Grundlagen der Spieleentwicklung
Marcel-André Casasola-Merkle führte kurz in das Spannungsfeld der drei Elemente der Spieleentwicklung Thema-Mechanik-Dynamik ein.
Herausforderungen
Die Teilnehmenden formulierten zu Beginn Fallstricke oder Herausforderungen, denen sie in ihrer eigenen Praxis der Entwicklung von Spielen oder spielerischen Methoden bereits begegnet sind und die sie gern im Laufe des Workshops thematisieren würden und notierten diese auf weißen Karten. Beispiele: Spannungsbogen halten, Roter Faden, Freiheit vs. Anleitung, Spiel überlagert Story, nicht zu kompliziert werden.
Thema
In einer zweiten Runde benannten die Teilnehmenden Themenideen für Spiele, die im weitesten Sinne mit "Raum" zu tun haben (Notiz auf gelben Karten). Beispiele: Stadtplanung, Wohnen in Smart Cities, Netzpolitik, Orte der Jugend, Regeln im öffentlichen Raum.
Dynamik
Die Teilnehmenden hatten anschließend die Aufgabe, die möglichen Dynamiken der jeweiligen Themen zu beschreiben. Die Kernfragen der Dynamik sind: Was passiert bei dem Spiel zwischen den Spieler/-innen, welche Emotionen entstehen? Was treibt das Spiel an?
Geht es zum Beispiel darum, sich zu verbünden gegen den Führenden (Siedler von Catan), oder darum, mächtig zu werden (Monopoly), oder geht es darum sich zu ärgern und verlieren zu lernen (Mensch ärgere dich nicht)? Die Themen-Karten wurden gemischt und neu verteilt, so dass die Teilnehmenden sich jeweils mit dem Themenvorschlag von anderen Teilnehmenden befassten.
Regeln (brechen)
Im nächsten Schritt wurden bekannte Spiele bzw. Regeln genannt und überlegt, wie man jeweils eine Regel brechen oder verändern könnte, um zu einer neuen Spielidee zu kommen. Beispiele: Unordnung statt Muster, Brechen physikalischer Regeln, Ändern der traditionellen Spielreihenfolge, Kommunikation stören, Starten mit unterschiedlichen Voraussetzungen, geheimer Verräter.
Mechanik
Am Beispiel des Spiels "Die Werwölfe von Düsterwald" wurde ein Spielmechanismus beleuchtet und eine Veränderung durchdacht, die das Spiel verändert. Leitfrage: Wie musst du die Mechanik deines Vorbild-Spiels ändern, damit es zu deiner Dynamik passt?
Die Karten wurden wiederum neu gemischt. In der Mittagspause sollten die Teilnehmer/-innen einen Mechanismus für ihre Spielideen entwickeln.
Themenauswahl
Die Teilnehmenden konnten sich dann für die Entwicklung einer bestimmten Spielidee entscheiden. Es entstanden zwei Gruppen, die jeweils ein Spiel entwickelten. Maßgabe war, das Spiel mit einfachen Mitteln umzusetzen – in diesem Fall mit Karten, ohne weitere Hilfsmittel.
Die Spiele
Im Workshop entstanden zwei Kartenspiele, die im weitesten Sinne mit Internet und Politik zu tun haben.
Transfer
Zum Thema Netzneutralität entstand das Spiel "Transfer". Die Spieler/-innen erhalten Karten mit Buchstaben in einer bestimmten Farbe, die zusammen je ein Wort ergeben. Sie leiten diese zu ihren je gegenübersitzenden Mitspieler/-innen weiter, so dass diese möglichst bald das Wort erraten können. Wer zuerst das Wort errät, hat gewonnen – soweit die Theorie. Im übertragenen Sinne soll es um Datenübertragung im Internet gehen. Unter den Spieler/-innen sitzen allerdings zwei "Lobbyist/-innen" der Telekommunikationskonzerne – was die Mitspieler/-innen jedoch nicht wissen. Diese leiten die Karten der einen Farbe schneller, die anderen langsamer weiter und fügen Spam-Karten ein, so dass ein unfairer Wettbewerb entsteht. Dies macht sich nach einigen Spielrunden bemerkbar und führt bei den Benachteiligten zu Frustration und Irritation ("In dem Spiel ist ein Fehler! Hier kommen gar keine blauen Karten mehr an!"), während die anderen Buchstaben sammeln und ihre Begriffe erraten können. Das Spiel vermittelt auf unterhaltsame Weise ein Gefühl dafür, was passiert oder passieren kann, wenn die Neutralität der Netze aufgehoben wird. Es kann als Einstieg oder Anreiz für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Thema dienen.
Interner Link: Spielbeschreibung
Sharing is Scaring
Angelehnt an das Spielprinzip des Werwölfe-Spiels entstand "Sharing is Scaring", das sich mit der Verbreitung von Falschmeldungen in sozialen Netzwerken beschäftigt. In der Runde von sieben bis zehn Mitspieler/-innen gibt es zwei Faker, der Rest sind User.
Der Spielleiter trägt in mehreren Spielrunden Nachrichten vor, von denen die User entscheiden sollen, ob sie sie für wahr halten und weiter teilen (share) möchten, oder nicht. Nur die Faker erfahren (in den Nacht-Phasen), ob die Nachrichten Fakt oder Fake sind und versuchen, die User in einer Diskussionsrunde (Tag-Phase) dahingehend zu beeinflussen, dass sie für den Fake stimmen, also Fakes weiterverbreiten und Fakten nicht. Die Faker gewinnen, wenn die Mehrzahl der User bei der Mehrzahl der Abstimmungen in ihrem Sinne stimmt. Dabei müssen sie vorsichtig vorgehen, denn wird bereits zu Beginn des Spiels deutlich, wer Faker ist, können die User die Diskussionen entsprechend beobachten und Rückschlüsse auf ihr Abstimmungsverhalten ziehen.
Die Themen der Nachrichten müssen dabei nicht unbedingt aus dem politischen Spektrum kommen. Im Prototyp waren es beispielsweise skurrile Meldungen aus der Tierwelt (Beispiele: "Der allererste Baseball war aus einem toten, getrockneten Gürteltier zusammengenäht"; "Schildkröten können auch durch ihren Po atmen"; "Das Einhorn ist ein Nationaltier Schottlands"). Die Funktionsweisen von bewussten Falschmeldungen und der Beeinflussung anderer User werden im Spiel deutlich und bieten im Anschluss viel Anlass zu Gesprächen.
Interner Link: Spielbeschreibung
Interner Link: Spielkarten
Reflexion des Spieleentwicklungsprozesses
In einer ersten Reflexionsrunde wurden die Spiele und der Entwicklungsprozess noch einmal mit den gesammelten Herausforderungen aus der Anfangsphase des Workshops abgeglichen. Betont wurden folgende Aspekte: "Simplify your game" - Es wird oft zu groß gedacht, was man vermitteln möchte. Es ist besser, sich auf einen Aspekt zu beschränken und so konkret wie möglich zu werden. Es empfiehlt sich, so wenige Regeln wie möglich aufzustellen. Pausenzeiten gehören zum kreativen Prozess.