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Neue Wege für die politische Bildung | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Neue Wege für die politische Bildung Projekte der kulturellen politischen Bildung bei der bpb

Sabine Dengel & Milena Mushak Dominic Sickelmann Milena Mushak Sabine Dengel

/ 12 Minuten zu lesen

Die bpb verfolgt das Ziel, möglichst viele Menschen für Angebote der politischen Bildung zu öffnen. Ein wichtiger Baustein ist die Auseinandersetzung mit aktuellen kulturellen Angeboten aller Sparten – von Film über Musik und Theater bis hin zu Performance oder Mode. Einige Beispiele von erfolgreichen bpb-Projekten.

Griechisches Nationaltheater Athen: Stalin – Eine Diskussion über das (griechische) Theater, 7. Festival Politik im Freien Theater (© bpb, M. Stafylidou)

Politische Bildung verfolgt das Ziel, Menschen zu autonomen und mündigen Staatsbürgern zu erziehen, indem Kenntnisse über das demokratische System vermittelt und Kompetenzen für demokratisches Handeln gestärkt werden – es geht also darum, Demokratie zu lernen.

Vor diesem Hintergrund befasst sich der folgende Beitrag mit der Programmatik der Stadtteil- und Soziokultur, weil diese junge Kultursparte vor rund 30 Jahren unter dem Motto "Kultur für alle" antrat, eine "Demokratisierung durch Kultur" bzw. "Demokratisierung der Kultur" voranzutreiben. Durch Strategien und Methoden der Kultur sowie durch die Eröffnung der Teilhabechancen an der Kultur sollte eine Demokratisierung der Gesellschaft insgesamt angestoßen werden.

Das Thema kulturelle Bildung wird zurzeit aus unterschiedlichen Gründen und Perspektiven breit diskutiert. Die Aktualität und Intensität dieser Debatte haben verschiedene Ursachen. Im Wesentlichen geht es dabei um den Versuch, einen angemessenen Umgang mit komplexen gesellschaftlichen Veränderungen zu finden, die auch die politische Bildung und ihre Träger vor neue Aufgaben und Herausforderungen stellen.

Die Veränderungsprozesse, auf die sie reagieren müssen, sind vielfältiger Art: die zunehmend heterogene Zusammensetzung der europäischen Gesellschaften durch Zuwanderung, das Auseinanderdriften der sozialen Milieus im Kontext sozioökonomischen Wandels, die Reformen der Bildungssysteme und -strukturen angesichts von PISA und Bologna, aber auch die Transformation der Geschlechterbeziehungen, der Rückgang politischer Beteiligung und abnehmendes politisches Interesse.

Hinzu kommt eine Medienlandschaft, die einerseits ein breitgefächertes Spektrum an Informationsmöglichkeiten und Partizipation bietet sowie eine enorme Geschwindigkeit und Aktualität, die aber andererseits unter diesem Druck teilweise Abstriche in punkto Qualität eingehen muss oder sich verstärkt Strategien wie Skandalisierung und Sensationalisierung bedient. Neue Kommunikationsmedien wie Twitter, Facebook oder Youtube beschleunigen die Verbreitung von Inhalten zwar in einem bisher nicht möglich gewesenem Ausmaß, erschweren die Verifizierung von Quellen und Nachrichten aber eklatant.

Ebenso unterschiedlich wie der gesellschaftliche Wandel sind die Herausforderungen, die sich daraus für die politische Bildungsarbeit ergeben. Klassische Felder wie Geschichtsvermittlung oder Erinnerungsarbeit müssen im Zuge der Einwanderungsgesellschaft neu gedacht werden. Veränderungen in der Mediennutzung müssen berücksichtigt und die Möglichkeiten neuer Medien – wie Computerspiele oder Onlineportale – in die politische Bildungsarbeit einbezogen werden. In der durch das Internet massiv angestiegenen Informationsflut gilt es, Orientierungspunkte zu schaffen, eine kritische Perspektive zu vermitteln und den Blick auf vermeintliche Fakten zu schärfen.

