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Warum brauchen wir kulturelle Bildung in der Schule? Ein Plädoyer | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Warum brauchen wir kulturelle Bildung in der Schule? Ein Plädoyer

Olaf-Axel Burow

/ 7 Minuten zu lesen

Kulturelle Bildung bietet vielfältige Anregungen, das klassische Modell der Unterrichtsschule zu überwinden. Durch neuartige Formen des Lehrens und Lernens, wie zum Beispiel beim Atelierunterricht oder in Kunst- und Lebenskunstprojekten im Sozialraum wird die Schule insgesamt bereichert.

Das Projekt Farbräume, aufgenommen in der Louise-Schroeder-Schule Hamburg © Karin Gerdes

Obwohl es beginnend bei der Reformpädagogik eine lange Tradition kultureller Bildung in der Schule gab, blieb diese doch meist randständig. Die Bedeutung dieses Bereiches für die Schule nimmt erst seit kurzem zu – und zwar mit dem Ausbau von Ganztagsschulen und der Entwicklung von Bildungslandschaften. Durch den erweiterten Zeitrahmen und einen Bildungs- bzw. Erziehungsauftrag, der Ganztagsschule nicht nur als Unterrichtsschule, sondern auch als Lebens- und Erfahrungsraum definiert, wird die Bedeutung kultureller Bildung in der Schule stärker wahrgenommen. So haben sich beim diesjährigen "mixed up"-Wettbewerb des Bundesverbandes Kultureller Jugendbildung (BKJ) 247 Kooperationsprojekte von Schulen und außerschulischen Trägern um den Titel der besten "Kooperation zwischen Kultur und Schule" Deutschlands beworben.

Die eingereichten Konzepte der Bewerber zeigten eine beeindruckende Vielfalt spezialisierter Profile erfolgreicher Kulturschulen, die mit ihren Angeboten nicht nur schulische Bildung bereicherten, sondern darüber hinaus nicht selten auch zu Motoren der Entwicklung von Bildungslandschaften wurden. Der erste Preisträger, die Hamburger Gesamtschule Horn, überzeugte die Jury mit einem musikalischen Gesamtkonzept, das unter anderem eine schuleigene Konzertreihe mit professionellen Künstlerinnen und Künstlern beinhaltete und diese mit dem Aufbau einer professionellen Schülerfirma verband, die Percussion-Instrumente baut. Das Theaterpädagogische Zentrum Hildesheim schuf das beeindruckende Theaterprojekt "Grenzöffnung – Wer ist Deutschland". Typisch für viele Beiträge war auch das Berliner Projekt "TanzZeit – Zeit für mehr Tanz in Schulen". Einen ganz anderen Zugang wählte dafür die prämierte Kölner Grundschule Mülheimer Freiheit 99, die mit dem "Lern- und Gedenkort Jawne" einen besonderen Themenzugang zum Nationalsozialismus für die Schülerinnen und Schüler erarbeitet hatte. Unter Externer Link: www.bkj.de finden sich reichhaltige Informationen über entsprechende Schulprojekte. Umfassend dargestellt ist die Bedeutung kultureller Bildung für die Schule bei Max Fuchs (2008). Daher konzentriert sich dieser Artikel auf sieben zentrale Gründe, warum wir kulturelle Bildung in der Schule benötigen.

