit der Landeszentralen und der Bundeszentrale für politische Bildung auf den Ebenen von Publikationen, Tagungen und Förderarbeit. Im Jahr 1997 wurde schließlich das Externer Link: "Münchner Manifest" veröffentlicht, in dem die Bildungszentralen ihren Auftrag neu definieren. Dazu gehört insbesondere, dass politische Bildung "pluralistisch, überparteilich und unabhängig" sein muss und die politische Partizipation der Bürger fördert.
Die Landeszentralen für politische Bildung
Aufgaben
Die Aufgaben sind konkretisiert in Erlassen und Statuten. Im Einzelnen sind dies:
"Verbreitung und Festigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, Förderung des politischen Engagements der Bürgerinnen und Bürger, Anregung von Kooperation und Koordination zwischen den Trägern, Herausgabe und Verbreitung von Publikationen und AV-Medien, Grundlagenarbeit und Weiterbildung der in der politischen Bildung Tätigen, eigene Bildungsangebote - ggf. in Kooperation mit anderen Trägern." (Schiele, 1996, S. 240).
Zusammenfassend lässt sich festhalten: Die Landeszentralen haben den Anspruch überparteilich zu sein und üben zumeist eine fördernde Funktion aus, indem sie die anderen Träger politischer Bildung unterstützen und mit ihnen kooperieren. Sie koordinieren die Einbindung dieser Träger in ihre Arbeit und garantieren damit die Vielfalt politischer Deutungsmuster und Handlungsmöglichkeiten sowie die Ausgewogenheit des Angebots. Sie treten zudem selbst als Veranstalterinnen von Bildungsmaßnahmen auf und betreiben politische Bildungsarbeit durch den Ankauf, aber auch durch die Eigenpublikation von Büchern, Unterrichtsmaterialien und -medien, die Interessierten zur Verfügung gestellt werden.
Die Struktur der Landeszentralen
Die Landeszentralen sind verwaltungsmäßig unterschiedlichen Stellen zugeordnet. Diese Zuordnung war immer Gegenstand von politischen Auseinandersetzungen und Diskussionen. Einerseits ist es problematisch, wenn die Landeszentralen Teil eines Ministeriums oder einer nachgeordneten Behörde sind, bestände dann doch die Gefahr, dass sie der jeweiligen Regierungspolitik ausgeliefert wären und ihre Überparteilichkeit in Gefahr geriete, anderseits werden sie mit Steuergeldern finanziert und bedürfen deshalb einer Kontrolle. In dem Spannungsverhältnis von Überparteilichkeit einerseits und notwendiger Kontrolle andererseits haben die Länder unterschiedliche Lösungen gefunden. In der Regel sind die Landeszentralen nachgeordnete nicht rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, d.h. sie bilden nur organisatorisch selbstständige Einheiten, während sie rechtlich direkt dem Ministerpräsidenten (in der Regel der Staatskanzlei) zugeordnet oder Teil eines Ministeriums sind. Dabei ist es nicht selten, dass die Ministerien, zu denen die Landeszentralen gehören, wechseln. Um dennoch die Überparteilichkeit zu wahren, wird die Sacharbeit der meisten Landeszentralen von einem Kuratorium kontrolliert. Es setzt sich in der Regel aus Abgeordneten aller Fraktionen, aber auch aus Expertinnen und Experten oder Vertreterinnen und Vertretern gesellschaftlicher Gruppen zusammen.
Die schwierige finanzielle Lage der öffentlichen Haushalte hat auch die Situation der Landeszentralen nicht unberührt gelassen. Nur wenige Landeszentralen konnten Mittelkürzungen verhindern. Das Land Niedersachsen hat am 31.12.2004 seine Landeszentrale, die zu den größten Landeszentralen gehörte, sogar geschlossen. Die Befürchtung, diese Entscheidung könne das Risiko erhöhen, dass sich der Staat aus seiner Verantwortung für die politische Bildung generell zurückziehe und damit unabhängige und überparteiliche politische Bildung preisgäbe, hat sich zwar bis heute nicht bewahrheitet, dennoch ist die finanzielle Ausstattung und die Zahl der Mitarbeiter/-innen in vielen Landeszentralen zurückgegangen.
Die Bundeszentrale für politische Bildung
Geschichte
Die Bundeszentrale für politische Bildung feierte im Jahr 2012 ihr 60-jähriges Bestehen. Sie wurde am 25. November 1952 als nachgeordnete Behörde des Bundesinnenministeriums unter dem Namen "Bundeszentrale für Heimatdienst" gegründet. Ihre historischen Wurzeln reichen zurück bis in das deutsche Kaiserreich.
In den letzten Monaten des Ersten Weltkrieges, im Frühjahr 1918, wurde die "Zentrale für Heimatdienst" institutionalisiert. In der Weimarer Republik bestand diese Einrichtung als "Reichszentrale für den Heimatdienst" fort. Sie erhielt nach einer politischen Kontroverse über ihre Arbeit 1921 ihre Aufgaben durch einen Beschluss des Reichstages zugewiesen. Unter anderem hatte die nationalkonservative Deutschnationale Volkspartei/DNVP die Auflösung der Reichszentrale gefordert, da sie aus Sicht der DNVP der "Weimarer Koalition" aus SPD, Zentrum und Deutscher Demokratischer Partei/DDP zu nahe stand. Im Reichstagsbeschluss hieß es nun: "Die Reichszentrale für den Heimatdienst dient der sachlichen Aufklärung über außenpolitische, wirtschaftspolitische, soziale und kulturelle Fragen, und zwar nicht im Geiste einzelner Parteien, sondern vom Standpunkt des Staatsganzen". Zur Sicherung der Verpflichtung der Überparteilichkeit wurde ein parlamentarisches Kontrollgremium installiert.
