1. Ist Ihr Publikum multikulturell zusammengesetzt? Warum/Warum nicht?
In einer Stadt wie Frankfurt mit einem Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund von rund 38%, der sich unter den Jugendlichen von 14 – 18 Jahren auf annähernd 50% beläuft, ergibt sich eine multikulturelle Zusammensetzung des Publikums automatisch. Hinzu kommt die internationale Ausrichtung des DAM, die eine wachsende Zahl von (Fach)Besuchern aus Europa und Übersee garantiert.
2. Was bedeutet interkulturelle Bildung für Sie, und wie versuchen Sie diese in Ihrer Institution umzusetzen?
Da Museen trotz der Bemühungen um Öffnung in alle gesellschaftlichen Gruppierungen hinein, immer noch zuviel "Elfenbeinturm" und zu wenig "ebenerdiges Haus" sind und Migrationshintergrund nur allzu häufig mit Bildungsbenachteiligung einhergeht, entspricht auch im Deutschen Architekturmuseum die Anzahl der Besucher mit Migrationshintergrund noch lange nicht ihrem tatsächlichen Anteil in der Frankfurter Bevölkerung. Das heißt, wir bemühen uns zum einen, über Zielgruppenangebote wie etwa Workshops zum Thema Kuppelbau begleitend zu einer Ausstellung über Sinans Moscheen, solche Besucher ins Museum zu holen, die ohne ein unterstützendes Angebot nicht kommen würden. Zum anderen verlassen wir gezielt den "Elfenbeinturm", nicht zuletzt, weil sich Architektur immer vor der Haustür befindet, und organisieren Projekte mit Schulklassen und Kindertageseinrichtungen vor Ort.
Interkulturelle Bildung im Museum heißt, die kulturelle Heterogenität einer Stadtgesellschaft zur Kenntnis zu nehmen und ihr mit entsprechenden Angeboten im Museum selbst, aber auch mit "aufsuchender kultureller Bildung" Rechnung zu tragen; im besten Fall wird der interkulturelle Ansatz zum grundsätzlichen Gestaltungsprinzip.
3. Wie sieht die Verbindung von kultureller und interkultureller Bildung bei Ihrem Projekt "StadtteilDetektive – Kinder entdecken ihr Frankfurt" genau aus? Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Das Projekt "StadtteilDetektive – Kinder entdecken ihr Frankfurt" thematisiert den urbanen Raum und beabsichtigt die Aneignung des städtischen Raums von den "Rändern her aufzurollen". Als Ausgangspunkt wird konsequent das jeweilige Lebensumfeld der Kinder gewählt – das Wohnhaus, die Straße, die Schule, der Stadtteil. Aus der Sicherheit des Vertrauten kann das Fremde, das Unbekannte erobert werden. Viele Kinder, egal ob deutsche oder mit Migrationshintergrund, verlassen ihren Stadtteil kaum, der städtische Raum als Ganzer ist in der Regel nicht bekannt oder bedeutungslos. Das Projekt begibt sich bewusst auf die Augenhöhe der Kinder und versucht nachzuvollziehen, wie Kinder Räume wahrnehmen und allmählich ihre Raumgrenzen erweitern. Die Kinder lernen zu beurteilen, was sie umgibt und erkennen allmählich das Potential der Architektur, das Leben der Menschen angenehm zu machen, es positiv oder auch negativ zu beeinflussen. Die Beschäftigung mit ausgewählter Architektur Frankfurts hat nicht zuletzt identitätsstiftende Auswirkungen und fördert das Bewusstsein der Kinder, selbst ein Teil dieser Stadt zu sein. Die "StadtteilDetektive" machen Station an Frankfurter Grundschulen. Bei den Kindern mit Migrationshintergrund dort hat ein wachsender Anteil die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies entfernt möglicherweise die Kinder ein Stück weit von der ethnischen und kulturellen Identität ihrer Eltern, fördert aber nicht notwendigerweise ein Zugehörigkeitsgefühl zu Deutschland. Konsequenterweise versucht das Projekt, eine Identität als Frankfurterin oder Frankfurter zu stärken. Das gilt gleichermaßen für deutsche Schülerinnen und Schüler.
4. Welche Chancen bietet aus Ihrer Sicht die Arbeit eines Museums für die interkulturelle Bildung?
In einem Museum als einem außerschulischen informellen Lernort, kann Lernen jenseits von Selektionsdruck und Prüfungsrelevanz gestaltet und kulturelle Vielfalt als echte Bereicherung begriffen werden. Das Museum ist ein Forum, ein Experimentierfeld, auf dem Kinder und Jugendliche sich ausprobieren können.
Das Architekturmuseum ist in hervorragender Weise für interkulturelle Bildung geeignet, die Sprache der Architektur ist universell, und jedes Kind besitzt sie, unabhängig von seiner ethnischen Herkunft und unabhängig auch von seiner Kompetenz in der deutschen Sprache. Mädchen bauen anders als Jungen, türkische Kinder anders als eritreische, aber da die verbale Kommunikation nicht im Vordergrund steht, haben alle Kinder weitgehend gleiche Ausgangsbedingungen.
Insofern ist die Museumspädagogik in einem Architekturmuseum per se ein Forum für interkulturelles Lernen. Die Dauerausstellung des DAM "Von der Urhütte zum Wolkenkratzer", eine Zeitreise durch die Geschichte des Wohnens, ermöglicht die Fortführung des interkulturellen Dialogs und bietet Kindern mit Migrationshintergrund, möglicherweise das erste Mal, Einblicke in den kulturellen Reichtum des Herkunftslandes ihrer Eltern; gleichzeitig wird der "deutschland-zentristische" Blick der deutschen Kinder relativiert und ein Stück weit erschüttert, durchaus im Sinne des pädagogischen Ziels.
5. Wo sehen Sie in Ihrer Institution im Hinblick auf die Ansprache eines kulturell heterogenen Publikums noch Verbesserungsbedarf?
Die Zielgruppenangebote sollten weiter ausgebaut werden, die Zusammenarbeit mit Kunstpädagogen und Architekten, die ihrerseits über einen Migrationshintergrund verfügen, sollte gefördert werden.
6. Was möchten Sie in diesem Zusammenhang anderen Kulturinstitutionen mit auf den Weg geben?
Die Ratgeberrolle würde ich nicht so gern für mich in Anspruch nehmen.
Die Fragen beantwortete Christina Budde für das Deutsche Architekturmuseum.