Zur Entstehung der Umweltbildung
Wurzeln der Umweltbewegung lassen sich als internationale Naturschutzbewegung weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgen und sind auch in der deutschen Jugend- und Reformbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts und der Reformpädagogik der 1920er- und 1930er-Jahre sichtbar. Seit den 1970er-Jahren entwickelte sich eine neue Umweltbewegung, die nun auch durch die Kritik an der Atomkraft Zulauf gewann und durch Skandalisierung konkreter Umweltverschmutzungen, etwa durch Chemieindustrie und Verkehr. Der 1972 veröffentlichte Bericht des Club of Rome über die
Im selben Jahr fand die erste Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm statt. Sie verband Umweltfragen mit den gesellschaftlichen Entwicklungen in Industrie- und Entwicklungsländern und machte weltweit auf diesen Zusammenhang aufmerksam. Anfang der 1970er-Jahre berief die Bundesregierung erstmals einen Sachverständigenrat für Umweltfragen, und spätestens mit der Gründung des Bundesumweltamtes 1974 begann sich Umweltpolitik in Westdeutschland zu etablieren (vgl. Jänicke u.a. 2003).
Im Gefolge der damals aufkommenden Bürgerinitiativen und Umweltbewegungen entstand eine Vielzahl von ökopädagogischen Initiativen, die ihre Aktivitäten mit politischen Zielen verbanden (Becker 2001). Einigen ging es um eine grundsätzliche Veränderung der Produktions- und Lebensweisen, andere forderten eher pragmatische Änderungen von gesetzlichen Rahmenvorgaben und stärkere Partizipation der Bürger/-innen bei den sie betreffenden Umweltfragen. Die Gründung der Partei "Die Grünen" brachte dies ab 1979 besonders zum Ausdruck, wie auch die langsame Etablierung einer konkreten Umweltpolitik in den anderen Parteien.
Umwelterziehung war zunächst eng mit der Aufnahme von Fragen des Umweltschutzes in schulische Curricula verbunden. Einen entsprechenden Rahmen setzte die Kultusministerkonferenz 1980 mit ihrer Empfehlung zu "Umwelt und Unterricht". Umwelterziehung sollte über Werte und Einstellungen zu den Beziehungen zwischen Mensch, Kultur und der natürlichen Umwelt aufklären. Naturerleben und eine Sensibilisierung für die Verletzbarkeit von ökologischen Systemen sollten im Rahmen interdisziplinärer und handlungsorientierter Lernprozesse zu einem umweltgerechten Verhalten des Einzelnen führen. Den Rahmen bildete ein fächerübergreifender Ansatz, der Schwerpunkte bei Biologie, Geographie und Sozialkunde setzte. Zudem sollte es darum gehen, die eigentlichen Probleme zu erkennen und aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Ökologische Systeme sind in ihren Ausprägungen geschichtlich gewachsen und befinden sich in Prozessen der Veränderung. Sie können ja nicht auf naturwissenschaftliche Aspekte reduziert werden, sondern fordern auch politische Analyse und entsprechendes Handeln heraus. Diese Betrachtungsweise findet sich in einem ersten didaktischen Konzept dieser Zeit ausgedrückt (Eulefeld u.a. 1981, S. 107f).
Kritiker/-innen beanstandeten, Umwelterziehung diene lediglich der Legitimation staatlicher Umweltpolitik und frage nicht danach, wie Umwelt und Gesellschaft zusammenhängen und ob dieser Zusammenhang davon abhängt, wie die Gesellschaft funktioniert (vgl. Becker 2001, S. 55f; Zeuner 2008, S. 20ff). Aktive in den Umweltbewegungen entwickelten deshalb das Konzept des ökologischen Lernens, das den Zusammenhang zwischen Natur und sozialer Umwelt betonte. Inhaltlich standen der Zusammenhang von wirtschaftlichen und politischen Interessen im Vordergrund und auch die Frage, wie eine Gesellschaft aussehen müsse, die die Ressourcen besser schont (vgl. Becker 2001, S. 60f).
