Die außerschulische politische Jugendbildung ist ein heterogenes und vielschichtiges Feld bzw. "plurales System" (Hufer 2009, S. 57). Es lässt sich mit einer Vielzahl von öffentlichen und freien Trägern und deren Bildungseinrichtungen, von Angeboten, Formaten und Themen sowie Förderebenen kaum umfassend beschreiben. Das hat vor allem drei Gründe: Es handelt sich um ein Bildungs- und Lernfeld, an dem Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Freizeit freiwillig teilnehmen oder vor dem Hintergrund gesetzlicher Regelungen freigestellt werden. Dann gibt es unterschiedliche – enge oder weite – Politikbegriffe und -konzepte, und politische Bildung wird variabel und flexibel bestimmt. Weiter zeigen zahlreiche Datenerhebungen (und Schätzungen), die immer auch unvollständig und lückenhaft sind, wie schwierig das Feld zu erfassen ist (vgl. Lange 2010).
Vielfalt der Träger und Angebote
Es gibt ein breites und vielfältiges Spektrum an Institutionen, die Personal und Sachmittel für Angebote politischer Jugendbildung zur Verfügung stellen (sogenannte Träger). Dazu zählen vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit seinen Einzelgewerkschaften, die Volkshochschulen und Heimvolkshochschulen, der von den Volkshochschulen und dem DGB getragene Verein für Jugend- und Erwachsenenbildung "Arbeit und Leben" (AL), die Kirchen und Jugendverbände, die Bundeszentrale und Landeszentralen für politische Bildung, die Wohlfahrtsverbände, Bildungsstätten, dann zahlreiche parteinahe und zivilgesellschaftliche Stiftungen, Akademien und internationale Begegnungsstätten, die kommunale Jugendarbeit und Bildungswerke sowie die Bildungsträger von Kammern und Arbeitgeberverbänden. Weiter gibt es mehrere Trägergruppen und Zusammenschlüsse von Einrichtungen der politischen Bildung wie den Deutschen Bundesjugendring (DBJR) und die Landesjugendringe, den Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten (AdB), den Bundesausschuss Politische Bildung (bap), die Deutsche Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung (DEAE) und die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenbildung (KBE) oder die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB) (Informationen zu Netzwerken und Dachverbänden der Träger im Dossier hier) (vgl. Lange 2010). Für die politische Jugendbildung gilt, dass sie nach Sozialgesetzbuch VIII/ Kinder- und Jugendhilfe (SGB VIII/KJHG) in erster Linie eine kommunale Aufgabe ist und vor Ort angeboten wird, und es wird geschätzt, dass von den ca. 1,4 Millionen registrierten Teilnehmenden an außerschulischen Bildungsmaßnahmen etwa die Hälfte der politischen Jugendbildung zuzuordnen sind (vgl. Schröder 2013).
Die Träger und Bildungseinrichtungen haben unterschiedliche Traditionen, Interessen und inhaltliche Schwerpunkte; und sie finanzieren ihre Angebote mit unterschiedlichen Ressourcen im Rahmen von staatlicher Förderung sowie von Eigen- und/oder Drittmitteln (vgl. Lange 2010). Gemeinsam ist ihnen, dass sie mit ihren Angeboten und Programmbereichen aktuelle politische und gesellschaftliche, soziale und kulturelle Themen, Probleme und Fragen thematisieren. Abhängig von den unterschiedlichen Aufgaben der Träger und ihren thematischen Profilen sowie Ressourcen weisen sie in ihren Weiterbildungsmaßnahmen der politischen Bildung unterschiedliches Gewicht zu. Bei einigen spielt die politische Bildung eher eine untergeordnete Rolle; wie bei den Volkshochschulen, den Kirchen, der kommunalen Jugendbildung. Bei anderen hat sie mehr Bedeutung oder ist sogar der wesentliche Kern ihrer Aufgabe; so bei den Gewerkschaften, Bildungsstätten, Arbeit und Leben, der Bundeszentrale und den Landeszentralen für politische Bildung und den politischen Stiftungen. "Jede relevante Thematik des gesellschaftlichen Diskurses wird aufgegriffen" (Bundesausschuss Politische Bildung 2013, S. 76), und in den Programmen der Träger finden sich vielfältige Themen und Inhalte aus Politik, Gesellschaft, Arbeitswelt/Beruf, Wirtschaft, Bildung, Geschichte, Demokratie und Demokratiegefährdung, Recht, Ökologie, Gesundheit/Ernährung, Familie, Gender u. v. a.
