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Das Freiwillige Soziale Jahr Kultur | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Das Freiwillige Soziale Jahr Kultur Ein Angebot der außerschulischen kulturellen Jugendbildung

Kristina Geppert Kerstin Hübner Kerstin Hübner / Kristina Geppert

/ 7 Minuten zu lesen

Das "freiwillige soziale Jahr in der Kultur" hat sich längst etabliert. Es bietet für junge, engagierte Menschen im Alter von 16 bis 27 Jahren eine Anlaufstation, den Zeitraum zwischen der Schule und dem Beruf als Orientierung zu nutzen. Derzeit sind rund 1.100 Heranwachsende in unterschiedlichen kulturellen Projekten im Einsatz.

Niclas absolviert sein FSJ Kultur in einem medienpädagogischen Zentrum und setzt gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus dem Problemkiez ein Filmprojekt zum Thema "Mut im Alltag" um. (© von Clar, Jens Draser-Schieb.)

Jugend, Bildung, Kultur und Engagement – auf diesen vier Säulen basiert das freiwillige soziale Jahr in der Kultur (Externer Link: FSJ Kultur). In diesem kulturellen Freiwilligendienst können sich Jugendliche im Alter von 16 bis 27 Jahren engagieren. Sie arbeiten ein Jahr lang Vollzeit in einer Kultureinrichtung (Einsatzstelle), verwirklichen ein eigenverantwortliches Projekt, werden pädagogisch von den FSJ Kultur-Trägern und in der Einsatzstelle begleitet, nehmen an Seminaren und Werkstätten teil. Damit gibt das FSJ Kultur den jungen Freiwilligen die Gelegenheit, Erfahrungen zu sammeln, sich persönlich zu entwickeln und beruflich zu orientieren.

Einblicke in das FSJ Kultur

  • Annika hat sich für die Kunstwerkstatt Königstein entschieden und zieht dafür von Nordrhein-Westfalen nach Hessen. Ein Jahr lang wird sie täglich die Kursarbeit unterstützen und Ausstellungen organisieren. Sie hatte als Einsatzort auch theaterpädagogische Zentren, Musikschulen, Kunstwerkstätten, Museen, Kulturzentren, Zirkusprojekte ... zur Auswahl.


  • Gregor verwirklicht in der Kinderbibliothek der Öffentlichen Bücherhallen Hamburg ein Projekt der ganz besonderen Art: Er hat eine Leseförderungsveranstaltung für erste bis vierte Schulklassen konzipiert und mehrfach durchgeführt. Dazu hat er das Sachbuch "Zum Glück fliegst Du nicht mit der Apollo 13" von Ian Graham interaktiv in Form eines Bilderbuchkinos, das er selber erstellt hat, in Absprache mit dem Verlag präsentiert. Für die anschließende Kreativstunde entwickelte er eigenständig Bastelvorlagen und ein Quiz.


  • Andere Projektideen im FSJ Kultur sind beispielsweise: Organisation eines Poetry Slams für Jugendliche in einem Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf, eigenständige Übernahme der gesamten Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für ein in die Region ausstrahlendes Klassik-Musik-Festival oder die Durchführung eines Filmworkshops zum Thema "Zu Hause" mit behinderten und nicht behinderten Kindern und Jugendlichen.


  • Das FSJ Kultur-Seminar in Niedersachsen hat "Heimat" zum Thema. Ein Vortrag, eine Exkursion, eine Gesprächsrunde und fünf Workshops stehen auf der Tagesordnung. Themen für weitere Seminare sind "Identität", "Europa", "Kultur schockt", usw.


  • Nora nimmt an den Bildungstagen an der Fachhochschule Potsdam teil. Sie nutzt das FSJ Kultur, um zu schauen, ob Kulturarbeit die richtige Berufsrichtung für sie ist. Andere Angebote für Freiwillige sind Werkstätten zur "Berufsorientierung", interkulturelle Trainings, usw.


  • Die Arbeitsgruppe "Öffentlichkeitsarbeit" der FSJ Kultur Freiwilligen in Berlin trifft sich nicht nur, um die Abschlusszeitung des Jahrgangs vorzubereiten. Sie plant auch eine politische Aktion in Berlin-Mitte. Daneben tagen die Freiwilligengruppen "Vernetzung" und "Seminarplanung".