Ökologisches Lernen wurde nun wiederum kritisiert, weil es mit seinem Herangehen an Naturbeherrschung einen Umweltbegriff vertrete, der den Menschen im Mittelpunkt sehe und nicht einen Umweltbegriff, der der Natur im Sinne einer biozentrischen Perspektive ein eigenes Existenzrecht zugestehe. Verbunden mit dieser Kritik entwickelte sich der Ansatz der Ökopädagogik, der sich kritisch mit dem vorherrschenden technisch-ökonomischen Denken innerhalb der Industriegesellschaft und den negativen ökologischen Folgen auseinandersetzte. Gleichzeitig sollte Ökopädagogik keine Hilfsfunktionen für umweltpolitische Krisenpolitik übernehmen, sondern im Rahmen offener Suchprozesse und dialogisch orientierten Lernens ein Verhältnis zu einer Zukunft finden, die nicht auf einer Ausbeutung der Natur basiert (Beer, De Haan 1986, S. 36ff).
Die verschiedenen Ansätze einer umweltorientierten Bildung wurden aber auch grundsätzlich kritisiert. So hält Kahlert (1991) zwar das Themenfeld für bedeutend, richtet sich aber vehement gegen eine pauschale Kritik an den Produktionsweisen der Industriegesellschaft. Es sei zwar ein Verdienst der Ökopädagogik, dass sie Umweltfragen aus der "Beschaulichkeit der Schulgartenidylle" (Kahlert 1991, S. 25) gelöst habe. Er unterstellt insgesamt aber, dass sie die Umweltkrise durch Verzichtsbotschaften und den Appell an individuelle Verantwortung lösen wolle. Er wendet sich gegen ein allzu plakatives Verständnis der Umweltkrise und von Lösungsstrategien und plädiert für ein gründlicheres Verstehen und Kommunizieren, geht also von diskursiven Lösungsmöglichkeiten aus (Kahlert 1991, S. 26f).
De Haan und Harenberg kritisieren Ende der 1990er-Jahre am Konzept der Umweltbildung, dass viel zu oft ein Bedrohungsszenario zugrunde gelegt werde. Dabei würden Umweltzerstörung als Resultat von Mobilität und Konsum, die Verschwendung nur endlich vorhandener Rohstoffe oder globale Bevölkerungsentwicklung und Ressourcenübernutzung in den Vordergrund gestellt. Alternativen der gesellschaftlichen Modernisierung würden zu wenig thematisiert und so könne allenfalls reaktiv gehandelt werden. Auf diese Weise, so die Kritik, dominierten Angst, Abwehr und technische Schadensbegrenzung und die Sicht werde eingeschränkt (De Haan /Harenberg 1999, S. 18).
Umweltbildung konnte sich in den letzten 30 Jahren gut in der schulischen und außerschulischen Bildung verankern und versteht sich schon lange nicht mehr als klassische Umweltschutzbildung. Sie wird inzwischen als wichtiger Teil von Bewältigungsstrategien der Umweltkrise gesehen. Sie zählt zu den wesentlichen Säulen einer Umweltvorsorge, des Umweltschutzes und einer integrativen Umweltpolitik (Töpfer 1993, S. 28). Mehr und mehr werden Umweltfragen auch in anderen Politikfeldern thematisiert.
Umweltbildung findet in den deutschsprachigen Ländern auch im Rahmen vielfältiger außerschulischer Bildungsangebote statt, wobei immer weniger zwischen Umweltbildung und Bildung für nachhaltige Entwicklung unterschieden wird. Neben regionalen Umweltbildungszentren, ökologisch orientierten Jugendherbergen und Schullandheimen, Waldschulen, Bauernhöfen mit Lernangeboten oder vielfältigen Angeboten aus dem Bereich der außerschulischen Jugend- und Erwachsenenbildung, bieten auch Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks jeweils Kurse, Ausstellungen oder sogar ganze Lernlandschaften an (siehe Nationalpark Wattenmeer).
Von der Umweltbildung zur Bildung für nachhaltige Entwicklung
Seit Mitte der 1990er-Jahre hat sich auch innerhalb der Umweltbildung Stück für Stück das Konzept der nachhaltigen Entwicklung durchgesetzt und wurde zunehmend wichtig für eine Neuorientierung. Der Weg führt weg von Bedrohungsszenarien hin zu einem Konzept zur Modernisierung der Gesellschaft, also einer konkreten Reformpolitik (Michelsen 2009, S.75). Im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen wird nachhaltige Entwicklung verstanden als "eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können" (Hauff 1987, S.46). Darauf aufbauend wurden bei der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 in der Agenda 21 die einzelnen Aspekte eines notwendigen Wandels unterschieden. Dabei geht es um dauerhafte Strategien, mit denen die Umweltkrise und Probleme weltweiter Ungleichheit gelöst werden können. In Kapitel 36 werden Anforderungen an Bildungssysteme formuliert, die weltweite Gültigkeit beanspruchen. Entscheidend sei ein globaler Mentalitätswandel, bei dem es auf neue Wissensbestände und –formen, veränderte Normen und Wertvorstellungen ankomme. Ausgehend vom Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung erfordere Bildung die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem ethischen Anspruch der Gerechtigkeit innerhalb einer Generation und zwischen den Generationen (vgl. Michelsen/Overwien 2008).