Zugleich benötigt die politische Bildung ein Instrumentarium, das der zunehmenden Vielfalt der Gesellschaft gerecht wird. Der Anteil 'politikferner' Zielgruppen wird nicht nur immer größer, sondern zugleich in sich heterogener. Dachte man vor einigen Jahren den Begriff 'politikfern' synonym mit 'bildungsfern' und assoziierte damit Menschen aus sozial benachteiligten Milieus, so präsentiert sich die Situation in der Gegenwart sehr viel differenzierter. Auch Bürgerinnen und Bürger mit relativ hohem Bildungsniveau sind nicht unbedingt automatisch politikinteressiert und stets tagesaktuell "auf dem Laufenden".

Darüber hinaus hat sich die Rezeptionskultur breiter Bevölkerungsschichten und -kreise verschoben. Nicht nur im Alltag von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen spielt Kultur – allem voran Musik, Film und unterschiedliche Unterhaltungsmedien – eine zentrale Rolle.

Bildungsinhalte und Angebote müssen gerade im Hinblick auf die knappe, zur Verfügung stehende Zeit der Menschen einen neuen Anstrich erhalten, um sich überhaupt gegen die Konkurrenz eines vielfältigen Freizeitangebots behaupten zu können. Insofern zählen Form und Verpackung immer mehr, während die Erwartungen an die Qualität von Inhalten ohnehin gleichbleibend hoch ist. Vor diesem Hintergrund ist es also bedeutsam, sich mit dem Erlebnisfaktor und Eventcharakter von Veranstaltungen politischer Bildung zu beschäftigen und diese entsprechend zu berücksichtigen, denn auch politische Bildung ist prinzipiell ein Produkt, das man der Kundschaft auf eine Art und Weise präsentieren muss, die ihr Interesse daran weckt. Kulturelle politische Bildung ist also durchaus auch als neue Werbe- und Marketingstrategie zu begreifen.

All diesen komplexen gesellschaftlichen Entwicklungen und den mit ihnen einhergehenden Herausforderungen muss sich eine bundesweit und modellhaft agierende Institution wie die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb in besonderem Maße stellen. Ihren Auftrag, das Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern und möglichst viele Bürgerinnen und Bürger zu motivieren und zu befähigen, sich kritisch mit politischen und gesellschaftlichen Fragen auseinanderzusetzen und aktiv am politischen Leben teilzunehmen, kann sie nur dann erfolgreich umsetzen, wenn es ihr gelingt, die Menschen mit ihren Angeboten zu erreichen. Vor diesem Hintergrund muss sie wie ein Seismograf neue Themen und zivilgesellschaftliche Impulse aufspüren und in attraktive, zeitgemäße Vermittlungsformate übersetzen. Vor diesem Hintergrund ist die bpb einem offenen Verständnis von politischer Bildung verpflichtet. Sie betrachtet insbesondere die Auseinandersetzung mit aktuellen kulturellen Angeboten aller Sparten – von Film über Musik, Theater, Literatur bis hin zu Performance oder Mode – als wichtige Voraussetzung sozialer Teilhabe und politischen Interesses.

Festival "Politik im freien Theater"


Ende der 1980er-Jahre startete die bpb erste Versuche, mit ihren Angeboten neue Zielgruppen zu erschließen und sich verstärkt am veränderten Freizeit- und Bildungsverhalten und den damit verbundenen Bedürfnissen der Endverbraucher zu orientieren. Zu diesem Zeitpunkt war der gesunkene Stellenwert der klassischen Vermittler politischer Bildung wie Parteien, Kirchen, Verbände bereits deutlich erkennbar.

Ebenso augenscheinlich war der Erfolg der an ihre Stelle getretenen nicht-organisierten Meinungsführer, Künstler und Intellektuellen, die sich ihren eigenen Wirkungskreis erschlossen, der zumeist im Freizeitbereich, fernab der Politik und der klassischen politischen Bildung angesiedelt war. Im Zuge dieses Wandels intensivierte nun auch die bpb ihr Bestreben sich zu öffnen, sich das künstlerisch-kulturelle Leben in der Gesellschaft für die politische Bildungsarbeit nutzbar zu machen.

