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Reenactment | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Reenactment

Melanie Hinz

/ 7 Minuten zu lesen

Reenactments sind eine kulturelle und performative Zeitmaschine: Sie wiederholen und reanimieren ein historisches Ereignis in Zeit und Raum der Gegenwart. Die teilhabende Rekonstruktion von Geschichte ermöglicht den Teilnehmenden eine ästhetische Erfahrung des Vergangenen am eigenen Körper und als gemeinsam erlebtes "Live-Ereignis".

REENACTMENT (Wiederaufführung, Nachstellung) bezeichnet die akribische Rekonstruktion eines historischen Ereignisses oder Artefaktes, das zur (Wieder-)Aufführung gebracht wird. Reenactments fungieren als eine kulturelle und performative Zeitmaschine: Sie wiederholen und reanimieren das Vergangene in Zeit und Raum der Gegenwart. Sie reaktivieren ein kulturelles Gedächtnis historisch markanter Ereignisse nationaler oder kultureller Geschichte, indem sie diese in einer Aufführung im Hier und Jetzt nachstellen. Die teilhabende Rekonstruktion von Geschichte ermöglicht den Reenactors wie ihren Zuschauern eine ästhetische Erfahrung des Vergangenen am eigenen Körper und als gemeinsam erlebtes Live-Ereignis.

Erst seit der Jahrtausendwende hat das Reenactment als künstlerische Strategie Einzug in die performativen Künste gehalten. Die Theaterwissenschaft entdeckt gerade ihr Interesse an dieser Aufführungsform, davon zeugt beispielsweise die Tagung "Nicht hier, nicht jetzt. Das Theater als Zeitmaschine und die Geste des Reenactments", die 2010 an der Universität Hildesheim stattgefunden hat. Als spezifische Theaterform im Umgang mit Geschichte stellt das Reenactment somit einen noch zu erforschenden und zu erprobenden Gegenstand dar – für Künstler/-innen, Wissenschaftler/-innen und Theaterpädagogen/ -innen.

Methodensteckbrief

Kurzbeschreibung Reenactment (Wiederaufführung, Nachstellung) bezeichnet die akribische Rekonstruktion eines historischen Ereignisses oder Artefaktes, das zur (Wieder-)Aufführung gebracht wird. Die teilhabende Rekonstruktion von Geschichte ermöglicht den Reenactors wie ihren Zuschauern eine ästhetische Erfahrung des Vergangenen am eigenen Körper und als gemeinsam erlebtes Ereignis.
Ziele Auseinandersetzung mit sowie Rekonstruktion und Wiederaufführung von einem historischen Ereignis
Teilnehmerzahl Klassengröße
Altersstufe abhängig vom gewählten Ereignis, etwa ab 14 Jahren
Zeitbedarf in der vorgeschlagenen Durchführung: 4 Sitzungen
Raum Klassenzimmer/Theaterraum/ Außengelände
Benötigte Ausstattung / Materialien abhängig vom Ereignis: historische Dokumente wie Fotos oder Reden, Kostüme, Requisiten etc.
Sparte / Bereich / Feld Theater/ Darstellendes Spiel


Denn nicht als Kunstform, sondern als Hobby begann die Geschichte des Reenactments. Ihr Beginn ist zu datieren auf jene Hundertjahrfeier des Amerikanischen Bürgerkrieges, die im Juli 1961 in Manassas/Virginia stattfand. Unter der Federführung eines General a.D. spielten 2.500 Akteure vor 500.000 Zuschauern zwei Tage lang mit den Kostümen und Waffen von damals den Bürgerkrieg nach. "The Battle of Bull Run" wird als "Initialzündung" der Civil War Reenactments beschrieben. Diese Praxis der Geschichtswiederholung, die sich vorwiegend auf das Nachstellen von Schlachten fokussiert, hat sofort Kritik hervorgerufen: Trivialisierung, Banalisierung, Verfälschung, Ideologisierung, Illusionierung und Eventisierung von Geschichte sind die Schlagworte der Gegner.

Berechtigt ist, stets zu überprüfen, mit welchem Geschichtsbild operiert wird, mit welcher Zielsetzung, in welchem Kontext und mit welchen szenischen Mitteln Geschichte in Form eines Reenactments gemacht wird. Damit ist es aber auch wichtig, die Bezeichnung "Reenactment" nicht zu einem Umbrella Term werden zu lassen. Wenn in "Terra X" fiktive Szenen der römischen Antike von Schauspielern nachgespielt werden, die so oder so ähnlich gewesen sein könnten, sind diese Szenen nicht als Reenactment zu bezeichnen. Und das Dokuformat "Bräute-Schule 1958", ausgestrahlt von ARD 2007-2009, bei der junge Frauen von heute nach den Weiblichkeits- und Haushaltregeln der 1950er-Jahre leben und erzogen werden, ist allenfalls "Historiotainment". Das anschaulich repräsentierte Leben anderer Jahrhunderte in Freilichtmuseen, in denen Trachten und Rituale vorgeführt werden, ist zwar Teil einer populären Vermittlung von Geschichte, aber besser unter dem Begriff der "Living History", also der "kostümierten Präsentation von Geschichte" zu fassen.