QuellentextAGENDA 21 - Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung, Rio de Janeiro, Juni 1992, Kapitel 36.3
"Handlungsgrundlage
36.3 Bildung, einschließlich formaler Bildung, öffentlicher Bewusstseinsbildung und Aus- und Fortbildung, ist als ein Prozess zu sehen, mit dessen Hilfe Menschen wie Gesellschaften ihr volles Potenzial verwirklichen können.
Quelle: Externer Link: http://www.un.org/Depts/german/conf/agenda21/agenda_21.pdf (abgerufen am 30.9.2014)
Mit dem Leitbild der Nachhaltigkeit ist also eine bestimmte Vorstellung davon verbunden, wie eine Gesellschaft modernisiert und gestaltet werden soll. Insbesondere sollen sich Bürgerinnen und Bürger stärker engagieren. Partizipation wird deshalb häufig als neue Herausforderung für die politische Kultur verstanden und eng mit nachhaltiger Entwicklung verknüpft (De Haan/Harenberg 1999).
Innerhalb einer Bildung für eine nachhaltige Entwicklung wird in Deutschland das Ziel der Gestaltungskompetenz zentral genannt (De Haan/Harenberg 1999). Dabei steht im Vordergrund, solche Kompetenzen zu fördern, die Menschen empathiefähig, kooperations- und aushandlungsfähig, mutig für eigenes Handeln auch auf neuen Wegen, wie auch kritisch im Umgang mit ethischen Fragen machen. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung kann zur Gestaltungskompetenz führen, wenn vorausschauendes Denken und problemlösendes Verhalten gelernt werden und dabei Wissen aus unterschiedlichen Bereichen zugänglich gemacht und als fruchtbar für den Umgang mit Herausforderungen erfahren wird.
Derzeit scheint zusätzlich Bewegung in die Frage einer Integration von Nachhaltigkeitsthemen in schulische Curricula zu kommen. Wirkungen zeigt dabei offenbar der "Orientierungsrahmen für den Lernbereich globale Entwicklung" der Kultusministerkonferenz (2007), der Umwelt und Entwicklung zusammenbringt.
Schon Umweltbildung hatte wichtige Schnittmengen zur politischen Bildung. Bildung für nachhaltige Entwicklung erweitert diese noch, da ökonomische und soziale Fragen zusammen mit ökologischen Perspektiven bearbeitet werden. Die drei Säulen nachhaltiger Entwicklung Ökologie, Ökonomie und Soziales sind dabei in sich immer wieder kontrovers und somit mit den Mitteln politischer Bildung einerseits gut bearbeitbar, anderseits mit allen wichtigen Politikfeldern verbunden. Auf der praktischen Ebene zeigt sich dies beispielsweise am Thema regenerative Energien, mit dem Umweltgefahren und Klimafragen genauso angesprochen sind, wie Produktionsweisen und Beschäftigung. Die Konflikthaftigkeit des Konzeptes der Nachhaltigkeit kann aufgenommen und zum Gegenstand von Unterricht und außerschulischer Bildung gemacht werden (Zeuner 2008). Aus der Sicht der politischen Bildung sind gerade die damit verbundenen Kontroversen wichtig, wobei die Einhaltung des Überwältigungsverbotes beachtet werden muss. Neuere Publikationen zeigen auch Verbindungen zwischen Theorien und konkreten Lernansätzen (Peter u.a. 2011) bzw. Forschungsergebnisse über die Praxis von Bildung für nachhaltige Entwicklung (Overwien/Rode 2013). Methodisch bieten sich neben der zuweilen im Schulunterricht nicht leicht umsetzbaren Zukunftswerkstatt (Burow u.a. 1997) und einer Kooperation mit außerschulischen Partnern (Bludau u.a. 2012) eine ganze Reihe von Unterrichtseinheiten an, die auch in verschiedenen Internet-Portalen zur Verfügung stehen (siehe unten).