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Das Leben jenseits der 50 beflügelt die Fantasie | Kulturelle Bildung | bpb.de

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Das Leben jenseits der 50 beflügelt die Fantasie Demografischer Wandel

Gerda Sieben

/ 8 Minuten zu lesen

Veränderungen durch den demografischen Wandel wurden bisher vor allem im Zusammenhang mit den sozialen Sicherungssystemen diskutiert. Es ist aber auch eine kulturelle Frage, wie die Lebensspanne "Alter" aussehen kann.

Kulturelle Bildung ist auch für das Alter jenseits der 50 spannend. (© Dirk Vogel / VISUM)

Einleitung


Der "Demografische Wandel" ist in der öffentlichen Diskussion angekommen. Medien formulieren an prominenter Stelle Fragen rund um das Älterwerden der Gesellschaft. Die Antworten sind meist spekulativ und polarisiert, da wir erst am Anfang der Auseinandersetzung stehen. Während z.B. Frank Schirrmacher in seinem Buch "Das Methusalem-Komplott" die Altersdiskriminierung als subtile kulturelle Waffe der Jüngeren gegen die Älteren geißelt, liefern andere Untersuchungen Argumente für eine gegenteilige Vision: "Die Zeit" bringt das so auf den Punkt: "Über die Jungen scheint alles gesagt: doch die Lebensphase jenseits der 50 beflügelt die Fantasie." Stoff bekommen diese z.T. hochfliegenden Erwartungen durch zahlreiche positive Entwicklungen: Menschen werden nicht nur älter, sie bleiben auch für viele Jahre gesünder, beweglicher und neugieriger.

Viele der jetzt alternden Generation haben ihr Leben lang Neues geschaffen und eigene Lebens- und Kulturformen entwickelt. Viele verfügen über eine, im historischen Vergleich hervorragende Bildung und ein überdurchschnittliches Einkommen und sind dadurch auch eine interessante Kundengruppe. Soweit das erfreuliche Bild der Mehrheit. Andere kommen tatsächlich in einer Lebenssituation an, in der sich die Probleme des Alt-Seins manifestieren: sie sind allein, nicht mehr mobil, verarmt oder pflegebedürftig. Doch selbst bei den über 80-jährigen leben mehr als 90 Prozent selbstständig im eigenen Haushalt.

Kultivierung der dritten Lebensphase

Veränderungen durch den demografischen Wandel wurden bisher vor allem im Zusammenhang mit den sozialen Sicherungssystemen, der Pflege- und Gesundheitsvorsorge oder der Städteplanung diskutiert. Es ist jedoch im großen Maße eine kulturelle Frage, wie die auf mehr als 30 Jahre angewachsene Lebensspanne "Alter" mit ihren verschiedenen Entwicklungsphasen mit Sinn erfüllt werden kann. Wie verändert sich die Ausprägung von Lebenszielen und -stilen, Altersbildern und Normen? Verschiebt sich die Bedeutung der verschiedenen Lebensphasen, z.B. die primäre Orientierung auf das Berufsleben?

An dieser Auseinandersetzung sind Kunst, Medien und Kulturschaffende beteiligt – aber vor allem auch die älteren und jüngeren Menschen selbst. Kultur ist Werkzeug und Medium der Gestaltung der gewonnenen Lebenszeit und sie ist Ausdruck von Lebensqualität. Umso unverständlicher ist es, dass Kultur in diesem Zusammenhang bisher kaum genannt wird (etwa im neuesten Altenbericht). Kulturinstitutionen als öffentlich geförderte Dienstleister und als Moderatoren gesellschaftlicher Veränderungen sind herausgefordert, mit neuen Angeboten auf das veränderte Altersspektrum ihrer Besucher und Kunden zu reagieren. Eine wachsende Zahl künstlerisch aktiver älterer Menschen formuliert zeitgleich eigene Antworten – etwa in Altentheatern, Seniorenorchestern, Medienprojekten und Ateliers.