Als einen wichtigen Bereich sah die bpb zunächst das Theater. Denn das Theater verstand und versteht sich seit jeher als ein Forum politischer Auseinandersetzung, in dem brisante zeitgeschichtliche Fragestellungen in unmittelbarer Art und Weise diskutiert und die Bedürfnisse, Wünsche und Ängste einer Gesellschaft offengelegt werden. Auch die immer stärker werdende Bedeutung der visuellen Wahrnehmung spielte bei der Entscheidung, das Theater als Instrument politischer Bildung zu nutzen, eine bedeutende Rolle.

Als Partner der bpb kam zum damaligen Zeitpunkt das institutionalisierte Theater, d.h. das hoch subventionierte Staats- und Stadttheater, nicht in Frage, da es als Meinungsführer nur noch eine sekundäre Rolle spielte. Es hatte sich weitgehend aus der Auseinandersetzung mit politischen Fragestellungen auf einen häufig puren Ästhetizismus zurückgezogen und verzeichnete überdies einen massiven Publikumsschwund. Demgegenüber hatte die Attraktivität "freier" Theater (oder Off-Theater), insbesondere bei jugendlichem Publikum sprunghaft zugenommen.

Freie Theater versuchten, sich sowohl politisch als auch ästhetisch zu profilieren, indem sie sich stärker als die Stadt- und Staatstheater an der Lebenswelt des Publikums orientierten und in den Inszenierungen deutliche politische und soziale Akzente setzten. Rückenwind erhielten sie damals durch neue soziale Bewegungen, bei deren Veranstaltungen und Aktionen sie häufig auftraten. Sie waren dabei nicht nur unterhaltsames Beiwerk, sondern Ausdruck und Manifestation einer alternativen Kulturpolitik und eines "anderen" Kunstverständnisses.

Diese Gegebenheiten veranlassten die bpb 1988 zur Ausrichtung des ersten Festivals "Politik im freien Theater". Erklärtes Ziel war die Präsentation von professionellen und ästhetisch herausragenden Produktionen des frei produzierten Sprechtheaters, die zur Beschäftigung mit aktuellen politischen und sozialen Themen anregten. Publikumsgespräche und flankierende Diskussionsreihen sollten zusätzlich zur intellektuellen Auseinandersetzung mit den eingeladenen Produktionen animieren. Außerdem sollte durch das Festival die Arbeit derjenigen Theatermacher unterstützt werden, die zu politischen Themen der Gegenwart Stellung bezogen und deren Engagement sich nicht in unverbindlichen modischen Trends erschöpfte.

Die unerwartet hohen Zuschauerzahlen, das außerordentlich breite Interesse an einem Theaterfestival, das sich ausdrücklich als politisch orientiert auswies, und emphatische Reaktionen seitens des Publikums sprachen für den Erfolg dieses Experiments. Unübersehbar trafen sich in diesem Forum die Interessen der politischen Bildungsarbeit mit denen der freien Theaterszene: das Werben um die ernsthafte Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fragen, die Suche nach einem offenen, pluralen Diskurs, der auch Schüler miteinbezog und sie über eine intensive Diskussion zur Auseinandersetzung mit den politischen Aspekten der jeweiligen Aufführungen zu bewegen vermochte.

Das von der bpb seit dem damaligen Zeitpunkt im Dreijahresturnus in stets wechselnden Städten veranstaltete Festival "Politik im freien Theater" hat sich im Laufe der Jahre zu einem der wichtigsten Theatertreffen in der freien Szene entwickelt. Auch heute noch – 20 Jahre später – ist das Festival eine Plattform für innovative, interdisziplinäre und genreübergreifende Produktionen, die auf künstlerische Weise Stellung zu aktuellen gesellschaftlichen Themen beziehen. Darüber hinaus knüpft die Ausrichtung des Festivals an einen Gedanken des französischen Film-Regisseurs Jean-Luc Godard an, der davon sprach, nicht politische Filme zu machen, sondern politisch Filme zu machen.

