Geschichte
Die bildungsorientierte Auseinandersetzung mit Kino und Film ist in Deutschland fast so alt und facettenreich wie das Medium selbst. Von den volkspädagogischen Anfängen der Kinoreformbewegung in den 1910er-Jahren über die filmkritischen Diskussionen in den Filmclubbewegungen seit den 1950er-Jahren bis hin zur Filmvermittlung Kommunaler Kinos ab den 1970er-Jahren und zur Pädagogik der neuen Filmmuseen fand Filmbildung in Diskursen nah am Kino und seinen Öffentlichkeiten statt. In den alten Bundesländern gab es die lange Tradition der 16mm-Filmbildungsarbeit mit ihrem dicht geknüpften Netz staatlicher, kirchlicher und nichtgewerblicher Vertriebs- und Verleihstrukturen, mit dem FWU, dem von den Ländern unterhaltenen Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht, den regionalen Bildstellen und den Landesfilmdiensten. Hier stand nicht selten die Vermittlung von Lerninhalten im Vordergrund, Filme für die Schule waren primär thematisch und didaktisch nutzbare Mittel zur Unterstützung von Lernprozessen.
Mit dem Medienwandel änderte sich ab den 1980er-Jahren auch die Praxis der Filmbildung. Beschleunigt durch die Entwicklung der Videoaufzeichnungs- und Wiedergabesysteme entstanden in schulischen Projekten, vor allem jedoch in der außerschulischen Kinder- und Jugendfilmbildungsarbeit alternative Formen. Orte dieser neuen kulturellen Praxis waren medienpädagogisch arbeitende soziokulturelle Jugendzentren, Film- und Medienwerkstätten und ähnliche lokale Initiativen. Sie förderten den Umgang mit Film(en) als selbstbestimmten Lernprozess von Akteuren mit heterogenen Bildungshintergründen, auch, um die kreativen Möglichkeiten eigenen Mediengestaltens in sozial-kommunikativen Kontexten erproben zu können. Vor diesem Hintergrund hat sich Filmbildung bei uns zu einem integrativen Bestandteil weiter gefasster Medienbildung entwickelt.
Bedeutung von Filmbildung in der Mediengesellschaft
Filme sind Kunstform, kulturelles Bildungsgut, Sozialisations-, Kommunikations- und Unterhaltungsmedium. Heranwachsende gehen mit filmischen Medien in einer Vielzahl von Gattungen, Genres und Formaten um, sie probieren diese Ausdrucksformen mit ihren ästhetischen, symbolischen und kommunikativen Möglichkeiten auch selbst aus – jenseits angeleiteter Lernprozesse eine wichtige Dimension informeller Film- und Medienbildung. Bewegte Bilder sind längst nicht mehr allein am "klassischen" Filmvermittlungsort des Kinos, an der besonderen Abspielstätte oder im Medium des Fernsehens präsent, sondern in verschiedenen medialen Speicher- und Distributionssystemen verfügbar, so auf DVD, im Internet, auf Computerbildschirmen, Handydisplays und bei Präsentationen im öffentlichen Raum.
Die Sprache des Films gilt aber immer noch als eine "Grammatik", deren Beherrschung einen kompetente(re)n, rezeptiven wie kreativen Umgang mit unterschiedlichen audiovisuellen Angeboten ermöglicht. Weil Filmbildung zur Auseinandersetzung mit anderen medialen Formen befähigt, leistet sie einen wesentlichen Beitrag zu umfassender audiovisueller Alphabetisierung. Durch das Erlernen und Verstehen des Films, seiner Geschichte, Sprache und Wirkung, wird die ästhetische Sensibilität gefördert, die Erlebnis- und Ausdrucksfähigkeit entwickelt, die Geschmacks- und Urteilsbildung unterstützt. Filmische Zeichen und Symbole verstehen und gestalterisch nutzen zu können, ist eine Grundlage zur Orientierung in der Kommunikationskultur bewegter Bilder. Persönlichkeitsfördernde Filmbildung verleiht der Idee der Bildung des Menschen durch Kreativität, Künste und Sinne
Eine dezidiert politische Bildungsdimension zeigt sich in den Möglichkeiten zur Sensibilisierung für filmische Konstrukte, die auch zu Zwecken von Propaganda, Manipulation und Indoktrination, zum Missbrauch für die politische Meinungsbildung dienlich sein können. Potenziale demokratisches Wertebewusstsein zu entwickeln liegen in der filmspezifischen Wahrnehmung mitsamt ihrer Kompetenz Empathiefähigkeit auszubilden. Damit können sich Heranwachsende (besser) in die Rolle eines anderen hinein versetzen, seine Gefühle teilen oder hinterfragen und Motive seines Handelns verstehen lernen – wichtig für die Entwicklung von Zivilcourage und das Erlernen von Toleranzbereitschaft. Sich im "Spiegel des Films" mit fremden Lebensentwürfen und den Rollen anderer auseinandersetzen zu lernen, das Eigene im Fremden, das Fremde im Eigenen wahrzunehmen, fördert die Entwicklung des sozial-moralischen Bewusstseins.