Zu den Aktivitäten von Trägern und vor allem deren Zusammenschlüssen gehört eine rege Kongress- und Publikationstätigkeit. Zudem soll die Verbreitung von Publikationen an unterschiedliche Zielgruppen die politische Bildung fördern und unterstützen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Zeitschriften und Mitteilungsblätter sowie Newsletter von Trägern, außerdem Fachzeitschriften wie das "Journal für politische Bildung" oder die "Außerschulische Bildung", die als Diskussionsforen zur Verfügung stehen.
Non-formale und informelle Bildung
Die sogenannte non-formale Bildung umfasst Bildungsangebote, die außerhalb der Schule stattfinden. Die Teilnahme ist freiwillig. Das engere Feld der non-formalen politischen Jugendbildung setzt sich aus den organisierten Angeboten (Maßnahmen) von Trägern, deren Ausschreibungen (Programm und Ziele), didaktischen und methodischen Arrangements zusammen. Sie findet in zeitlich-räumlichen Settings mit "klassischen" Veranstaltungsformaten wie Seminaren, Kursen, Schulungen, Lehrgängen, Tagungen, Fortbildungen, Studienreisen, Workshops und Exkursionen statt.
Die Jugendbildung ist überwiegend handlungsorientiert, es werden Rollen- und Planspiele eingesetzt, Open Space und Fish-bowl-Diskussionsmethoden verwendet oder kulturelle Produktionen wie Theater, Musik, Filme, Ausstellungen erarbeitet. Außerdem gibt es Veranstaltungsformen und Formate im Rahmen von neuen kreativen Projekten, Werkstätten und experimentellen Settings. Es werden permanent neue Lernformen und Methoden erfunden. Dazu zählen z. B. Angebote an Lernorten wie Museen und Gedenkstätten, lokale Untersuchungsvorhaben und Spurensicherung, ästhetisch-kulturelle Produktionen, interaktive Seminare und die Nutzung der neuen Medien (z. B. web 2.0). Die Lernorte und -umgebungen der non-formalen Bildung sind als Veranstaltungsform einerseits thematisch-inhaltlich strukturiert und sie werden pädagogisch-professionell durchgeführt; andererseits sind sie in ihrem Ablauf offen und flexibel, immer abhängig von den Teilnehmenden und der Dynamik des Lernprozesses.
Die Bildungsstätte ist als vorübergehender Lebens-, Denk- und Handlungsraum ein exklusiver Erfahrungs- und Lernort. Hier können sich die Teilnehmenden in geschützten und experimentellen Bildungs- und Lernräumen ausprobieren, mit anderen Gleichaltrigen und den Pädagogen und Pädagoginnen neue Erfahrungen, Nachdenklichkeit und Reflexionen zulassen. Positive Erfahrungen können anregen, motivieren zum Wiederkommen, und sie können biografisch nachhaltige Wirkungen zur Folge haben; zum Beispiel im politischen Engagement der Jugendlichen, in der eigenen politischen Orientierung, der Lebensweise oder bei beruflichen Entscheidungen.
Es gibt aber noch andere Orte, an denen auf informellem Weg politisches Lernen geschieht und in die Jugendliche eingebunden sind. Gegenüber den spezifischen, organisierten und institutionell eingebundenen non-formalen Lernorten und -formen finden informelle politische Lern- und Bildungsprozesse sowohl in pädagogischen Einrichtungen als auch im Alltag statt. Informell werden diese Lernprozesse genannt, weil sie von den Lernenden nicht gezielt als solche angestrebt werden. Hier finden nicht geplante Bildungs- und Lernprozesse statt, die sich im Rahmen von Selbstbildung in Organisationen und Institutionen, in Lebenszusammenhängen und Aktivitäten nebenbei und aus der Situation ergeben bzw. angeregt werden (vgl. BMFSFJ 2005, Müller et. al. 2005, Berse 2009). Dazu gehören u .a. die Jugendarbeit und Peergroups, Vereine, Verbände und Initiativen, Familien und Medien, Kultur und Reisen, Ehrenamt und Freiwilligendienst, Freizeit, Arbeitswelt und Kommune, und auch Protestformen wie Bürgerinitiativen, soziale Bewegungen oder das Spektrum der NGOs.