Dies beinhaltet nicht allein eine Handlungsanweisung zur gesellschaftlichen Veränderung vorzustellen, sondern Kunstwerke zu schaffen, die komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen gerecht werden, möglicherweise selbst eine politische Handlung darstellen. Darunter fallen insbesondere Formate, die auf einer Partizipation des Publikums beruhen. Das freie Theater hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt Formaten zugewandt, welche die gesellschaftliche Realität nicht nur in Form theatraler Zeichen abbilden, sondern die Realität unmittelbar auf die Bühne stellen oder zur Bühne machen. Zahlreiche Gruppen arbeiten mit nicht professionellen Schauspielern, mit "Komplizen" oder "Spezialisten" und holen so das vermeintlich "echte" Leben ins Theater. Andere verlassen die Bühne und begeben sich in den öffentlichen Raum. Oder sie mischen dokumentarisches Material mit Fiktivem. Dahinter steht die Suche nach neuen ästhetischen Mitteln, um einer veränderten gesellschaftlichen Realität gerecht zu werden.

Die Öffnung theatraler Prozesse in die Wirklichkeit, und damit die Aufhebung der Trennung von Kunst und Realität, hat den traditionellen Theaterbegriff in den vergangenen Jahren mehr und mehr in Frage gestellt. Die Geschichte des Festivals "Politik im freien Theater" ist im Laufe der Jahre zu einer Geschichte des Freien Theaters geworden. (Mehr Informationen unter Interner Link: www.bpb.de/politikimfreientheater)

Next Generation – Die Zukunft der Stadt


Neben dem "Politik im Freien Theater"-Festival, das von der Bundeszentrale alle drei Jahre ausgerichtet wird, kooperiert die bpb im Rahmen theatraler Modellprojekte auch mit renommierten Schauspielhäusern. Das Projekt "Next Generation – Die Zukunft der Stadt", das sie in Zusammenarbeit mit Ruhr.2010, dem Schauspiel Essen und dem Schauspiel Bochum initiiert, knüpft an die erfolgreiche Theaterarbeit "Homestories – Geschichten aus der Heimat" des Schauspiels Essen von 2005 an.

"Next Generation – Die Zukunft der Stadt" soll aber noch einen Schritt weitergehen. In "Zukunftshäusern" können Jugendliche aus der Ruhr-Metropole Visionen in Form von eigenen Projekten zur Zukunft ihrer Stadt und Region entwerfen: "Wie sieht der Ort aus, an dem wir leben? Und wie soll der Ort aussehen, an dem wir auch in Zukunft leben wollen?" Durch Beteiligung von Heranwachsenden sowohl aus dem Nordgürtel (Duisburg und Herne) als auch dem traditionell wohlhabenderen Süden des Ballungsraumes (Essen und Bochum) soll ein exemplarisches Panorama von Jugend in einer Stadt und Region im Wandel entstehen. In den miteinander zu vernetzenden "Zukunftshäusern" können die Jugendlichen – unterstützt von Filmemachern, Theaterleuten, Musikern, Künstlern und politischen Bildnern – eigene Ideen entwickeln und umsetzen. Auszüge und Ergebnisse werden in Zusammenarbeit mit Regisseur Nuran David Calis im Herbst 2010 auf die Bühne gebracht.

Gerahmt wird die Aufgabe der Jugendlichen durch die vier Themenbereiche Arbeit, Bildung, Kultur und Herkunft – Themen, die zentrale Bedeutung sowohl für die Perspektiven von Jugendlichen als auch für die Entwicklung der Gesellschaft haben. So gelungen diese vier miteinander in enger Beziehung stehenden Dimensionen zukünftig entwickelt und behandelt werden, so die These der Veranstalter, so zukunftsfähig wird eine Gesellschaft sein.

Dabei kommt das Konzept zum Tragen, Inhalte subtil zu vermitteln und Jugendliche indirekt, aber intensiv zur Auseinandersetzung mit komplexen gesellschaftlichen Phänomenen, die sie selbst und ihr unmittelbares Umfeld betreffen, zu motivieren. In einem aktiven und künstlerisch-kreativen Prozess der kulturell-politischen Bildung wird so den Jugendlichen eine Plattform geboten, sich selbst auszudrücken. Darüber hinaus wird nicht nur die Möglichkeit der Partizipation vermittelt, sondern auch die Notwendigkeit der aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft verdeutlicht, die das Fundament der Demokratie bildet.

schule@museum


Neben dem Theaterbereich hat die bpb zwischenzeitlich auch zahlreiche andere kulturelle Bereiche für die politische Bildungsarbeit erschlossen. Häufig entstehen im Rahmen künstlerisch-kultureller Modellprojekte neue, ungewöhnliche Partnerschaften, die langfristig gesehen zu spannenden und tragfähigen Netzwerken heranwachsen, die für alle Beteiligten vielfältige, teils auch durchaus überraschende Synergien bieten.