Konzepte und Methoden zur Filmbildung
Neben stärker handlungsorientierten Filmbildungskonzepten haben sich bei uns gegenstandsbezogene Ansätze herausgebildet, beide weisen Schnittmengen auf. Unterscheiden lassen sich rezeptiv-analytische von aktiv-kreativen Herangehensweisen, die sich dann ihrerseits in eine Fülle einzelner Methoden ausdifferenzieren.
Das verbreitete handlungsorientierte Verständnis von Filmbildung greift Überlegungen aus der medienpädagogischen Theorie kommunikativen Handelns
Dagegen betonen Filmbildungsansätze, die innerhalb der Literatur-, Kunst- und Musikdidaktik
Filmbildung in der Schule
Seit dem von der Bundeszentrale für politische Bildung und der Filmförderungsanstalt 2003 veranstalteten Kongress "Kino macht Schule", der "Filmkompetenzerklärung"
Film wird bei uns nicht wie andere Sparten kultureller Bildung (Kunst, Musik, Theater/Darstellendes Spiel) in einem Schulfach nach Stundentafeln, sondern im Rahmen von Medienbildung fächerübergreifend unterrichtet. Vereinzelt wird immer wieder ein in der gegenwärtigen Bildungslandschaft ohnehin nicht umsetzbares Fach Film an der Schule gewünscht. Doch es herrscht weitgehend Konsens, dass eine fortschreitende Integration von Filmbildung in möglichst viele Fächer von der Sache her angebracht ist.
Zwar hat sich bei uns, wo der Film nicht wie in Frankreich den Status einer siebten Kunst hat, auch keine kulturell vergleichbare filmkritische Tradition der Filmpädagogik und -didaktik herausbilden können. Wie die Integrative Filmdidaktik und andere Ansätze
Kompetenzorientierte Filmbildung und Curriculum
Ähnlich wie in anderen künstlerischen Bereichen kultureller Bildung, die ästhetischen Kriterien unterliegen, stellt sich auch bei der Filmbildung die Frage nach der Angemessenheit und Notwendigkeit von verbindlichen Qualitätsstandards, Kompetenzfestlegungen etc. Wenn der Filmbereich in der Schule kein Orchideendasein kultivieren will und seiner Bildungsbedeutung entsprechend verankert werden soll, müssen im Rahmen der KMK-Vorgaben überprüfbare Filmkompetenzerwartungen beschrieben werden. Deshalb haben für Schule zuständige Filmbildungseinrichtungen der Bundesländer zusammen mit VISION KINO solche filmspezifischen Kompetenzbeschreibungen in einem abgestimmten Konzept veröffentlicht.
Solange Filmbildung keinen überall verbindlichen curricularen Status erlangt, wird sie auch auf dem Gebiet der Lehreraus- und -fortbildung strukturelle Defizite aufweisen. Punktuell ansetzende Qualifizierungsmaßnahmen in einzelnen Ländern wie etwa die Filmkompetenzlehrer-Ausbildung in Bayern, ähnliche Modelle in Niedersachsen und NRW zeigen hier Wege auf, dass und wie eine Professionalisierung schulischer Filmbildung an dieser Schlüsselstelle voranschreiten kann und muss.
Akteure und Orte außerschulischer Filmbildung
Das in Jahrzehnten gewachsene Feld außerschulischer Einrichtungen und Initiativen der Filmbildungsarbeit in Ländern, Kommunen und in der freien Szene ist so vielgestaltig wie unübersehbar. Zum Teil kooperieren die Akteure unabhängiger Kinder- und Jugendfilminitiativen, die oft vereinsförmig auf der Basis unsicherer Strukturen und unzureichend geförderter Projekte arbeiten, in Netzwerken kultureller Bildung. So haben sich in der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, dem Zusammenschluss bundesweit agierender Institutionen, Fachverbände und Landesvereinigungen, eine Reihe von Einrichtungen organisiert, die sich innerhalb ihrer Strukturen und Aufgabenfelder schon seit langem auch für die außerschulische Vermittlung von Filmkultur engagieren.
Herausforderungen – Ausblick
Das "alte" technische Medium Film hat teil an der Veränderungsdynamik im Kontext digitaler Medien. Die Konvergenz der Medienformate verändert Prozesse, Methoden und Gestalten des formalen, non-formalen und informellen Lernens mit und über Film, nimmt ihnen jedoch keineswegs ihre individuelle, soziale und kulturelle Bedeutung. Film und seine Praxis der Vermittlung ästhetisch bestimmter Inhalte und Formen stehen weiterhin im Fokus gegenwärtiger Medienkultur. Durch die erweiterten Verfügungs- und Vermittlungsmöglichkeiten visueller Medien entstehen neben der raumzeitlich begrenzten, besonderen Intensität des Erlebens und der Erfahrung des Films im Kino neue Kommunikationsformen. Darin liegen Perspektiven für eine zeitgemäße, handlungsorientierte und ästhetisch inspirierte Filmbildung im Rahmen kultureller Medienbildung. Positionsbestimmungen