Alle diese genannten populären Geschichts-Vermittlungsformate haben nicht eine konkrete historische Situation zum Ausgangspunkt, sondern erfinden Szenen, um ein anderes Jahrhundert anschaulich zu machen. Reenactment hingegen zeichnet sich durch eine wissenschaftliche und detailreiche Rekonstruktion eines geschichtlichen Ereignisses oder auch einer Inszenierung aus. "Das Präfix 'Re' macht deutlich, dass hier etwas wiederherstellt wird, das nicht vorhanden ist, das ‚vergangen‘ ist. Der Wortbestandteil 'Konstruktion' weist darauf hin, dass die durch Forschungsarbeit wieder freigelegte Wirklichkeit nicht etwas Vorfindliches und, einmal erforscht, Endgültiges ist."

Die geschichtliche Rekonstruktion durch das Reenactment kann partizipativ geschehen, indem alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer über die geschichtlichen Vorgänge informiert und mit entsprechenden Kostümen und Requisiten ausgestattet werden, um diese dann gemeinsam zu vollziehen. Das Nachstellen eines historischen Geschehens in Form einer Aufführung vor Publikum stellt der Geschichte nach und macht zugleich immer ihre Abständigkeit in zeitlicher aber auch politischer oder ästhetischer Hinsicht deutlich und damit auch, dass es eine Geschichtsschreibung des "So ist es gewesen" nicht geben kann. Aus diesem Paradox nährt sich aber die Praxis des Reenactments: Durch eine akribische Recherche versucht sie das Ereignis von damals so authentisch wie möglich im Hier und Jetzt zu konstruieren und erlebbar zu machen bei gleichzeitigem Bewusstsein um die bestehende Differenz des nicht Hier, nicht Jetzt.

Paradigmatisch für das Reenactment als künstlerische Strategie mit einem zugleich kritischen Geschichtsblick ist die Kunstaktion von Turnerpreisträger Jeremy Deller "The Battle of Orgreave". Wie der Titel schon sagt, stellte Deller auf Grundlage von Augenzeugenberichten (und nicht der Massenmedien) die Schlacht von Orgreave vom 16. Juni 1984 nach, in der es zur finalen Auseinandersetzung zwischen streikenden Bergarbeitern und berittener Polizei mit 80 Verletzten und zwei toten Streikposten kam. Die Schlacht symbolisiert die historische Niederlage der Arbeiter und Gewerkschaften im Kampf gegen die Schließung von 20 Kohlegruben gegen die Thatcher-Regierung, die die Streikenden zum "Feind des Landes" erklärte. Am Ort des Geschehens wurde unter der Leitung einer Reenactment-Agentur, die Deller beauftragt hatte, am 17. Juni 2001 die Schlacht von 800 Akteuren, darunter vor allem Reenactment-Hobbyisten, aber auch einem Drittel Zeitzeugen, nachvollzogen. Der Filmregisseur Mike Figgis dokumentierte die Vorbereitung und Durchführung des Reenactments und verschnitt diese mit Zeitzeugenberichten der Bergarbeiter.

"Die zweite Schlacht von Orgreave wird nicht mehr um Weltveränderung geschlagen, sondern um die Veränderung von Bildwelten. Das Reenactment tritt mit der einseitigen und der (Regierungs-)parteiergreifenden Berichterstattung von damals in Konkurrenz. Das Ergebnis ist eine Korrektur des Geschichtsbildes" , beschreibt der Theaterwissenschaftler Ulf Otto die politische Wirkmächtigkeit von Dellers Reenactment und Figgis Dokumentation, die nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind. Und dies erschöpft sich gerade nicht im Entwurf einer Gegengeschichte, sondern die Bilder von Figgis zeigen auch, wie die Schlacht noch einmal gekämpft – und verloren - wird, wie sich jenes historische Arbeiter-Drama an den heutigen Körpern abspielt, wie die Wut der Arbeiter wieder hochkocht, wie die Polizisten ohne Rücksicht auf Verletzungen in die Menschenmenge reiten, wie jene Geschichte des Bergarbeiterstreiks zu einer ganz physischen Erfahrung von heute wird.

In diesem Sinne ist Jeremy Dellers Reenactment ein Paradebeispiel für den reflektierten, emanzipatorischen und taktilen Umgang mit Geschichte durch ein Reenactment: Es macht Geschichte körperlich erfahrbar, es fordert zu einer unmittelbaren Bezugnahme zu den historischen Fakten heraus, es ist ein theatrales und performatives Experiment, das aber durch den Film rückgebunden wird an Reflexionsprozesse, um die gemachten Erfahrungen wieder in Bezug zu setzen zu gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und Kontextualisierungen der nachvollzogenen Ereignisse.

