Franziska Mucha, Doktorandin an der Universität Glasgow, erforscht unter anderem digitale Partizipation in der Museumspraxis in Form von Crowdsourcing, also dem Ansatz, das Wissen und die Ideen von möglichst vielen Beteiligten zu nutzen. Zuvor arbeitete sie als Kuratorin am Historischen Museum Frankfurt, an dem sie die Aufgabe hatte, digitale Museumspraxis als Querschnittsaufgabe strategisch, praktisch und userorientiert zu entwickeln.
Projektbeispiel: Stadtlabor Digital
Das Historische Museum Frankfurt sammelt gemeinsam mit vielen Userinnen und Usern im Stadtlabor Digital selbstproduzierte Beiträge über Frankfurt. Die Bewohnerinnen und Bewohner von Frankfurt werden dabei zu Expertinnen und Experten für ihre Stadt: Ein Ansatz für partizipative Museumsarbeit. Seit 2010 setzt das Museum Co-kreative Ausstellungen um. Seit 2017 ist das Stadtlabor Digital online und auch im Museum zu finden.
Auf eine Karte können Audio-, Video-, Bild- und Textbeiträge hochgeladen und mit der Community geteilt werden. Die Beiträge werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Museums freigeschaltet. So entsteht eine wachsende, kollaborative Sammlung von ortsspezifischem Frankfurt-Wissen. Eine wechselnde Auswahl der Beiträge wird auch in der Dauerausstellung „Frankfurt Jetzt!“ gezeigt.
Die Plattform Stadtlabor Digital entstand in einem mehrstufigen partizipativen Entwicklungsprozess. Auch die Entstehung der Beiträge gestaltete sich als komplex, so Mucha. Aus diesem Grund war eine Zusammenarbeit mit Medienexpertinnen und -experten Voraussetzung des Konzeptes. Das Projekt sei kein Selbstläufer. Um die Frankfurterinnen und Frankfurter zum Mitmachen anzuregen, brauchte es ein Netzwerk und Formen der Aktivierung wie Workshops und Einführungen. Die Gruppe der Beteiligten an solchen Partizipationsprojekten werde im Verlauf der Arbeit immer kleiner und beschränke sich in der Regel auf diejenigen, die letztlich die Zeit aufwenden und über die entsprechenden technischen Mittel verfügten. Um das fluide implizite Erfahrungswissen greifbar zu machen, werde digitales Storytelling als Werkzeug eingesetzt, zur Gestaltung brauche es aber auch an dieser Stelle externes Expertenwissen, so Mucha.
Reflektierend führte Mucha aus, dass das Projekt aus dem Verständnis einer Museumslogik heraus entstanden sei, also in seiner Bewegungsrichtung von Innen nach Außen heraus gedacht sei. Gestellt werden müsse jedoch zusätzlich die Frage, was die Menschen draußen eigentlich interessiere, was an ihren Alltag anknüpfen würde und wie mit Hilfe von digitalen Tools umfassendere Partizipation ermöglicht werden könnte.
Projektbeispiel: Coding Da Vinci
Der Coding DaVinci Kultur-Hackathon wurde 2014 gegründet von digiS, Wikimedia Deutschland, der Open Knowledge Foundation und der Deutschen Digitalen Bibliothek. Ein Hackathon kombiniert die Worte Hacking und Marathon. Coding da Vinci vernetzt die Kultur- und Technikwelt miteinander und soll zeigen, welche überraschenden Möglichkeiten in offenen Kulturdaten stecken.
Bei einem Kick-off-Wochenende treffen sich die Beteiligten in einem realen Raum. Hier lernen sich kultur- und technikaffine Teilnehmerinnen und Teilnehmer kennen und entwickeln gemeinsam erste Ideen, was man mit den Kulturdaten machen könnte. Kulturinstitutionen aus Deutschland nehmen als Datengeber am Kulturhackathon teil. Das bedeutet, sie stellen eigene Bilder, Sounds, 3D-Objekte, Videos und Metadaten dauerhaft unter einer offenen Lizenz zur uneingeschränkten Nutzung zur Verfügung und geben so die Kontrolle über die Weiternutzung an die Öffentlichkeit. In einer sechs- bis achtwöchigen Sprintphase entwickeln Teams aus Hackerinnen und Hackern gemeinsam mit Kulturinstitutionen die Ideen weiter zu funktionierenden Prototypen, etwa für Apps, Webseiten, Datenvisualisierungen, Spiele oder interaktive Installationen, die überraschende und inspirierende Wege zeigen, wie Sammlungsobjekte von Institutionen auf neue Weisen vermittelt und genutzt werden können. Am Ende stehen eine Präsentation und Preisverleihung. Alle Ergebnisse – vom Quellcode bis zu Bildern – werden der Öffentlichkeit unter freien Lizenzen zur Verfügung gestellt.
Mucha fasste zusammen, dass Hackathons den spezifischen Rahmen bieten, um solche Nutzungen auszuprobieren und so einen Möglichkeitsraum für spekulatives Design schaffen können. Sie versteht das Hackathon-Prinzip als eine Form der materiellen Partizipation. Dabei müsse nicht immer eine Coding- Expertise vorhanden sein, auch analoges Material sei durchaus für ein solches Format zu nutzen. Der Grundgedanke müsse jedoch erhalten bleiben: Man stellt Ergebnisse und Produkte unbeschränkt zur Verfügung, setzt ggf. ein Rahmenformat, gibt jedoch die Kontrolle über die weitere Nutzung und Entwicklung darüber ab.
Franziska Mucha konstatierte, dass wir in einer postdigitalen Welt leben – nicht als Zeit „nach der Digitalisierung“, sondern in einer Zeit, in der Hybride normal seien. Digital und analog überlagerten sich im Alltag. Kultur-Hackathons ermöglichten einen anderen Blick auf Kultur, indem die Daten aus dem Kontext der Institution herausgelöst werden. Es entstehe ein kreativer Remix, bei dem die Institutionen keine alleinige Deutungshoheit hätten – dabei könne es auch zu nicht-gewollten Ergebnissen kommen, aber auch das sei in der Logik des Formates akzeptabel und gewollt.
Weitere Informationen:
Externer Link: Historisches Museum Frankfurt - Stadtlabor Digital
Externer Link: Coding DaVinci