1. Kulturelle Bildung – eine Vorbedingung für Chancengleichheit


Noch bedrückender als der mittlere Rang, den deutsche Schulen bei den internationalen Schulleistungsvergleichsstudien (PISA) einnehmen, ist die wiederholt bestätigte Erkenntnis der mangelnden Förderung benachteiligter Schülergruppen. Die daraus resultierende Forderung nach besserem Sprach-, Mathematik- und Naturwissenschaftsunterricht greift allerdings zu kurz, weil sie den Blick auf einen begrenzten schulischen Fächerkanon verengt. Wie der Darmstädter Elitenforscher Michael Hartmann aufgrund eigener empirischer Untersuchungen sowie im Anschluss an die soziologische Feldtheorie Pierre Bourdieus herausgearbeitet hat, liegt ein zentraler Grund dafür, dass ein Viertel aller 15-Jährigen nicht schreiben kann und etwa 15 Prozent eines Jahrgangs komplett abgehängt werden, in beschränkter kultureller Bildung: Entscheidend für soziale Selektion oder Erfolg ist aus soziologischer Perspektive der "Habitus" – verstanden als die bereits in der Kindheit antrainierten und geformten Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata sowie die inkorporierten, im Körper verankerten Gewohnheiten, die wie "Automatismen" das Auftreten und Handeln der Person bestimmen.

Hartmann zufolge bestimmt der klassenspezifisch geprägte Habitus als Produkt spezifischer Klassenlagen durch die dauerhaft übertragenen Dispositionen den Spielraum des Verhaltens der Akteure. Wenn es stimmt, dass der Habitus entscheidend durch die soziale Herkunft und die entsprechende kulturelle Praxis geformt wird, dann ist kulturelle Bildung für alle eine Voraussetzung für die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft. Denn: Der in einer bestimmten Klasse erworbene Habitus definiert den Lebensstil und die Distinktionsstrategien zwischen den Klassen. Nur die Kenntnis dieser Strukturierungs- und Reproduktionsmechanismen ermöglicht Freiheitsgewinne. Kulturelle Bildung in der Schule ist aus dieser Perspektive eine Voraussetzung zur Erschließung dieser Freiheitsgewinne!

2. Kulturelle Bildung – ein Weg zur inklusiven, begabungsförderlichen Schule


Der Begriff der Inklusion entstand Anfang der 1990er-Jahre, wobei die Internationale Konferenz der UNESCO, die 1990 in Thailand stattfand, einen sehr wichtigen Moment darstellte. Im Rahmen dieser Konferenz, die unter dem Motto "Bildung für alle" stattfand, wurde erstmalig das englische Wort "inclusion" statt "integration" benutzt. Zentrales Prinzip der inklusiven Pädagogik ist die Wertschätzung der Diversität in Bildung und Erziehung. Befürworter der Inklusion gehen von der Tatsache aus, dass Heterogenität die Normalität darstellt. Aus ihrer Sicht sind alle Schüler "Sonderschüler", in dem Sinn, dass jede/jeder über besondere Begabungen und Limitierungen verfügt. Deshalb plädieren sie für die Schaffung einer Schule für alle, welche die Bildungs- und Erziehungsbedürfnisse aller Schüler zu befriedigen hat. Dies ist keine illusionäre Forderung, denn bereits heute folgen laut Wilfried Bos, dem Leiter des Dortmunder Instituts für Schulentwicklungsforschung, 95 Prozent aller Schulsysteme weltweit dem Modell 6:3:3. Also: Sechs Jahre gemeinsames Lernen in der Primarstufe, drei Jahre in der Sekundarstufe und dann die leistungs- und neigungsbezogene Trennung in der Sekundarstufe II. Deutschland nimmt hier mit seinem ständisch orientierten Selektionssystem eine Sonderstellung ein.

Unterstützt wird die Forderung nach einer inklusiven Schule durch die Begabungsforschung, wie sie der amerikanische Sozialpsychologe Howard Gardner mit seinem Konzept der "multiplen Intelligenzen" vorgestellt hat. Ihm zufolge ist schulische Bildung derzeit verengt durch eine fast ausschließliche Fokussierung auf sprachliche und logische Intelligenzen. Dabei käme es darauf an, neben der sprachlichen und logisch-mathematischen Intelligenz, auch musikalisch-rhythmische, bildlich-räumliche, körperlich-kinästhetische, inter- oder intrapersonelle sowie existenzielle Intelligenzen zu fördern. Die verschiedenen Angebote der kulturellen Bildung haben sich als besonders geeignet erwiesen, genau diese Lücken zu schließen und zu einer Erweiterung des schulischen Lern- und Leistungsbegriffs beizutragen, der hilfreich ist, den unterschiedlichen Begabungen der Schüler/-innen gerecht zu werden.

