Das länderübergreifende Vernetzungsprojekt "world-wide-wool.net" fördert die Auseinandersetzung mit der textilhandwerklichen Tradition der EUREGIO Maas-Rhein und bringt in vielfältigen Schulprojekten Kinder und Künstler/innen verschiedener Sparten zum gemeinsamen Arbeiten.
Projektbeschreibung
Die EUREGIO Maas-Rhein ist eine länderübergreifende, durch die jahrhundertalte Tuchmachergeschichte geprägte Region. Diesen Hintergrund greift das komplexe, interdisziplinäre Vernetzungsprojekt world-wide-wool.net auf, indem es generationenübergreifend und interregional die Auseinandersetzung mit der textilhandwerklichen Tradition fördert und anregt. In vielfältigen Schulprojekten und Kooperationen wurden Kunst, Unterricht und kulturhistorische Fakten verbunden und mit Aspekten aus der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen verknüpft. So konnten die Schüler/innen für die Projekte und die Geschichte und Gegenwart der Region sowie des Handwerks begeistert werden. Diese erforschten sie mit Nadeln und Garn, Film und Fotografie und beim Tanz performativ und installierten im öffentlichen Raum Kunstwerke. Sie arbeiteten in den Kunstsparten Bildende Kunst, Modedesign, Textildesign, Kostümdesign, Videokunst und Tanz, Fotografie. Gemeinsam mit ihren Lehrer/innen und Künstler/innen gingen die Schüler/innen in Museen und diskutierten mit Expert/innen des Projektpartners "Wollroute", im Unterricht konnten die so aufgeworfenen Themen und Fragen weiter behandelt werden.
Projekthintergrund
Das Label aachenstricktschön hat es sich seit Mai 2011 zur Aufgabe gemacht, vor allem jungen Menschen den Zugang zur Praxis traditioneller textiler Handwerkstechniken in kulturellen Bildungsprojekten zu ermöglichen.
Der erste Projektpartner auf dem Weg zur Entwicklung kultureller Bildungsangebote war die internationale Arbeitsgruppe Wollroute – Route de la Laine – Wolroute. Die Wollroute ist eine länderübergreifende Initiative, die grenzüberschreitend Informationen zum kulturellen Erbe der Tuchindustrie in der heutigen EUREGIO Maas-Rhein vermittelt - insbesondere zu historischen Werkbauten, Kulturlandschaften und Museen. Die Route führt in der Dreiländerregion um Aachen durch Belgien, die Niederlande und Deutschland und berücksichtigt die zentralen Produktionsorte Aachen, Eupen, Euskirchen, Monschau, Vaals und Verviers. Die Wollroute ist keine von Ort zu Ort ausgeschilderte Route, sondern steht für das Netzwerk, das diese sechs Orte heute wieder verbindet.
Als weiterer Projektpartner wurde 2012 die Jugendkunstschule in der Bleiberger Fabrik in Aachen gefunden. Diese bietet die Möglichkeit zur Identifikation mit der Region vor Ort und verfolgt das Ziel der Vermittlung gemeinsamer und unterschiedlicher kultureller Ausprägungen im Medium des Textilen. Dabei werden die unterschiedlichen nationalen Herkünfte der Akteure in den beteiligten Schulen und bei den öffentlichen Aktionen berücksichtigt. Vernetzendes Lernen und Spaß bei der Umsetzung von bunten, lebendigen Aktionen im öffentlichen Raum sind für die Projekte grundlegend. Die Jugendkunstschule in der Bleiberger Fabrik übernahm die Trägerschaft für das Projekt im Zeitraum 2012-14. Seit mehr als 30 Jahren steht sie für herausragende außerschulische Bildungsarbeit in der StädteRegion Aachen und ist ein lebendiges Haus des Lernens. Gefördert wurde das Projekt über die gesamte Laufzeit 2012-14 vom Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen.
