Projektbeschreibung
Hipster, Punk, Schickimicki, Discoproll und Antifa – fünf großformatige Gruppenbilder in Szene gesetzter Jugendkulturen stehen elf stillen Einzelportraits gegenüber. Das ist das Ergebnis des partizipatorischen Fotoprojekts mit 15 Schüler/innen der Oberschule am Leibnizplatz Bremen. Auf Basis umfangreicher Recherchen zum Thema Jugendszenen erarbeiteten die Jugendlichen Rollen, in die sie selbst gern kurzzeitig schlüpfen wollten. Anschließend setzten die ProtagonistInnen ihre Bildideen fotografisch um. In einem zweiten Teil entstand eine kontrastierende Portraitserie der teilnehmenden Jugendlichen. Die Jugendlichen fotografierten sich jeweils gegenseitig: mutig, mit Spaß und in enger medienedukativer Begleitung.
Projektstruktur
Das Projekt hat als Halbjahresprojekt stattgefunden: Info- und Auftaktveranstaltungen wurden nachmittags in der Schule durchgeführt, die konkrete Umsetzung fand an zwei Wochenenden im Atelier vom Kunsthaus KUBO sowie in einer kompakten Ferienwoche im großzügigen Künstleratelier am Künstlerhaus Güterbahnhof Bremen statt. Bisher konnten folgende Ausstellungen realisiert werden: Güterbahnhof OPEN 2013, Museum Weserburg, galerie mitte im KUBO. Es sind weitere Ausstellungen in Planung, bspw. in der Zentralbibliothek Bremen im Januar 2016.
Das Projekt kann in folgende Module unterteilt werden:
Info- und Auftaktveranstaltungen
Vorbereitungen I: inhaltliche Annäherung, Recherchen und kunstgeschichtliche Exkurse
Vorbereitungen II: Festlegung der Motive, Organisation, Styling, Requisiten etc., Einführung in Portrait-/ Gruppenfotografie
Umsetzung
Ausstellungen: Konzeption, Öffentlichkeitsarbeit, Aufbau und Begleitung
Projetkteilnehmende
Die Gruppenzusammensetzung war altersübergreifend und heterogen angelegt, Jugendliche aller sozialer Schichten und kultureller Hintergründe waren angesprochen. Die Teilnahme war freiwillig, wurde in die Kunst-AG der Oberschule integriert und als Leistung im Zeugnis vermerkt.
Zielgruppe waren Jugendliche der Oberschule im Alter von ca. 15 bis 21 Jahren (Jahrgänge 9 bis 13). Das Thema und das Medium des Projekts bieten hohe Identifikationsmöglichkeiten für Jugendliche, auch für sog. bildungsferne Jugendliche und orientiert sich an den Interessen von Jugendlichen, die sich als Expert/innen in eigener Sache erleben konnten.
Das Projektteam bildeten eine Oberstufenlehrerin des Fachbereichs Kunst, eine Kunstvermittlerin aus einer Kultureinrichtung und eine selbständig tätige Künstlerin/Kunstvermittlerin aus Bremen, deren fachliche Kompetenzen den Rahmen für die hohe Qualität des Projekts lieferten. Die Oberschule brachte Personalkosten und Ressourcen als Eigenleistung in das Projekt ein, die Kultureinrichtung KUBO zusätzlich Räume, Ressourcen und Infrastruktur. Die Künstlerin Andrea Lühmann hat u.a. das professionelle Kameraequipment miteingebracht. Alle vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen wurden so ökonomisch wie möglich eingesetzt. Die Projektleiterinnen hatten in unterschiedlichen Konstellationen vorher bereits zusammengearbeitet. Die Idee, zum Thema Jugendszenen zu arbeiten, wurde durch Jugendliche aus vorangegangenen Projekten inspiriert.
Projektinhalt
Das Projekt rückt die Lebenswelten der jugendlichen Teilnehmer/innen in den Mittelpunkt und macht sie selbst zum Gegenstand der Betrachtung: Jugendliche imitieren Jugendszenen oder -kulturen. Je nach Zu- oder auch Abneigung schlüpfen sie in die Rollen von Punks, Hipstern, Antifa oder anderen (Sub-)Kulturen inklusive Kleidungsstil, Gestik, Mimik, Accessoires. Diesen Inszenierungen stehen die Portraits jeder/s Jugendlichen gegenüber, so wie sie alltäglich aussehen bzw. wie sie als "natürlich" erscheinen wollen. Mode ist ein wichtiger Teil dieser Inszenierung und wurde vor den Shootings genau diskutiert: was ist authentisch und was nicht? Was schafft Individualität oder eben Zugehörigkeit? Wo ist die Grenze zwischen modischem Look und Szenezugehörigkeit? In welchem Verhältnis stehen Lebensinhalt, Werte und Überzeugung mit den gewählten Outfits? Grundlage war die intensive Beschäftigung mit aktuellen Jugendszenen. Die Ergebnisse zielen auf die Auseinandersetzung mit sozialer Identität und Zugehörigkeit ab: Wer gehört warum zu welcher Szene? Sind unsere Identitäten flexibel, variabel und nicht zuletzt käuflich?
AuszugJuryvotum Kinder zum Olymp! 2014
Wer wir sind, zu wem wir gehören und wie wir uns fühlen, zeigen wir durch unsere Konsumgewohnheiten. Der Erwerb und Gebrauch von Produkten, die mit sozialer Bedeutung aufgeladen sind, bringt unser Befinden zum Ausdruck. Dies gilt für Anarchisten, Klimaaktivisten und Sozialkritiker genauso wie für angehende Dax-Vorstandsmitglieder; für Jugendliche genauso wie für Erwachsene. Nicht nur müssen wir heute kompetent im Dechiffrieren der relevanten sozialen Codierungen sein - wer trägt was warum? - sondern wir sollten und auch keine Fehler bei der Zurschaustellung des Ichs leisten. Die großformatigen Fotografien der Bremer Oberschüler/innen sind perfekte Inszenierungen der perfekten Inszenierungen. Sie lassen zu, dass wir selbst die richtigen Schlüsse ziehen. Als Hilfestellung zum Denken haben wir ‚nur‘ die kontrastierenden Portraits der am Projekt teilnehmenden Jugendlichen, die diese im Alltagsoutfit zeigen. Gibt es vielleicht doch so etwas wie Individualität? Gibt es etwas, für das es kein Skript gibt?
Methoden und Ziele
Kern des Projekts ist dabei die Berührung mit Bildender Kunst, dem Einnehmen einer künstlerischen Haltung und die Begegnung mit dem Medium Fotografie in Abgrenzung zum schnelllebigen Massenmedium. Ziele waren darüber hinaus: die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Jugendkulturen und deren Images, das Ermöglichen eines hohen Grads an Partizipation bzw. Beteiligung der Jugendlichen fernab des schulischen Bewertungssystems, Spaß an aktiver kultureller Produktion und fotografischer Inszenierung wecken, Reflexion der eigenen Identität und der sozialen Identität, das Fördern von Gruppenprozessen und Stärken der Medienkompetenz.