3. Kulturelle Bildung – eine Antwort auf Anforderungen der globalisierten Wissensgesellschaft


Der amerikanische Wirtschaftsgeograf Richard Florida behauptet in seinem Buch "The Rise of the Creative Class", dass in den entwickelten Industrienationen bereits heute bis zu 30 Prozent der Arbeitnehmer/-innen mit der Entwicklung oder Anwendung von Neuem beschäftigt sind. Dies führe zur Herausbildung einer neuen "Kreativen Klasse", die immer mehr Schlüsselpositionen der Gesellschaft besetze. Die "Kreative Klasse" siedele sich bevorzugt an Orten an, die sich durch die Verbindung von Technologie, Talent und Toleranz auszeichneten. Entscheidend seien offene Begegnungs- und Anregungsräume. Nach Burow führt das Crossover zwischen vormals getrennten Fach- und Personengruppen zur Bildung "kreativer Felder".

Kulturelle Bildung in der Schule erfordert demnach den Wandel von der "Unterrichtsanstalt zum Kreativen Feld" . Wie diese Felder funktionieren, zeigt sich besonders eindrücklich am Zusammenfließen von Kunst und Medien im Web 2.0. Pasuchin verwendet für die neuen Formen von Crossover-Produktion und -kommunikation den Begriff der "Intermedialität". Am Beispiel von Schülerproduktionen auf YouTube zeigt er, wie Schüler neue Gestaltungs- und Ausdrucksformate entwickeln. Aufgabe der Schule ist es, die Schülerinnen und Schüler darin zu unterstützen und reflexive Gestaltungskompetenzen zu fördern. Mit einer Förderung intermedialer Gestaltungskompetenzen ermöglicht kulturelle Bildung Teilhabe und bietet Hilfen zur aktiven Aneignung neuer Produktions- und Kommunikationsformen einer globalisierten Wissensgesellschaft.

4. Kulturelle Bildung – ein Instrument der Unterrichtsentwicklung

Im Gefolge der ernüchternden Erkenntnisse aus diversen PISA-Studien wird die Dominanz des instruktionistischen Paradigmas in der Unterrichtsschule infrage gestellt und zugunsten einer stärkeren Berücksichtigung der Schaffung situierter Lernumgebungen relativiert. Zudem tritt zunehmend auch die lange unterschätzte Bedeutung informellen Lernens in den Vordergrund der Betrachtungen. Kulturelle Bildung bietet vielfältige Anregungen und Modelle, sowohl für die Gestaltung situierter Umgebungen wie auch für die Gestaltung von Räumen informellen Lernens, die geeignet sind, die tradierte Grammatik der Unterrichtsschule zu überwinden und Schule durch neuartige Formen des Lehrens und Lernens zu bereichern (z.B. Atelierunterricht, Kunst- und Lebenskunstprojekte im Sozialraum).

5. Kulturelle Bildung – ein Instrument der Schulenwicklung


Schulentwicklung hat sich zu lange darauf beschränkt, nach Wegen zu suchen, um die traditionelle Unterrichtsschule zu optimieren. Wie Burow gezeigt hat, sind erfolgreiche Schulerneuerer einen anderen Weg gegangen: Funktion statt Konvention lautet ihre Erfolgsformel. Von Montessori bis von Hentig haben sie sich von der Konvention des Schulemachens verabschiedet und stattdessen die Gestaltung der Schule radikal aus Sicht der Kinder neu gedacht. Die Schlüsselfrage lautet: Wie müssen Schule und Lernen unter den Bedingungen einer sich schnell wandelnden globalisierten Wissensgesellschaft organisiert sein? Diese Fragen kann die Schule nicht aus sich selbst heraus beantworten, sondern sie bedarf der Kooperation mit Partnern aus dem gesellschaftlichen Umfeld, wobei Kulturpartner besonders geeignet sind, neue Formen und Inhalte des Lehrens und Lernens zu befördern.