  • Eine Fortbildung der Einsatzstellen wird zum Thema "Reflexion" durchgeführt. Diskutiert wird, wie die Mitarbeiter/innen in den Kultureinrichtungen den Freiwilligen ein Feedback auf ihre Entwicklungen geben können. Die Einsatzstellen werden durch Trägerbesuche und Treffen auch in anderen Punkten unterstützt: Projektarbeit, Freiwilligenmanagement, usw.

  • Zum Abschluss lud der Träger, die LKJ Sachsen-Anhalt, alle Freiwilligen, Einsatzstellen und Förderer des FSJ Kultur ins Theater Magdeburg ein. Gekommen war sogar der Kultusminister, der allen Anwesenden herzlich für ihr Engagement dankte. Die Freiwilligen präsentierten ihre Jahresergebnisse und erhielten ihr Zertifikat.

Entwicklung des FSJ Kultur

Das FSJ Kultur existiert seit 2001, eine Modellphase umfasste den Zeitraum bis 2004. Bereits parallel zu dieser Erprobungsphase wurde das FSJ Kultur kontinuierlich erweitert – quantitativ und qualitativ. Den Trägern des FSJ Kultur – der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (Externer Link: BKJ) und ihren Landesstrukturen – ist es seit nunmehr fast zehn Jahren gelungen, das Interesse von Kultureinrichtungen nach jungen freiwilligen Mitarbeiter/innen mit dem Bedürfnis von Jugendlichen nach Bildung, Orientierung und Engagement in der Kultur zusammenzubringen. Waren es zu Beginn des FSJ Kultur noch 125 Jugendliche, können sich ab September 2010 über 1.100 junge Menschen engagieren – in Kultureinrichtungen (Einsatzstellen) der Hoch- und Breitenkultur, in ländlichen Regionen und den Ballungszentren deutscher Großstädte.

Der Kulturbereich ist offen und gut geeignet, Jugendlichen einen Gestaltungs- und Experimentierraum für freiwilliges Engagement zu geben. Im Jahr 2001 rückte nicht nur das freiwillige Engagement in den Mittelpunkt, sondern auch die kulturelle Bildung mit ihrem speziellen Bildungsbegriff, der Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung gleichermaßen in den Blick nimmt und in Beziehung zueinander setzt. Vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungsprozesse (z.B. demografischer Wandel, Arbeitsmarkt, Globalisierung) und der durch PISA ausgelösten Bildungsdebatte haben beide Aspekte weiter Fahrt aufgenommen.

Bildung und Engagement werden im FSJ Kultur daher als Ressource und Impuls für eine selbstbewusste Lebensführung, für eine aktive Teilhabe an und verantwortungsvolle Mitgestaltung von Gesellschaft begriffen.

Die BKJ ist der bundeszentrale Träger dieses kulturellen Freiwilligendienstes. Umgesetzt wird das FSJ Kultur durch die Träger auf Landesebene, welche die Verantwortung für die fachliche Begleitung der Einsatzstellen und die persönliche Betreuung der Freiwilligen übernehmen. Die Einsatzstellen sind für den Praxiseinsatz der Freiwilligen verantwortlich.

Bildung


In einer Welt, die sich permanent wandelt, muss umfassende Bildung Menschen darin unterstützen, ein gelingendes Leben zu verwirklichen. Das schließt viele Facetten ein: Befähigung zur selbstbestimmten Lebensführung, Ausbildung von sozialen und personalen Kompetenzen, fachliche Fort- und Weiterbildung, Bewältigung von biografischen Brüchen und von Veränderungen auf emotionaler, sozialer und organisatorischer Ebene.

