Es ist laut, groß und unübersichtlich im Inneren des gewaltigen Schulkomplexes in Herten aus dem Jahr 1976, der sich heute Rosa-Parks-Schule nennt. Die Schule beschreitet seit vielen Jahren "Kunstwege zur Integration", mit künstlerischen Kooperationsprojekten und einer längerfristig angelegten Schul-Profil-Bildung. Herten ist eine der Kommunen im nördlichen Ruhrgebiet, die auf der Suche nach neuen Ressourcen im Strukturwandel auf ambitionierte Bildungs- und Integrationskonzepte setzt. Es ist kurz nach zehn, kleine Pause. Etwa 1.150 Schülerinnen und Schüler besuchen die Rosa-Parks-Schule, mehr als 50 Prozent von ihnen haben einen Migrationshintergrund. Kinder lachen und rennen durch das Labyrinth aus Räumen, voll von bunten Wänden, Bildern, Geräuschen. Es wird gelernt, gelacht und gestritten - wie in allen anderen Schulen auch.
Gemeinsame Namensfindung
Erst auf den zweiten Blick werden die Besonderheiten dieser Schule sichtbar. Im Jahr 2005 hat die Schule die seit ihrer Gründung durch eine starke soziale und ethnische Heterogenität ihrer Schülerschaft gekennzeichnet ist, angefangen, ein neues Identifikations- und Integrationsmodell zu erarbeiten. "Besonders positiv hier an der Schule ist, dass sich die Schulleitung, gemeinsam mit dem Kollegium und mit der Schülerschaft und Elternschaft auf den Weg gemacht hat, der Schule ein neues Profil zu geben. Schon bei der Namensgebung hat ein breiter Beteiligungsprozess stattgefunden", erklärt Ulrich Stromberg, Fachbereichsleiter für Bildung, Kultur und Sport der Stadt Herten.
Eine Findungskommission, entstanden aus einer Schülerinitiative, wurde damit beauftragt, den neuen Namen zu suchen. Nach einem langen Prozess der Diskussionen und Abstimmungen wurden die Vorschläge in Gremien der Schule und der Stadt Herten vorgestellt und beschlossen. Seit dem Schuljahr 2008/09 trägt die Schule den Namen "Rosa-Parks-Schule: Gesamtschule der Stadt Herten" und stellt sich in die Tradition ihrer Namensgeberin. Rosa Parks (1913 – 2005) widersetzte sich im Jahr 1955 der Willkür der US-amerikanischen Rassentrennungsgesetze, die der afroamerikanischen Bevölkerung das Leben erschwerten. Sie verteidigte mutig den Anspruch auf einen Sitzplatz in einer der vorderen Reihen des Busses, die eigentlich Weißen vorbehalten waren. So wurde sie zu einer Ikone der Bürgerrechtsbewegung und setzte mit ihrem Verhalten ein wichtiges Zeichen gegen die Diskriminierung der farbigen Bevölkerung in den USA.
Kunst als Weg zu Selbstermächtigung und Integration
Raum zur Ermutigung selbstbestimmten Handelns bietet seit dem Jahr 2006 das Schüleratelier an der Rosa-Parks-Schule, in dem die Schülerinnen und Schüler nach dem Unterricht frei arbeiten und sich künstlerisch betätigen können. Derzeit wird das Atelier neu eingerichtet und so auch dem gestiegenen Platzbedarf Rechnung getragen. Doch nicht nur im Inneren der Schule, auch im Außenbereich sind die Neuerungen sichtbar. In der Gestaltung von Bushaltestellen im Umfeld der Schule zum Beispiel wurden Entwürfe von Schülern realisiert.
Weitere "Kunstwege zur Integration", ein Sammelbegriff für viele unterschiedliche Aktionen und Kunstprojekte der letzten Jahre, wurden beschritten. Der Künstler Aloys Cremers realisierte mit Schülerinnen und Schülern zum Beispiel Kunstaktionen in einem leerstehenden Hertener Gefängnis und reflektierte so die Themen "Abschiebung" und "Integration" an diesem besonderen Ort. Ein Schüler berichtet darüber: "Die Kunst hat die Räume deutlich verändert. Aus dem Gefängnis wurde ein künstlerischer Ort, die Motive, die wir benutzt haben, waren mitten aus dem Leben gegriffen."
Mit dem Bildhauer Ernst Barten wurden Modelle gebaut, und es entstanden Skulpturen für den öffentlichen Raum, die auf dem Schulgelände der Rosa-Parks-Schule installiert wurden.