Kunst und Kultur als Instrument und Medium von Bildung und Entwicklung


Für die Entwicklung seniorenspezifischer Bildungsangebote stellen sich neue Fragen: Was wollen Menschen wissen, können und erfahren, um die zivilisatorische Errungenschaft des "Älter-Werdens" positiv nutzen zu können? Welche Entwicklungschancen für ein gelingendes Leben und den sozialen Zusammenhalt können durch kulturelle Bildung im Alter eröffnet werden? Kompetenzen zur Bewältigung des Alltags, eine möglichst lange Aufrechterhaltung und Erweiterung der produktiven Fähigkeiten und die Entwicklung kreativer Fähigkeiten im Selbstausdruck, und im Austausch mit anderen sind für einen Bildungskanon moderner Altenbildung unverzichtbar.

Hier bietet die kulturelle Bildung vielfältige Erfahrungs- und Reflexionsmöglichkeiten sowie ein eigenes Methodenspektrum. Im künstlerischen Handeln wachsen Respekt vor den Eigenarten des Materials, der Gegenstände, vor Themen und beteiligten Partnern. Das Erleben ganzheitlicher, sinnlich erfahrbarer Ausdrucks- und Lernformen ermöglicht Prozesse der (Selbst)Erkenntnis, der Begegnung und der Verständigung. Kulturelle Bildung befähigt so den einzelnen Menschen, komplexe Veränderungen nicht nur zu begreifen, sondern sich darin zu orientieren und sie aktiv zu gestalten.

Ausgehend von einem umfassenden Kulturbegriff, aber auch in der Fokussierung auf Kunstrezeption und -produktion, erweisen sich kulturelle Kompetenzen als wichtige Voraussetzungen, um allgemeine Bildungsziele wie Integration, Partizipation, Selbstvergewisserung, Orientierung, Selbstausdruck, Kommunikation, Kritik- und Gestaltungsfähigkeit zu entwickeln. Auch der Deutsche Kulturrat bekräftigt dies, z.B. in Positionspapieren des Kulturrates und der Sektion Soziokultur und kulturelle Bildung zum demografischen Wandel 2006 und 2007.

Kulturelle Bildung im Alter: Entwicklung der Persönlichkeit unterstützen

Kunst und Kultur sind, wie im Bereich der kulturellen Kinder- und Jugendbildung vielfach nachgewiesen, zentrale Sozialisationsfaktoren und "Werkzeuge des Weltzugangs". Dies gilt auch in den Entwicklungsphasen der zweiten Lebenshälfte. Auch hier werden Menschen mit Veränderungen, Zuschreibungen und biografischen Wendepunkten konfrontiert und zu Anpassungsprozessen herausgefordert. Zudem verlangt die anwachsende Lebenserfahrung und die schrumpfende Lebenszeitperspektive nach neuen Integrationsleistungen, veränderten Handlungsstrategien und provoziert die Infragestellung und Neugewichtung von Werten und Lebenszielen. Kunst und Kultur können dazu beitragen, diese Veränderungsprozesse, Fragestellungen, Emotionen und Widersprüche mit den besonderen Mitteln aus Kunst und Kultur zu thematisieren, zu kommunizieren und einer Auseinandersetzung zugänglich zu machen.

Während Bildungsanstrengungen in früheren Lebensabschnitten vor allem als Orientierung auf das Erwachsenenleben abzielen oder sich auf Veränderungen innerhalb des Berufsalltags beziehen (Weiterbildung), fällt die Lebensphase "Alter" aus diesem Begründungszusammenhang heraus. Hier entstehen neue, bisher wenig erforschte Lernsituationen und Motivationen. Zwischen der Freiheit von der konkreten Verwertbarkeit des Wissens im Beruf, der Schere im Kopf, was im Alter wohl noch erlernbar ist und was sich "noch lohnt", dem Bedarf an Anpassungswissen an neue Kulturtechniken (Internet) oder an Kulturformen zur Bewältigung von Krisen (Trauerarbeit) gibt es ein breites Feld von Lernanlässen und Bildungsinteressen.