Politikbegriff und Orientierung an der Lebenswelt
Politische Bildung kann sich mit ihrem Themenspektrum an einem "engen" oder "weiten" Politikbegriff orientieren. Bei einem weiten Politikbegriff, mit dem die außerschulische politische Jugendbildung in der Regel arbeitet, geht es nicht um den offiziellen Kanon der Politik mit den politischen Themen, Zusammenhängen und Prozessen im engeren Sinne, sondern um die (politischen) Lebensweltthemen von Jugendlichen und Erwachsenen, um deren Erfahrungen, Deutungen und Suchprozesse. In solchen Zugängen überschneidet sich politische Bildung mit biografischer, ökonomischer, ökologischer, (inter-)kultureller, gesundheitlicher, internationaler und globaler Bildung (Hafeneger 2013). Die Themen haben Bezug zur Lebenswelt, zu den Alltagserfahrungen und Fragen der Betroffenen.
Die Teilnehmenden werden auf zwei Wegen gewonnen: Die Veranstaltungen werden offen ausgeschrieben und sind für Interessierte zugänglich, die sich dann anmelden; andere finden in Kooperation mit Akteuren in Organisationen, Schulen, Betrieben oder der Jugendarbeit statt. Hier versteht sich politische Bildung als integrierter Bestandteil einer vernetzten Bildungswelt und des lebenslangen Lernens. Sie bekommt neue Zugänge zu Jugendlichen und erreicht Gruppen (z. B. aus Jugendkulturen, Stadtteilen), die für "klassische" Veranstaltungen bisher nur schwer oder gar nicht zu gewinnen sind.
Zielgruppen
Politische Jugendbildung ist von dem Anspruch geleitet, ein Angebot für alle Interessierten zu sein und versucht daher, ihre Angebote an den unterschiedlichen sozialen Milieus auszurichten. Die Erfahrungen zeigen aber, dass politische Bildung diesem Anspruch nur sehr bedingt gerecht wird. Denn mit ihren Programmen, Ausschreibungen und ihrer Öffentlichkeitsarbeit erreichen die Träger und Einrichtungen vor allem solche Teilnehmende, die sich mit ihren Interessen und Motiven zu Veranstaltungen anmelden. Sie gehören überwiegend zu den Trägern, Akteuren und Multiplikator(inn)en von Demokratie sowie von politischem und zivilgesellschaftlichem Engagement. Gleichzeitig belegen zahlreiche Studien und die Trägererfahrungen zur Teilnehmerstruktur die selektiven Prozesse, die als "Bildungsungleichheit" auch für die politische Bildung gelten: Erreicht werden vor allem Jugendliche und Erwachsene, die schulisch und beruflich besser gebildet und ausgebildet, die politisch interessiert und aktiv sind. Weniger erreicht werden sozial, also schicht- und milieuspezifisch, benachteiligte Gruppen. Die Diskussion um die Erreichung neuer Zielgruppen hat in den letzten Jahren das "unsichtbare" Politikverständnis der heterogenen benachteiligten sozialen Schichten deutlich gemacht. Danach ist "das Politische dort, wo es die Menschen erfahren" (Schröder 2013, S. 175) und zahlreiche Versuche haben gezeigt, wo "Anknüpfungspunkte für die politische Bildung liegen" (Erben et. al. 2013, S. 9).
Wenn Politik "weit" und "relational" gefasst wird, dann gehören zu dem "unsichtbaren Politikprogramm" die lebensweltlichen Themen von Jugendlichen wie Arbeitslosigkeit, Armut, Wohnen, Medien, Gewalt, Erfahrungen von Anerkennung und Respekt (vgl. Kohl/Calmbach 2012). Nicht zuletzt beschränken aber auch die begrenzten Ressourcen, die der politischen Bildung zur Verfügung stehen, deren Reichweite. Nach wiederholten Berechnungen und Schätzungen werden nur zwischen einem und fünf Prozent der Bevölkerung durch Angebote politischer Bildung erreicht (Hufer 2009).