"Kulturtransfers" – Ein Kunstvermittlungs- projekt in der ifa-Galerie Berlin
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Die Ausstellung "Kulturtransfers" untersucht die Begegnungen und Wanderungen von Ideen, Waren, Techniken, Motiven etc. als wesentlicher Teil einer von Migration geprägten, globalen Wirklichkeit. Das Vermittlungsprojekt zur Ausstellung regt die Teilnehmenden an, solche Kulturtransfers in ihrer Lebenswelt zu entdecken, sich darüber auszutauschen und sie sichtbar zu machen.
Kunst schafft eine gemeinsame Sprache zwischen den Kulturen. Als Akteure im internationalen Kunstaustausch zeigen die ifa-Galerien Berlin und Stuttgart des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Ausstellungen aktueller Kunst, Architektur und Design aus aller Welt und schaffen unter dem Motto "Kulturen verbinden" eine Plattform für den Dialog zwischen Menschen und Kulturen. Begleitende Vermittlungsprogramme laden Kinder, Jugendliche und Erwachsene dazu ein, mit kreativen Erforschungen und künstlerischem Experiment eigene Zugänge und Positionierungen zu den Ausstellungen zu entwickeln.
"Tee und Tulpe, Papier und Porzellan, Yoga und Algebra haben wir von anderen Kulturen übernommen", heißt es in der Ankündigung zur Ausstellung "Kulturtransfers #1: Another Country – Eine andere Welt" in der ifa-Galerie Berlin
Das Vermittlungsprogramm zur Ausstellung
Zum Auftakt waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten worden, einen Gegenstand mitzubringen, der von ihrer Kultur erzählt – und der im weiteren Verlauf als ein Medium des Austauschs fungieren sollte. So versammelten sich beim ersten Treffen in der Galerie ein brasilianisches Politmagazin, ein Schneckengehäuse von einer philippinischen Insel, das blau-gelbe Wappenfähnchen einer tschechischen Kreisstadt, ein tunesischer Kaffeetopf und ein Buch über "Das elektrische Kochen" in unserer Runde. Diese Gegenstände initiierten das Gespräch darüber, was Kultur für den Einzelnen konkret bedeutet und stellten eine Reihe von Fragen in den Raum: Lässt sich Kultur überhaupt so einfach "transferieren"? Wie funktioniert so ein Transfer? Was kann man mitnehmen – und was bleibt zurück?
Der Gegenstand spielte auch in der folgenden Auseinandersetzung mit der Ausstellung eine Rolle: Jeder und jede Teilnehmende suchte für sein Objekt einen Ort im Ausstellungsdisplay, an dem es sich "wohlfühlen" könnte, wo es irgendeine Form der persönlichen Resonanz gab. So entstanden ganz neue Konstellationen, die die Ausstellung um unerwartete Bezüge erweiterte: Die Zeitschrift aus São Paulo fand Platz vor einer großformatigen Weltkarte der Globalisierung (Ashley Hunt, A World Map: In Which We See..., 2008-2010), deren vielfarbiges Netz aus Kreidelinien die Teilnehmerin an das Verkehrschaos ihrer Heimatmetropole erinnerte; das tschechische Wappen ließ sich vor einer Videoinstallation nieder, die die Entwicklung des Fernsehens am Beispiel des Eurovision Song Contest nachzeichnet (Dubravka Sekulic, TeleVision (Magic in the Air), 2010), während sich das Schneckenhaus in der Nachbarschaft fotografischer "Aufzeichnungen für eine kollabierende Stadt" (Javier Hinojosa, 2006-2009) wiederfand. Im Nachvollziehen der Resonanzlinien entspann sich ein Dialog, bei dem sich die Teilnehmenden nicht nur über Beobachtungen von und Erfahrungen mit der Wanderung kultureller Praxen austauschten, sondern auch über die Strategien zeitgenössischer Kunst.