Grenzen intergenerativer Modelle – genuine Bildungsinteressen Älterer

Die große Resonanz auf die Möglichkeit eines Seniorenstudiums macht deutlich: Viele ältere Menschen wollen auch Anspruchsvolles lernen und sie wollen dies gerne gemeinsam mit Jüngeren tun. Lernziele und Interessen sind jedoch verschieden. Ältere bereiten sich nicht auf den Arbeitsmarkt vor, sie haben weniger Zeitdruck, sie haben andere Fragen und integrieren das neue Wissen auf andere Wiese in ihren Erfahrungsschatz und in ihr Leben als junge Menschen. Diese unterschiedlichen Bildungserwartungen und Ziele führen immer wieder auch zu Konflikten. Dass solche Konflikte auch produktive Lernanlässe sein können, zeigen viele intergenerative Projekte. Dennoch kann die Unterschiedlichkeit der Lernmotivationen und Ziele häufig nicht geleugnet werden.

Die Vielzahl von selbst - organisierten Bildungsformen zeigt, dass ältere Menschen mit einem guten Bildungshintergrund zunehmend ihre Bildungsinteressen auf der Basis eigener Ressourcen umsetzen. Individuell oder im Freundeskreis werden vorhandene Kulturinteressen gepflegt und ausgeweitet. Viele betätigen sich als Kulturvermittler. Sie gründen kulturtouristische Gruppen, Diskussionszirkel, Mediengruppen und Kunstwerkstätten. Andere arbeiten freiwillig in kulturellen Zusammenhängen und genießen hier die Chance zu intergenerativen Erfahrungsmöglichkeiten.

Auch der Boom der Seniorenakademien belegt dies. Volkshochschulen, private Anbieter und soziokulturelle Träger reagieren auf diesen Trend, Sie greifen Ideen auf und integrieren sie in ihre Angebotspalette. Vielleicht ist diese Situation vergleichbar mit der kulturellen Jugendbildung, die sich in den 70er Jahren mit den entstehenden autonomen Jugendzentren und der Vielfalt der neuen Aktivitätsformen auseinandersetzen musste und hier methodisch, didaktisch, aber auch in Bezug auf Formate und Inhalte profitiert hat.

Kaum entwickelt sind derzeit noch Angebote kultureller Bildung für ältere Menschen aus weniger bildungs- und kulturnahen Kreisen. Dazu gehört auch die bisher nur punktuell entwickelte Orientierung auf die wachsende Zahl älterer Migrantinnen und Migranten.

Forschungs- und Entwicklungsbedarf

Im Gegensatz zur kulturellen Jugendbildung ist kulturelle Altenbildung noch wenig beforscht und organisiert. Ungenau ist u.a. die Kenntnis über die Kompetenzen und Lebensstile der verschiedenen Gruppen der Menschen zwischen 55 und 100 Jahren. Ebenfalls ungenau sind die Kenntnisse über inhaltliche Interessen und angemessene Formen der Ansprache und Vermittlung. Das Entstehen der Fachrichtung "Geragogik" (pädagogische Zuwendung zu älteren Menschen) weist auf dieses neue Forschungsfeld hin.

In Deutschland gibt es seit Ende der 1980er Jahre Ansätze, ein entwicklungsorientiertes Verständnis von Alter in der kulturellen Bildung umzusetzen. Zu dieser Zeit hat das Institut für Bildung und Kultur neue künstlerische Wettbewerbe (Fotografie, Literatur) für ältere Menschen durchgeführt und erstmals ein Handbuch zur Seniorenkulturarbeit entwickelt. Die Volkshochschulen haben sich zu der Zeit ebenfalls konzeptionell neu orientiert. Viele Altentheater sind seither entstanden und greifen biografische Themen auf. Auch in den Bereichen Fotografie und Video gibt es eine Vielzahl von Aktiven, die sich schwerpunktmäßig mit den eigenen Erfahrungen auseinandersetzen.

Die kulturelle Bildung, die sich im Jahr 2005 in einer Welt mit globalisierter Kulturszene, neuen Diskursen und Medien bewegt, ist herausgefordert, die "neuen Generationen" der Älteren mit einem gewachsenen Selbstbewusstsein, höherem Bildungsgrad, wachsenden Männeranteil und einem wachsenden Anteil von Singles und Migranten in ihren Forschungsfragen und Angeboten zu berücksichtigen. Auch aus den neuen Erkenntnissen der Gerontologie, Psychologie und Lernforschung resultiert ein enormer Forschungs- und Entwicklungsbedarf für die (kulturelle) Bildung.