6. Kulturelle Bildung – ein Weg zur Bildungslandschaft


Anknüpfend an Christiakis' Theorie der Wirkungen sozialer Netze und Burows Theorie des "Kreativen Feldes" zeichnet sich ab, dass Schulen und sonstige Bildungsinstitutionen den notwendigen Wandel nicht aus sich selbst heraus bewerkstelligen können. Christiakis hat gezeigt, dass die in einem Stadtteil, einer Region usw. wirkenden unausgesprochenen Werte und Haltungen eine sehr viel größere Wirkung ausüben als direkte erzieherische Eingriffe. Schule benötigt, um ihre Wirksamkeit zu erhöhen, den Aufbau eines vielfältig gestalteten Netzes von Partnern, um eine regionale oder kommunale Bildungslandschaft aufzubauen. Auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels bietet die Zusammenarbeit mit Kulturpartnern vielfältige, bislang ungenutzte Potenziale, um die Schule zum Kristallisationskern eines sich entwickelnden regionalen "Kreativen Feldes" zu machen.

7. Kulturelle Bildung – ein Weg zu umfassender Bildung und Persönlichkeitsentwicklung


Im Anschluss an Beuys' erweiterten Kunstbegriff hat Pasuchin gezeigt, dass durch das Zusammenfließen von künstlerischen und medialen Gestaltungsformen eine neue Perspektive für kulturelle Bildung entsteht: Beuys' erweiterter Kunstbegriff zielte ja darauf ab, Kunst aus dem Ghetto der Museen zu befreien. Indem er dazu aufforderte, die Rezeption und Produktion von Kunst für die Gestaltung des persönlichen Lebens und der sozialen Umwelt zu nutzen, wies er eine neue Perspektive. In analoger Weise geht es in der Medienpädagogik darum, Kompetenzen zu fördern, die sich darin unterstützen, mit Hilfe der Medien das persönliche Leben und die soziale Umwelt kreativ zu gestalten. Die Verbindung beider Bereiche, die durch das Web 2.0 möglich wird, erweitert den Spielraum für Partizipation. Indem kulturelle Bildung auch in anderen Bereichen den Trend zur Intermedialität vollzieht und gestaltet, eröffnet sie neue Möglichkeiten zu umfassender Beteiligung, Bildung und Persönlichkeitsentwicklung, die Schule nutzen kann.

Literatur

Burow, O.A.: Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural, Stuttgart 1999.

Ders.: Ich bin gut – wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen, Stuttgart 2000.

Ders./B. Pauli: Ganztagsschule entwickeln. Von der Unterrichtsanstalt zum Kreativen Feld, Schwalbach/Ts. 2006.

Flitner, A.: Reform der Erziehung, München 1992.

Florida, R.: The Rise of the Creative Class, New York 2002.

Hartmann, M.: Eliten und Macht in Europa, Frankfurt 2007.

Hentih, H.V.: Die Schule neu denken, München 1996.

Fuchs, M.: Kulturelle Bildung. Grundlagen – Praxis – Politik, München 2008.

Brodowski u.a. (Hrsg.): Informelles Lernen und Bildung für eine nachhaltige Entwicklung, Opladen 2009.

Pasuchin, I.: Thesen zur "Intermedialen künstlerischen Bildung". Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik. 9/2006, S. 1-6.

Prof. Dr. Olaf-Axel Burow ist Lehrstuhlinhaber für Allgemeine Pädagogik an der Universität Kassel im Fachbereich Erziehungswissenschaft und Humanwissenschaften. Im Rahmen seiner Forschungstätigkeit beschäftigt er sich mit dem Thema Kreativer Felder und der humanistischen Pädagogik.