Den begonnenen "Kulturtransfer" setzten wir in den kommenden Wochen mit einer Versuchsanordnung fort: Wöchentlich wechselten die Objekte ihre Besitzerinnen und Besitzer und begleiteten jeweils einen anderen Teilnehmenden in den Alltag. Ständiger Reisebegleiter war dabei ein Logbuch, in dem die Transferwege dokumentiert und Beobachtungen und Erfahrungen aufgezeichnet werden konnten: Wie verändert sich die Wahrnehmung, wenn der Gegenstand seinen Kontext wechselt? Inwiefern wandelt sich die Beziehung zum Anderen? Und wann wird das Andere zum Eigenen?
Die zweite Projektlinie bestand in einer visuellen Forschung nach den Spuren von Kulturtransfers im städtischen Lebenskontext. Die Teilnehmenden recherchierten deutsche Wörter arabischen Ursprungs, sammelten Imbiss-Speisekarten, suchten in Küchenschränken und Supermarktregalen nach "hybriden" Lebensmitteletiketten, auf denen sich in Sprache oder Bildern unterschiedliche kulturelle Bezugsräume kreuzten und mischten, oder fotografierten die Klingelschilder von Wohnblocks in ihrer Nachbarschaft. Aus diesem Materialfundus filterten wir übergreifende Themen, die in Form einer Projektzeitung künstlerisch – gezeichnet, collagiert, getextet, kopiert und kombiniert – weiterverarbeitet wurden. Die Ergebnisse dieser kreativen "Formulierung" wurden im Kontext der Folgeausstellung "Kulturtransfers #2: Cut & Mix. Zeitgenössische Kunst aus Peru und Chile" dem Publikum vorgestellt und verschränkten so die konkrete Transferpraxis im lokalen Kontext mit den Ausstellungsinhalten.
Wichtiger als das sichtbare Produkt waren die geteilten Erfahrungen und Erlebnisse, die während des Tuns – manchmal zunächst als Störung – zur Sprache kamen. Ein Beispiel hierfür war die Fluktuation der Gruppe, die einmal begonnene Prozesse von Mal zu Mal ab- oder unterbrach – die Teilnehmenden erschienen nicht regelmäßig zu den Treffen. Wie sich im Gespräch zeigte, waren diese "Leerstellen" weniger auf mangelndes Interesse zurückzuführen, als auf die jeweilige ganz konkrete (Über)Lebenssituation, die etwa erforderte, Formalitäten des Aufenthalts zu klären oder einen Job anzunehmen. Was eigentlich nicht überraschend ist, nämlich dass jede und jeder seine eigene Realität mit in den Prozess bringt, forderte unsere Kreativität an unvermuteter Stelle – und machte die Kategorie der sozialen Differenz zu einem wichtigen Bezugspunkt im interkulturellen Austausch. Wichtig war hierbei nicht nur, dass der Raum trotz der Unterbrechungen für alle offen blieb – sondern dass vielmehr gerade die Unterbrechungen dem Prozess neue Impulse gaben.
Die Zusammenarbeit mit Migrantinnen und Migranten öffnete den Raum für einen interkulturellen Austausch, der eine Erfahrung, die oft als nachteilig erlebt und belegt wird, hier als Ressource sichtbar machte. Problematisch ist die mit einer solch gezielten Ansprache von Menschen mit Migrationshintergrund einhergehende Konstruktion einer Andersartigkeit, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern von vorneherein eine kulturelle Differenz zuschreibt und sie so in die Rolle von "Lieferanten des Fremden" geraten lassen kann. Geht man aber von einer gesellschaftlichen Realität aus, die von hybriden Identitäten geprägt ist – viele Menschen fühlen sich mehreren kulturellen Räumen gleichermaßen zugehörig –, wird deutlich, dass Kulturtransfers alle Menschen in der Migrationsgesellschaft gleichermaßen betreffen.
Annika Niemann, *1976, Kunstvermittlerin und Kuratorin; Leitung der Kunstvermittlung der ifa-Galerie Berlin/ Institut für Auslandsbeziehungen sowie des Pilotprojekts Kunst im Parlament! für den Kunst-Raum des Deutschen Bundestages; wiss. Mitarbeiterin am Institut für Kunsttherapie und Forschung der Fachhochschule Ottersberg.
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