Das Wettbewerbsprojekt schule@museum der bpb, des Deutschen Museumsbundes, des Bundesverbandes Museumspädagogik und des BDK-Fachverbandes für Kunstpädagogik, in dem unterschiedliche Formate auf ihr kreatives kulturelles Potenzial getestet wurden, war bisher als offenes Labor zu verstehen.

2009 soll das Projekt in eine substanziell neue Phase eintreten: Ziel der neuen Ausschreibung ist es, bundesweit Schulen und Museen zu inspirieren, in Kooperation Modelle langfristiger und nachhaltiger Zusammenarbeit zu entwickeln, die geeignet sind, einen Beitrag zu einer qualitätsorientierten kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen zu leisten und Räume für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen zu öffnen.

16 miteinander zu vernetzende Tandems sollen die Gelegenheit erhalten, ihre im Austausch und mit fachkundiger Unterstützung entwickelten Strukturen erfolgreicher Zusammenarbeit längerfristig zu erproben. Die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I sollen innerhalb der Tandems federführend an der Konzept- und Netzwerkentwicklung beteiligt werden.

Die Idee hinter dem Projekt ist es, die Angebote von Museen den Wünschen und Vorstellungen junger Besucher/-innen anzupassen. Die Fragen lauten: Was wünschen sich Kinder und Jugendliche? Wie müssen Ausstellungen gestaltet werden, um ein junges Publikum zu binden? Jugendliche, sind schließlich die Museumsbesucher der Zukunft. Die Schülerinnen und Schüler einzubinden, ist eine Doppelstrategie, die eine Situation schafft, von der beide Seiten profitieren. Einerseits haben die Kinder die Möglichkeit, aktiv ein Angebot zu kreieren, das sowohl inhaltlich als auch in seiner Form perfekt den eigenen Idealen von Museumsarbeit entspricht, andererseits haben die Museen die Chance, durch den unmittelbaren Kontakt vom jungen Publikum zu lernen, wo Schwächen und Stärken in ihren bisherigen Konzepten liegen.

fashion@society – Modedesign, Jugendkulturen, soziale Identitäten


Das Erschließen neuer Bereiche und Zielgruppen ist eine permanente Zielsetzung, die für die Arbeit politischer Bildner charakteristisch ist. Gerade weil, wie bereits eingangs erwähnt, die klassischen Kategorisierungen "politikferner" Zielgruppen immer weniger greifen. Ein weiterer Versuch, ein gut ausgebildetes, junges und kreatives Publikum zu erreichen, das trotzdem politisch wenig interessiert ist, war das Symposium "fashion@society – Modedesign, Jugendkulturen, soziale Identitäten". Mit diesem Projekt widmete sich die bpb einem neuen Experimentierfeld der kulturellen Bildung und wagte sich erstmals an den Themenkomplex Mode und Politik heran.

Vielen Menschen erscheint Mode auf den ersten Blick als eine rein individuelle Ausdrucksform, als bloße Demonstration des persönlichen Geschmacks. Aber unsere Garderobe ist unabhängig von ihrer Herkunft – ob Haute Couture, Second-Hand oder Kleidung vom Textil-Discounter – nicht nur als bloße Stoffhülle zu verstehen, sondern hat darüber hinaus identitätsstiftenden Charakter. Sie ist ein Medium, mit dem zwangsläufig jeder Mensch tagtäglich aktiv und passiv konfrontiert wird. Kleidung ist der kulturelle Code eines Lebensgefühls, des sozialen Status, und nicht selten ist sie mit einer bestimmten Jugend- und Musikkultur verbunden, wie Klaus Farin, der Leiter des Archivs der Jugendkulturen anhand anschaulicher Beispiele verdeutlichte.