Diese Aufgaben können nicht allein die immer gegenwärtigen Orte formaler Bildung (wie die Schule) oder non-formale Kontexte (wie die außerschulische Jugendbildung) leisten, vielmehr findet sinnvolles und vergnügliches Lernen auch informell in der Familie, in der Freizeit, im Gemeinwesen und bei der täglichen Arbeit statt. Kulturelle Bildung (non-formale Bildung) und freiwilliges Engagement (informelle und non-formale Bildung) schaffen Bewährungsmöglichkeiten, Kommunikationsräume und Selbstwirksamkeitserfahrungen. Sie bieten damit attraktive Lernfelder.

Bildung ist daher als zentrale Leitidee im FSJ Kultur verankert. Dieses Bildungskonzept zielt auf junge Menschen, die selbst bestimmt handeln, entscheidungskompetent agieren und sozial handlungsfähig sind, sich insgesamt kulturinteressiert, engagiert und verantwortungsbewusst zeigen.

Es ist die Kombination verschiedener Lernorte, welche die Bildungsprozesse im FSJ Kultur besonders prägen. Auf der fachlichen Ebene spielt die "Kulturarbeit" im engeren Sinne – Praxiseinsatz, eigenverantwortliche Projektarbeit, begleitende Qualifizierungsmaßnahmen – die entscheidende Rolle. Hier können Freiwillige Kompetenzen prüfen und einsetzen, erweitern und aneignen. Freiwillige reflektieren in Seminaren und Gesprächen Erfahrungen und Entwicklungen, arbeiten mit Zielgruppen, im Team oder mit anderen Freiwilligen zusammen. Sie werden angeregt, sich mit ihrer Identität, der sozialen Rolle und der gesellschaftlichen Realität auseinanderzusetzen. Das FSJ Kultur bedeutet für viele Freiwillige das Erproben selbstständiger Lebensführung, häufig verlassen sie für das freiwillige Engagement die elterlichen Wohn- und Versorgungszusammenhänge.

Nur so kann Ganzheitlichkeit entstehen – ein Lernen mit Kopf, Hand und Herz, das kognitive, praktische/körperliche und emotionale Prozesse anregt und Freiwillige in der Entfaltung ihrer gesamten Persönlichkeit und Potenziale unterstützt.

Die Umsetzung dieser Ansprüche stellt viele Anforderungen an die Kultureinrichtungen: Die Freiwilligen benötigen selbstorganisierte und selbstbestimmte Räume, welche begleitet werden müssen. Ihnen muss Verantwortung übergeben werden (Lernen in Ernstsituationen), was Partizipation im Sinne von Beteiligung und Mitbestimmung einschließt. Eine Ausrichtung auf die Interessen der Freiwilligen ist genauso nötig wie die Beachtung der individuellen Persönlichkeit und eine positive Arbeitsatmosphäre.

Kultur


Das FSJ Kultur ist ein Freiwilligendienst und Bildungsprojekt in den inhaltlichen und strukturellen Kontexten kultureller Arbeit. Das FSJ Kultur erschließt Jugendlichen ein facettenreiches Erfahrungsfeld mit folgenden kulturellen Dimensionen: ästhetisch, künstlerisch-kreativ, historisch und politisch-gesellschaftlich-sozial.

Ausdruck für diese Vielfalt sind das Einsatzstellenspektrum und die konkreten Aufgabenfelder der Freiwilligen: Die jungen Freiwilligen begegnen ästhetischen Produkten, z.B. in der Organisation und Begleitung von Konzerten, Theateraufführungen, Ausstellungen, Filmprojekten oder Tanzproduktionen. Sie erleben den aktiven Entstehungs- und Vermittlungsprozess von Kunst und Kultur, z.B. in der Unterstützung und Leitung von theater-, musik- oder zirkuspädagogischen Angeboten oder im Mitmachen in Kreativwerkstätten. Die Jugendlichen setzen sich mit der historischen Relevanz von Kunst und Kultur auseinander, z.B. durch ihren Einsatz in Gedenkstätten, Kunstmuseen, Heimatvereinen, Denkmälern. Die gesamtgesellschaftliche Bedeutung von Kunst und Kultur erfahren sie z.B. in eigenverantwortlichen Projekten im Brennpunkt oder mit Behinderten, in Einsatzstellen der politischen Bildungsarbeit oder in der Diskussion um die kommunalen Kulturhaushalte.