Kulturelle Bildung braucht die lebendige Kunst- und Kulturpraxis

Ähnlich wie die Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (BKJ) eine positive "Kultur des Aufwachsens" beschreiben kann, gilt es jetzt, eine positive Kultur des "Alt Werdens" zu formulieren. Beide stehen zudem in einem engen Zusammenhang, denn, je besser die kulturelle Grundbildung im Jugendalter, je intensiver sie im Erwachsenenalter gepflegt und fortentwickelt wurde, desto größer die Chance, auch im Alter mit diesen Kompetenzen das Leben positiv zu gestalten.

Nicht zuletzt gilt es zu berücksichtigen, dass kulturelle Bildung bei allen guten Konzepten den Kontakt und den unmittelbaren Austausch mit der lebendigen Kunst- und Kulturszene braucht. Prozesse kultureller Bildung entfalten ihre besondere Wirksamkeit in der Spannung zwischen den Zielen und der Dynamik des künstlerischen Prozesses (Orientierung an der künstlerischen Qualität des Produktes, des Ausdrucks, der Nutzung künstlerischer Verfahren) und den Zielen und der Dynamik des pädagogischen Prozesses (Orientierung an Zielen der Persönlichkeitsentwicklung, Lebensweltbezug, Chancengleichheit)

In der Praxis kultureller Altenbildung geht es sowohl um die Förderung aktiver älterer Künstlerinnen und Künstler, als auch um die Anbindung von Laiengruppen an professionelle Unterstützerinnen und Unterstützer. So arbeiten z.B. viele Seniorentheater mit professionellen Regisseuren, das Landestheater Moers hat unter professioneller Leitung ein Theaterstück mit Demenzkranken entwickelt, Laienmusikensembles leisten sich eine ausgebildete Chorleitung, der Bundeswettbewerb Video der Generationen bietet von Medienprofis geleitete Workshops an. Hier können gute Erfahrungen, aber auch methodisches oder organisatorisches Know-how aufgegriffen und vermittelt werden. Nachfragen nach solchen Kompetenzen z.b. für Kunst- und Musikpädagogen werden vermehrt an die ausbildenden Hochschulen und den Weiterbildungseinrichtungen der kulturellen Bildung gerichtet.

Notwendig: Kooperationen und Erfahrungsaustausch

Notwendig ist daher die Entwicklung von konkreten Bildungsmodellen und spezifischen Vermittlungsformen künstlerischer Techniken in allen Kunstsparten. Notwendig sind neue Formen der Kulturvermittlung von und für ältere Menschen mit eigenen Methoden und Formaten. Auch wenn es bereits vereinzelt neue Formate und Lernformen gibt, werden sie bisher zu wenig systematisch erprobt oder evaluiert. Ein erster Schritt in diese Richtung kann gelingen, wenn die Akteure der kulturellen Bildung Erfahrungen intensiver austauschen und Perspektiven entwerfen. Kulturelle Altenbildung sollte auch mit anderen Bildungsbereichen enger verzahnt werden, z.B. mit der beruflichen Bildung/Erwachsenenbildung, den Bildungsangeboten für zivilgesellschaftliches Engagement oder der Gesundheitsbildung.

Eine engere Vernetzung der verschiedenen Akteure kultureller Altenbildung, Träger und Multiplikatoren, Älteren Menschen, Künstlerinnen und Künstler wird vielerorts nachgefragt. Das Institut für Bildung und Kultur e.V. an der Akademie Remscheid bietet mit dem 2006 gegründeten "Europäischen Zentrum für Kultur und Bildung im Alter", kubia eine Plattform mit Projekten, Informationen, Beratungs- und Weiterbildungsangeboten zum Thema Kultur und Alter an. Vernetzungen, etwa "mehrkultur55plus" aus NRW und das europäische Netzwerk "age-culture.net" werden hier gebündelt.

Der Text wurde veröffentlicht in: PUK Politik und Kultur, Zeitschrift des Deutschen Kulturrates, Nov.Dez. 2005.

Fussnoten

Erziehungswissenschaftlerin und Kunsttherapeutin. Sie leitete von 1994 bis 2007 das Institut für Bildung und Kultur an der Akademie Remscheid. Seit 1. Oktober 2007 ist Sieben Leiterin des JFC Medienzentrums in Köln.