Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich mit Fragen befassen, die für die politische Bildung wichtig sind, kommen aus unterschiedlichen Fachgebieten. Die Politikwissenschaft befasst sich mit dem Gegenstand politischer Bildung. Sie bietet Erklärungen zu politischen Prozessen, Strukturen und Inhalten. Die zweite so genannte "Bezugswissenschaft" ist die Erziehungswissenschaft. Sie setzt sich mit der Theorie und Praxis von Bildung und Erziehung auseinander. Die Politikdidaktik beschäftigt sich speziell mit politischer Bildung, allerdings schwerpunktmäßig mit der politischen Bildung in der Schule. Daneben sind für die außerschulische politische Bildung Erkenntnisse aus der Sozialwissenschaft, Psychologie, Geschichtswissenschaft, Philosophie und anderen Wissenschaftsdisziplinen wichtig. Darüber, welche der Wissenschaftsdisziplinen für die außerschulische politische Bildung die wichtigste sein sollte, gibt es einen Streit. Während die einen meinen, dies sei die Politikwissenschaft, sagen andere dies von der Erziehungswissenschaft. Eine dritte Gruppe ist der Meinung, dass die Politikdidaktik die zentrale Bezugswissenschaft sein sollte, vorausgesetzt, dass sie sich mehr mit der außerschulischen Bildung beschäftigt (Vgl. Widmaier 2008 und Sander 2005).
Theoriebildung und empirische Forschung
In den genannten Wissenschaftsdisziplinen wird sowohl theoretisch wie empirisch zur außerschulischen politischen Bildung geforscht. Theoretisch setzen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit der politischen Bildung auseinander, wenn sie beispielsweise darüber nachdenken, welche Ziele die politische Bildung aktuell haben sollte, welche Rolle die sozialen Bewegungen für die politische Bildung spielen oder wie sie die Schwierigkeit überwinden kann, dass sich nur wenige Menschen für die komplizierten Zusammenhänge in der Europäischen Union interessieren. Empirisch erforschen sie, beispielsweise durch Befragungen und Beobachtungen, warum Menschen Angebote politischer Bildung wahrnehmen oder welche Effekte bestimmte Veranstaltungen auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten. Unter denjenigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die sich direkt mit der außerschulischen politischen Bildung beschäftigen, gibt es weit mehr theoretische Arbeiten als empirische Untersuchungen.
Stand der empirische Forschung
In den letzten Jahren ist der Ruf nach mehr empirischen Untersuchungen lauter geworden: Die Praktikerinnen und Praktiker, aber auch öffentliche Geldgeber würden gern mehr über die realen und potenziellen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erfahren und darüber, wie die Angebote bei den Menschen ankommen. Aber in den Jahren 1990 bis 2000 zählt man nicht viel mehr als 50 empirische Untersuchungen zur außerschulischen politischen Jugend- und Erwachsenenbildung (Becker 2011). Die meisten wissenschaftlichen empirischen Untersuchungen, die Erkenntnisse für die außerschulische politische Bildung liefern, circa 60 Prozent, stammen aus dem Bereich der Erziehungswissenschaft. In weiteren circa 25 Prozent der Fälle wurden die Forschungsvorhaben von gemischten Teams durchgeführt. Der Rest (rund 15 Prozent) teilt sich auf in Arbeiten, die an politikwissenschaftlichen Instituten, in der Politikdidaktik, Soziologie und Psychologie erstellt wurden. Daneben werden Ergebnisse aus Forschungen zur Erwachsenenbildung oder zur Jugendarbeit/Jugendbildung sowie politikwissenschaftliche, sozialwissenschaftliche oder psychologische Untersuchungen herangezogen, um daraus Erkenntnisse für die politische Bildung abzuleiten.
Die empirischen Untersuchungen sind sehr unterschiedlich: Es gibt Untersuchungen zu einzelnen Bildungsprojekten oder Evaluationen von Förderprogrammen (ca. 25 Prozent) sowie Befragungen von Trägerpersonal oder von Teilnehmenden von politischen Bildungsangeboten. In den letzten Jahren gibt es vermehrt europäische Forschungsvorhaben, bei denen länderübergreifende Fragestellungen untersucht werden. Auf europäischer Ebene gibt es im Themenkreis der politischen Bildung (dann in anderer Begrifflichkeit wie "Education for Democratic Citizenship" oder "Active Citizenship") auch Untersuchungen zu forschungslogischen Fragen wie der Vergleichbarkeit von Daten und Befunden (also z.B. zu Indikatoren/Merkmalen für politisches Interesse, für politisches Engagement oder politischen Lernerfolg). Spezielle, repräsentative Strukturdaten, wie Zahlen zur Beteiligung an politischer Bildung, müssen meist den allgemeinen Erhebungen zur Weiterbildung oder zur Jugendarbeit entnommen werden, hier fehlt es an spezifischen Untersuchungen zur politischen Bildung. Für die meisten empirischen Arbeiten wird eine Zuordnung in Untersuchungen zur Erwachsenen- (ca. 20 Prozent der Studien) und zur Jugendbildung (ca. 75 Prozent) vorgenommen. Oft ist hier die Aufteilung ungenau, da sich die beforschten Altersgruppen innerhalb einer recht großen Altersspanne – gewöhnlich die zwischen 16 und 30 Lebensjahren – überschneiden.
Mehr Forschung erwünscht
Die Tatsache, dass es so viele unterschiedliche Studien und Erkenntnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsdisziplinen gibt, hat Nachteile: So folgen alle Forschenden der "Logik" ihrer Disziplin, d.h. sie beziehen sich auf einen bestimmten Fachdiskurs, und haben eine bestimmte Forschungsperspektive und spezifische Methoden. Dadurch gibt es etliche Einzelergebnisse, die häufig nicht miteinander in Beziehung gesetzt werden und deren Ergebnisse nicht immer vergleichbar sind. Für die Praxis, die wissenschaftliche Erkenntnisse für ihre Weiterentwicklung sucht, bedeutet dies, dass sie die Forschungsergebnisse Disziplingrenzen überschreitend wahrnehmen muss.
Leider gibt es zurzeit nur wenige erziehungswissenschaftliche und politikdidaktische Lehrstühle, die sich auf die außerschulische politische Kinder-, Jugend- oder Erwachsenenbildung spezialisiert haben. Hinzu kommt, dass die meisten Forschungsprojekte in diesem Bereich aus öffentlichen Mitteln "drittfinanziert" werden. So müssen die Akteure politischer Bildung sowohl die Wissenschaft als auch öffentliche Geldgeber von ihrer Relevanz als Forschungsgegenstand überzeugen.