Die pädagogische Begleitung in den Seminaren legt ein besonderes Augenmerk darauf, dass die Methoden und Prinzipien1 der kulturellen Bildung angewandt werden. Jugendliche erhalten Gelegenheit zur Begegnung mit bzw. Gestaltung von Kunst und Kultur. Sie können damit ihre künstlerischen Ausdrucksfähigkeiten erweitern (z.B. in Kreativwerkstätten) sowie ein Selbstverständnis von Kunst und Kultur im persönlichen und gesellschaftlichen Rahmen entfalten (z.B. in Diskussions- und Reflexionsrunden).

Engagement


Kultur ist einer der großen Engagementbereiche in Deutschland. In Vereinen und Initiativen, in Kultureinrichtungen in freier oder öffentlicher Trägerschaft engagieren sich über drei Millionen Menschen. Die Formen sind facettenreich, es finden sich z.B. Ehrenamt und Freiwilligendienst, Projektarbeit und Fördermitgliedschaft. Ohne dieses Engagement ist die Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland nicht denkbar.

Dieses Feld greift das FSJ Kultur auf und befördert es zugleich: Das FSJ Kultur spricht Einrichtungen der Kulturarbeit an, sich für junge Freiwillige und ihr Engagement zu öffnen. Zugleich wendet es sich an junge Menschen, sich für Kultur und Gesellschaft zu engagieren. Dieses Wechselverhältnis wirkt – so die Zielstellungen und die Erfahrungen im FSJ Kultur – nachhaltig. Engagement wird einerseits zu einer grundsätzlichen Haltung/Lebenseinstellung der Freiwilligen, die sich im Anschluss an das FSJ Kultur weiter einmischen und einbringen. Sei es in der "alten" Einsatzstelle, beim Träger, im Rahmen ihres Studiums oder in ganz anderen Kontexten. Mit ihnen wird schon während des FSJ Kultur, z.B. in den Seminaren, über die Bedeutung des kulturellen Engagements diskutiert, und ihnen werden weitergehende Chancen für Engagement aufgezeigt bzw. angeboten. Auf der anderen Seite sind die meisten Einsatzstellen bereit, über Jahre hinweg (mehr) FSJ Kultur-Freiwillige einzubinden oder grundsätzlich das Thema freiwilliges Engagement in ihrer Institution zu verankern oder zu erweitern.

Besonderer Ausdruck des Engagements ist die eigenverantwortliche Projektarbeit. Freiwillige können hier in Absprache mit der Einsatzstelle ihre eigene Projektidee entwickeln und umsetzen. Sie werden mit ihrer Energie und ihren Anliegen sichtbar, wenn sie einen Lesezirkel in Kindertagesstätten verwirklichen, wenn sie ein Bandprojekt gegen Rechtsextremismus organisieren oder wenn sie ein Konzerthaus für Migranten/innen öffnen.

Für die Förderung des Engagementgedankens ist es grundsätzlich wichtig, dass Freiwillige reale Ernstsituationen erleben und wirkliche Verantwortung übernehmen können. Denn nur so erleben sie die Erfahrung, beteiligt zu werden, etwas Sinnvolles zu tun, "wertvoll" und "wichtig" zu sein.

Jugend, Bildung, Kultur und Engagement – das sind nicht nur die Säulen des FSJ Kultur, das sind auch wichtige Zukunftsaufgaben unserer Gesellschaft. Daher ist die Aussage im Koalitionsvertrag der 17. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und FDP "Wir wollen die Angebote für das Freiwillige Soziale Jahr in der Kultur ausweiten" nicht nur zu begrüßen, sondern dringlich umzusetzen.


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Fussnoten

geb. 1970, Dipl.-Psychologin und Supervisorin, freiberuflich in eigener Praxis tätig. Langfristige Begleiterin des Qualitätsentwicklungsprozesses und Evaluation des FSJ Kultur.

geb. 1976, Studium der Theaterwissenschaft, Kommunikations- und Medienwissenschaft sowie Pädagogik. Referentin der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung, seit 2001 verantwortlich für den Aufbau des Freiwilligen sozialen Jahres in der Kultur.