"Integration ist hier an der Gesamtschule gelebte Schulkultur", bringt Sabine Weißenberg, Vertreterin des Kulturamtes der Stadt Herten und Kooperationspartnerin im Projekt "Kunstwege zur Integration", es auf den Punkt. "An vielen Schulen wird kulturelle Bildung gefördert, an anderen nur geduldet", weiß sie aus ihren Arbeitsalltag zu berichten und bedauert, dass die Kultur an einigen Schulen noch immer keinen gleichberechtigten Stellenwert hat.
Kooperationskultur in Herten
Die jahrelang aufgebauten und gepflegten Netzwerke zeigen, dass sich Herten nicht erst mit dem Aufruf der Landesregierung zum Programm "Kultur und Schule" mit den Potenzialen und Möglichkeiten der Kooperation von Künstlern und Schulen beschäftigt hat. Als Anerkennung für diesen lange währenden Prozess der strukturellen Vernetzung erhielt Herten im Jahr 2009 für sein kommunales Gesamtkonzept für kulturelle Bildung eine Landesförderung in Höhe von 20.000 Euro. "Wir wollen keine Einzelaktionen, wir wollen Verbindlichkeiten!", fordert Sabine Weißenberg mit Blick auf die Perspektiven der kulturellen Bildung in Herten.
Kunst überwindet Barrieren und Grenzen
Ursula Zacher-Renz, engagierte Kunstlehrerin an der Rosa-Parks-Schule, beschreibt, wie es zur Idee für "Kunstwege zur Integration" kam. Die ersten Projekte waren dabei das Ergebnis zufälliger Begegnungen. Die Kunstlehrerin traf einen Künstler, sie überlegten gemeinsam, wie der Kunstunterricht gestaltet werden kann. Bei den ersten Aktionen gingen sie mit Schülern in die Fußgängerzone Hertens, um Zeichen zu setzen, das Image der Gesamtschule zu verbessern und eine positive Außendarstellung der Schule und ihrer Aktivitäten zu fördern. "Ein Aspekt dieses Integrationsthemas ist, dass wir versuchen, die Schule mehr in das Stadtbild zu integrieren", erinnert sich Ursula Zacher-Renz an die Anfangstage des Projektes. "Die Gesamtschule hat in Herten keinen guten Ruf. In vielen Köpfen der Hertener Bevölkerung ist sie immer noch mit Vorurteilen behaftet".
In der Projektdatenbank des Fachportals "Kultur macht Schule" wird prägnant die Grundidee der Initiative beschrieben: "Der Kunstbereich der Rosa-Parks-Schule engagiert sich seit einigen Jahren dafür, über gemeinsames künstlerisches Schaffen Barrieren zwischen den aus unterschiedlichen Kulturen stammenden Schülerinnen und Schülern der Schule abzubauen. Diese Öffnung soll über kreatives Handeln geschehen: regelmäßiges Gestalten mit Künstlern, Präsentationen in und außerhalb der Schule sowie Lernen an außerschulischen Lernorten (Museum, Künstleratelier)."
Aloys Cremers, einer der Künstler, ist mit Weste und Hut ausgestattet und schon optisch eine Besonderheit im Schulalltag. Sein niederländischer Akzent unterstreicht dies noch, er wirkt wie eine Mischung aus Hermann van Veen und Joseph Beuys. Aus seiner Bekanntschaft mit Ursula Zacher-Renz hat sich eine langjährige Zusammenarbeit entwickelt, die sich bewährt hat. Cremers bringt den Schülerinnen und Schülern weit mehr als den technisch versierten Umgang mit Farbe und Pinsel bei. "Was ich kann, können die nicht. Aber was die können, kann ich auch nicht", ist sein Credo, das einen neugierigen und freien Zugang zu Themen und Arbeitsweisen erkennen lässt. "Gerade im Bereich Bildung ist Selbstvertrauen so wichtig, ich sehe meine Aufgabe darin, den Schülern dieses Selbstvertrauen zu geben." Er setzt Vertrauen in die Fähigkeiten jedes Einzelnen und ebnet den Weg dafür, dass sich nach dem Ende der Schule und dem Wegfall des dort bestehenden Schutzraumes jeder und jede mit der Außenwelt selbständig auseinandersetzen kann.
Skulpturenworkshop mit dem kongolesischen Künstler Eric Ikone Hepanabila. (© Ursula Zacher-Renz)
Skulpturenworkshop mit dem kongolesischen Künstler Eric Ikone Hepanabila. (© Ursula Zacher-Renz)
Einige der Teilnehmer eines Skulpturenworkshops mit dem kongolesischen Künstler Eric Ikone Hepanabila berichten, dass sie am Anfang doch eher ratlos gewesen seien. Das Material gab keine Auskunft und es fehlte die zündende Idee. Besonders anstrengend war der freie Umgang mit dem Material, das Suchen und Ausprobieren. "Ob es was wird oder nicht, war Glückssache", beschreibt eine Schülerin die anfänglichen Unsicherheiten. Doch der Künstler konnte helfen und es entstanden überraschende Arbeiten.