Neben Diskussionsrunden mit Modeprofis, wie der Kölner Designerin Eva Gronbach und Vorträgen von Experten wie Jeroen van Rooijen, dem Stilredakteur der Neuen Zürcher Zeitung, der den Einfluss der sogenannten Street-Style-Blogs auf die Modewelt erörterte, wurden auch Ergebnisse von Schülerworkshops gezeigt, in denen sich Jugendliche zum Beispiel kritisch mit den Bildern in Hochglanzmagazinen beschäftigten. Ein Schüler der Rütlischule in Berlin-Neukölln stellte das Sozialprojekt Rütliwear vor, bei dem die Jugendlichen selbst Motive entwerfen, sie auf Kleidungsstücke drucken und verkaufen.

Dorothea Melis, ehemalige Redakteurin der "Sibylle", der einzigen Modezeitschrift der DDR, zeigte nicht nur eine große Anzahl beeindruckender Fotos, sondern zeichnete anhand dieser auch die Schwierigkeiten und Probleme nach, mit denen kreative Modeschöpfer, aber auch Fotografen und modebegeisterte Menschen, unter dem sozialistischen Regime konfrontiert wurden. Die "Lifestyles" junger Muslime in Deutschland wurden ebenso thematisiert wie die Zusammenhänge der Mode, die Jugendliche tragen, und ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Milieu.

Anhand von Präsentationen, Ausstellungen, Podiumsdiskussionen und einem neuen, interaktiven Talkshowformat des Korsakow-Instituts zum Abschluss des Abends, wurde die Vielfalt und Bedeutung der Mode als ein kulturell-ästhetisches Zeichensystem mit gesellschaftlicher Relevanz offengelegt, als ein alltägliches Mittel, das sowohl für individuelle Identität als auch als Symbol von sozialer Abgrenzung und Zugehörigkeit von formativer Bedeutung ist.

Die Tagung wurde in Kooperation mit dem Goethe-Institut im Rahmen des 2009 zum zweiten Mal ausgeschriebenen Wettbewerbs für Nachwuchsdesigner "createurope: The Fashion Design Award" veranstaltet. Der Wettbewerb, getragen vom Goethe-Institut und EUNIC, hat sich zum Ziel gesetzt, die Kreativszenen über Europa hinaus zu vernetzen und einen intensiven interkulturellen Austausch zwischen angehenden Talenten und Mode(hoch)schulen nachhaltig zu fördern.

Mit dem Symposium schaffte es die bpb, nicht nur ein neues Themenfeld zu betreten, sondern auch die anvisierte und bis dato kaum in den Fokus der politischen Bildung genommene Zielgruppe zu erreichen: junge, kreative und künstlerisch veranlagte Menschen, deren Interessen üblicherweise eher Fashion, Design und Lifestyle als politische Bildung sind: 69,1 Prozent der Teilnehmer/-innen besuchten zum ersten Mal eine Veranstaltung der bpb, beinahe 90 Prozent gaben an, neue, interessante Erkenntnisse gewonnen zu haben.

Die positive Resonanz und der Erfolg sämtlicher Veranstaltungen, die im Bereich der kulturellen politischen Bildung bisher durchgeführt wurden, zeigen, dass sich die bpb auf einem guten Weg befindet. Sie profitiert von der eigenen Offenheit, sich mit neuen Entwicklungen mutig auseinanderzusetzen und Konzepte zu entwickeln, die sich eng an die Interessen der Bürgerinnen und Bürger anlehnen.

Projekte der kulturellen politischen Bildung bieten für die bpb Vermittlungsmöglichkeiten und Kommunikationswege, die sich an den aktuellen politischen und gesellschaftlichen Veränderungen orientieren. Sie ermöglichen es, neue Zielgruppen zu erschließen und an Inhalte der politischen Bildung heranzuführen. Aspekte der kulturellen Bildung erweitern und bereichern somit das Spektrum der Formate und Methoden der politischen Bildungsarbeit und werden es auch künftig in wachsendem Maße tun.

Dr. Sabine Dengel & Milena Mushaksind wissenschaftliche Referentinnen der Bundeszentrale für politische Bildung im Fachbereich Veranstaltungen, Dominic Sickelmann ist dort studentischer Mitarbeiter.