Für den Geschichtsunterricht als auch für Geschichtstheaterprojekte ist das Reenactment als Hybrid zwischen Geschichtswissenschaft, Freizeitaktivität und Kunst ein spannendes und bisher noch wenig genutztes Vermittlungsformat gerade für eine junge Generation, die durch ihre Mediensozialisation über trockenes Buchwissen nur schwer einen Zugriff auf die Historie findet. Das Reenactment verbindet Fachwissen mit einer heutigen Ereigniskultur, gesellschaftspolitische Auseinandersetzung mit körperlicher und ästhetischer Erfahrung. "Geschichte machen" wird zu einem gemeinschaftlich erlebten Rekonstruktions-Prozess, zu einem Dialog zwischen Gegenwart und Vergangenheit, in den auch Zeitzeugen, sofern sie noch leben, eingebunden werden können, um die Geschehnisse zu beglaubigen und einen Generationenaustausch zu eröffnen. Hierin zeigt sich das bildungspolitische Potenzial der künstlerischen Strategie des Reenactments, die bis jetzt im (theater-)pädagogischen Bereich noch kaum Aufmerksamkeit erfahren hat.

Mögliche Aufgabenstellungen für ein Reenactment-Projekt

  1. Wählen Sie ein historisch konkretes Ereignis aus der Geschichte Deutschlands seit 1949. Lassen Sie verschiedene Kleingruppen recherchieren: nach historischen Original-Aufzeichnungen wie Filmen oder Fotos, Textdokumenten, Ausstattung und Zeitzeugen.

  2. Diskutieren Sie im Plenum die Fakten zum gefundenen Material: Was ist überliefert? Welche Positionen gibt es? Was hat sich ins kollektive und mediale Gedächtnis eingebrannt? Was wussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bereits darüber? Was haben sie Neues herausgefunden?

  3. Geben Sie verschiedenen Kleingruppen die Aufgabe, eine Nachstellung des Geschehens zu entwickeln, die sie selbst durchführen oder bei der sie die Gesamtgruppe im Nachstellen anleiten:
    - durch eine Choreographie des Ablaufs bestenfalls am Ort des Geschehens
    - durch das Einnehmen von Posen eines ikonographischen Bildes des Ereignisses
    - durch das wiederholte und nicht gekürzte Sprechen einer Rede

  4. Reflektieren Sie abschließend im Plenum, welche Erfahrungen jede und jeder über das geschichtliche Ereignis durch das Wieder-Aufführen gewonnen hat, welche Differenz-Erfahrungen zur Vergangenheit gemacht wurden und wie das geschichtliche Ereignis jetzt eingeordnet wird.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Einen guten Überblick bietet der Katalog: Arns, Inke/ Horn, Gabriele (2007): History will repeat itself. Strategien des Reenactment in der zeitgenössischen (Medien) Kunst und Performance. Frankfurt am Main: Revolver.

  2. Mehr Informationen zur Tagung unter: Externer Link: http://www.uni-hildesheim.de/media/fb2/medien_theater/Faltblatt_Nichthier_Ansicht.pdf, (letzter Zugriff: 22.06.2011).

  3. Ulf Otto (2010): "Krieg von Gestern. Die Verkörperung von Geschichtsbildern im Reenactment", in: Kati Röttger (Hg.): Welt – Bild – Theater. Politik des Wissens und der Bilder. Tübingen: Narr-Verlag, S. 81.

  4. Wolfgang Hochbruck (2009): "‚Belebte Geschichte‘: Delimitationen der Anschaulichkeit im Geschichtstheater", in: Barbara Korte/Sylvia Paletschek (Hg.): History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres. Bielefeld: transcript, S. 217.

  5. Rudolf Schörken (1995): Begegnungen mit Geschichte: Vom außerwissenschaftlichen Umgang mit Historie in Literatur und Medien. Stuttgart: Klett, S.11.

  6. Hier der veröffentlichte Titel der DVD des Films: "Coal not Doal. National Union of Mineworkers. A Mike Figgis film of Jeremy Deller´s The Battle of Orgreave". DVD released by Artangel in 2006. 63:09 mins. Externer Link: www.artangel.org.uk

  7. Ulf Otto (2011): "Die Macht der Toten als Leben der Bilder. Praktiken des Reenactments als Kunst und Alltag", in: Jens Roselt/ Christel Weiler (Hg.): Schauspielen heute. Die Bildung des Menschen in den performativen Künsten. Bielefeld: transcript, S. 194.

  8. Zu diesem Thema findet an der Bundesakademie Wolfenbüttel vom 21.-23.10.2011 ein Workshop "Geschichte machen. Reenactment als theaterpädagogisches Format zwischen kultureller und politischer Bildung" statt. Mehr Informationen unter: Externer Link: http://www.bundesakademie.de/th11.htm (letzter Zugriff: 22.06.2011).

Lizenz

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Melanie Hinz, Diplom-Kulturwissenschaftlerin, seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin an der Universität Hildesheim mit dem Schwerpunkt Genderforschung. Mit Ulf Otto leitete sie 2010 das Reenactment-Projekt "Die Schlacht am Tegeler Weg". Gründungsmitglied des Performance-Kollektivs "Fräulein Wunder AG", arbeitet als Performerin, Theaterpädagogin und Regisseurin.