Auf die Frage, was die Schülerinnen und Schüler mit dem Begriff Integration verbinden, antwortet eine Schülerin aus der 13. Klasse: "Die ganze Schule ist Integration pur, es ist selbstverständlich. Es ist so normal, wir leben hier und begegnen uns jeden Tag. Integration ist bei uns Alltag."
Eine Schülerin aus der achten Klasse erinnert sich an ihre Themenwahl bei einem Kunstprojekt: "Mädchen mit Kopftuch bekommen schwer eine Arbeit, das konnte ich zeigen und hatte das Gefühl, dass das etwas mit mir zu tun hat, dass ich mich so ausdrücken kann."
Auch die Identifikation der Schülerinnen und Schüler mit ihrer Schule ist ein Aspekt, der durch die Projekte gefestigt werden sollte. "Das", so Nicole Meyer, ebenfalls Lehrerin an der Rosa-Parks-Schule und Wegbegleiterin der Schüler in den Kunstkursen, "hat sich bereits eingelöst. Einige der Schüler, die von der Schule abgegangen sind, kommen wieder und engagieren sich für ihre Schule."
Finanzierung der Projekte
Bei dieser Vielfalt von Angeboten stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Finanzierung. Ganzheitliche Ansätze werden von der Stadt in ein Unterstützungssystem eingebettet, in dem darauf geachtet wird, dass finanzielle Mittel optimal eingesetzt werden. Finanziert wurden alle Projekte aus dem Kulturetat der Stadt Herten, und die Gesamtschule erhielt private Förderungen und Sponsorengelder. Bewilligte Anträge aus dem NRW-Landes-Programm "Kultur und Schule" tragen ebenso zur Fortführung der Projekte bei wie Zuschüsse aus der Landesförderung zum Kommunalen Gesamtkonzept Kulturelle Bildung.
Auf dem Weg zu einem neuen Schulprofil... und noch weiter
Teil des Umstrukturierungsprozesses der Rosa-Parks-Schule war auch die Einrichtung von Profilklassen in den Bereichen Kunst, Sport und Musik. Langfristiges Ziel der Schule ist es, das Profil in Richtung kultureller Bildung zu stärken.
Die Schule setzt also zur nachhaltigen Entwicklung der Strukturen auf die Schärfung eines speziellen Schulprofils, das sich in der Struktur der Unterrichtsangebote spiegelt. Bereits seit 1998 werden Kunst-Leistungskurse angeboten, seit dem Schuljahr 2008/2009 ist das Schulfach "Darstellen und Gestalten" dazu gekommen. Für den Sommer 2011 ist die Fertigstellung der neuen Atelierräume geplant, damit die Profilklasse Kunst, die den Unterricht auf einen Kunstschwerpunkt ausrichtet und die es seit dem Schuljahr 2009/2010 an der Rosa-Parks-Schule gibt, in die Räume einziehen kann.
Die weiteren Schritte in der Arbeit stehen schon fest. In Planung ist ein Schülermuseum, das in Herten ein Ort für Kunst von Schülern und für Schüler sein kann. Erste Konzeptentwürfe sind formuliert und das Ziel, sich beim Programm "Kulturagenten" zu bewerben, ist fixiert. Es besteht der Wunsch, stadtweit einen Ort zu finden, der Ausstellungsplattform ist, zu dem man Künstler einladen kann und zu dessen Entwicklung institutionsübergreifende Kooperationen hinzugezogen werden können. Die Schule hat mit dem Konzeptpapier "Rosa-Parks-Schule 2030", dessen Leitmotiv der "Paradigmenwechsel weg von der Kooperation von Schule und außerschulischen Partnern hin zu einer Integration von verschiedenen Professionen unter einem Dach" ist, eine Perspektive erarbeitet, die dem Anspruch an eine zukunftsorientierte Schulform mit vernetzten Strukturen eindrucksvoll gerecht wird.
Das Projekt "Kunstwege zur Integration" illustriert einen langfristig angelegten Prozess der kreativen Begegnung. Durch die Ausstellung der entstandenen Arbeiten haben die Schülerinnen und Schüler Wege der Anerkennungskultur kennengelernt, die vermitteln, eigenmotivierte Arbeit und das eigene und das fremde gestalterische Potenzial wertzuschätzen. Im Rahmen des Beteiligungsprozesses an den Kunstprojekten haben sie den Blick für das "Andere" geschärft und neue Handlungskompetenzen im Umgang mit unterschiedlichen Problemstellungen erlernt. Viele Schülerinnen und Schüler sind nun auch in ihrer Freizeit künstlerisch tätig. Ihnen stehen mit dem neu eröffneten Atelier ein Ort zum Ausprobieren und ein Ort der Begegnung zur Verfügung.