In dieser Tradition wurde dann 1952 die Bundeszentrale für Heimatdienst gegründet, die 1963 von der Bundesregierung in Bundeszentrale für politische Bildung umbenannt wurde.
Aufgaben
Im Gründungserlass der Bundeszentrale für Heimatdienst heißt es zu ihren Aufgaben: "Die Bundeszentrale für Heimatdienst hat die Aufgabe, den demokratischen und den europäischen Gedanken im deutschen Volk zu festigen und zu verbreiten." Im Selbstverständnis der Bundeszentrale ging es darum, durch staatsbürgerliche Erziehung den demokratischen Gedanken in der Bevölkerung zu verankern. Zeitgemäße politische Bildung sollte die Bürger/-innen mit der parlamentarischen Regierungsform sowie den Spielregeln und den Prinzipien der Demokratie vertraut machen. Die Bundeszentrale setzte sich mit totalitären Ideologien wie dem Nationalsozialismus und dem Kommunismus auseinander, förderte die Teilhabe aller demokratischen Kräfte am politischen Prozess und festigte den Gedanken der europäischen Aussöhnung.
Diese Aufgaben und Ziele sind über die Jahre weitgehend gleich geblieben, wurden allerdings durch neue gesellschaftliche Herausforderungen ergänzt. So heißt es seit
Im Jahr 1999 unterzog sich die Bundeszentrale für politische Bildung einer umfassenden Evaluation. Diese Überprüfung ergab, dass die klassischen Themen der politischen Bildung durch ihre Produkte gut abgedeckt sind. Positiv wurden auch der Bekanntheitsgrad und die Breite des Angebots bewertet. Kritisiert wurden neben Mängeln in Attraktivität und Gestaltung einiger Produkte die Vernachlässigung einiger wichtiger Themen wie: Arbeitslosigkeit, Gewalt oder Zukunftschancen der jungen Generation. Als Konsequenz wurden einige Angebote eingestellt, die Online-Angebote stark ausgebaut und aktuelle Themen aufgenommen. Auf zwei gesellschaftliche Herausforderungen will die Bundeszentrale für politische Bildung heute in besonderer Weise reagieren. Zum einen auf die politische Bildung von bildungsfernen und sozial benachteiligten Menschen sowie auf die extremistischen Erscheinungsformen der letzten Jahrzehnte: Rechtsextremismus und Islamismus sowie Linksextremismus. Darüber hinaus hat sie sich in den letzten Jahren auch stärker international orientiert und kooperiert mit vor allem europäischen Partnern.
Die Bundeszentrale für politische Bildung erfüllt ihre Aufgaben auf unterschiedlichen Wegen. Von Anfang an hat sie ein breites Publikationsangebot aufgebaut und nach und nach durch audiovisuelle Medien und Internetprojekte ergänzt. Eine wichtige Rolle spielen seit jeher Tagungen und andere Formen von Veranstaltungen. Auch unkonventionelle Methoden der politischen Bildung wie Events, Kampagnen und kulturelle Projekte wurden zunehmend in die Vermittlungsformen aufgenommen. Die Bundeszentrale für politische Bildung unterstützt durch Zuwendungen und in Kooperationen die pluralistische Trägerlandschaft der politischen Bildung in Deutschland.
Die Struktur der Bundeszentrale für politische Bildung
Die organisatorische Struktur der Bundeszentrale für politische Bildung hat sich seit 1952 mehrfach geändert. Die Bundeszentrale für Heimatdienst wurde durch einen Direktor geleitet und ihre überparteiliche Haltung durch ein Kuratorium überwacht. Der im Gründungserlass erwähnte Wissenschaftliche Beirat wurde erst 1969 eingesetzt. Er sollte den Direktor inhaltlich und fachlich unterstützen. Eine erhebliche Umorganisation erfolgte 1973. An die Stelle eines einzelnen Direktors trat ein Dreiergremium mit einem geschäftsführenden und zwei weitere Direktoren. Alle drei gehörten unterschiedlichen Parteien an. Damit wollte man die Beteiligung aller Bundestagsfraktionen an der Leitung der Bundeszentrale für politische Bildung gewährleisten. Jetzt sollte ihre Arbeit nicht mehr durch Überparteilichkeit, sondern durch Ausgewogenheit gekennzeichnet sein. Die Organisation der Führungsspitze wurde dann 1992 wiederum verändert. An die Stelle des Dreierdirektoriums traten ein Präsident und zwei Vizepräsidenten. Ab dem Jahre 2000 erfolgte die bislang letzte Änderung. Es gibt nun nur noch einen Präsidenten, der bei Abwesenheit durch den Leiter der Fachabteilung vertreten wird.
Wichtige Veränderungen der organisatorischen Struktur der Bundeszentrale für politische Bildung ergaben sich durch die Integration des "Gesamtdeutschen Instituts", das zum 1. Januar 1992 aufgelöst wurde und dessen 86 Beschäftigte der Bundeszentrale zugeordnet wurden. Das 1969 gegründete Gesamtdeutsche Institut war eine nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums für Innerdeutsche Beziehungen und hatte zur Aufgabe, für das Bundesministerium Informationsmaterial zu sammeln und wissenschaftlich auszuwerten sowie durch politische Bildung zur Festigung und Verbreitung des gesamtdeutschen Gedankens beizutragen. Außerdem wurde zum 1. September 2004 das Ost-West-Kolleg aufgelöst. Dies war 1957 als Ost-Kolleg gegründet und zur Jahresmitte 1992 in Ost-West-Kolleg umbenannt worden. Seine Aufgabe hatte vor allem darin bestanden, über die Transformationsprozesse in Mittelost- und Osteuropa sowie über die gewandelten Bedingungen der europäischen Einigung zu informieren.