Der Projektrahmen
Kulturgeschichtliche Anknüpfungspunkte, die den inhaltlichen Rahmen für das Projekt geben und im Unterricht entsprechend aufbereitet werden können:
Überall auf der Welt – aber mit zeitlicher Versetzung - haben textilhandwerkliche Techniken und Entwicklungs- und Produktionsprozesse zu ähnlichen Entwicklungen und Ergebnissen geführt. Das diesen Prozessen zugrundeliegende Wissen ist allerdings im Übergang von der Industrie- zur Kulturgesellschaft schon teilweise verloren gegangen oder droht zumindest vergessen zu werden. Auf der anderen Seite boomt eine seit Jahren weltweite Do-it-yourself-Bewegung, die darauf hinweist, dass es eine hohe Nachfrage nach diesem Wissen gibt. Kinder und Jugendliche aller Nationen dieser Welt häkeln, stricken, nähen oder sticken. Außerschulische Projektangebote können hier ansetzen und die möglichen Verbindungen von Materialien mit der Entstehung moderner Produkte aufzeigen und ein entsprechendes Knowhow vermitteln.
Wasser & Wolle
Wasser und Wolle bildeten die Grundlage für die wirtschaftlich und kulturell sehr erfolgreiche Entwicklung der EUREGIO Maas-Rhein. Noch heute zeugen die Stadtbilder der Region von ehemaligem Wohlstand und architektonischem wie künstlerischem Reichtum, der sich über Jahrhunderte entwickelt hatte. Wasser und Wolle waren aber auch die Ausgangspunkte für Arbeitskämpfe, Unruhen und Mikromigration im Verlauf der Entwicklung von der häuslichen Textilproduktion, die in fast jeder Familie stattfand, hin zur industriellen Blütezeit der Textilindustrie.
Die Tuchmachergeschichte
Bis zur Auslagerung der Textilproduktion in preiswerter produzierende Länder hat die Tuchmachergeschichte die Region länderübergreifend und lange Jahrhunderte geprägt. Seitdem kamen die mit der Tuchproduktion verbundenen wirtschaftlichen und sozialen Wachstumsmöglichkeiten in der Region zum Erliegen, was zu erheblichen sozialen Veränderungsprozessen führte.
Globale Entwicklungen
Globale Produktions- und virtuelle Geldfluss- und Handelsprozesse gestalten unsere Gesellschaften heute in rasantem Tempo und generieren nur noch schwer steuerbare Auswirkungen. Um Zusammenhänge erkennen, verstehen und für die Lebensgestaltung nutzbar machen zu können, kann der Blick auf Traditionslinien, wiederkehrende Phänomene und menschliches Erfahrungswissen aus der Praxis hilfreich sein. All diese Aspekte galt es für die rund 500 Schüler/innen neben den konkret erlernbaren traditionellen textilen Handwerkstechniken Stricken, Häkeln, Weben, Filzen und Sticken in den Teilprojekten von world-wide-wool.net zu erforschen und für die bewusste Gestaltung von Zukunft zugänglich zu machen.
Projektaufbau
Über zwei Jahre haben Schüler/innen von insgesamt zehn deutschen Schulen (alle Schulformen s.o.) in 16 Teilprojekten mit insgesamt 14 Künstler/innen und Designer/innen an den sechs Orten der Wollroute in der EUREGIO Maas-Rhein in drei europäischen Ländern miteinander geforscht, gearbeitet und ausgestellt. Dabei haben sie mit Studierenden der Universität zu Köln, mit Seniorinnen und den Künstler/innen und Designer/innen gearbeitet und sowohl verschiedene künstlerisch-moderne Strategien mit textilen Materialien, als auch traditionelle textil- und modehandwerkliche Techniken und Produktionsprozesse kennen gelernt und erprobt. Sie sind mit Bürger/innen der Wollroutenorte Aachen (D), Eupen (B), Euskirchen (D), Monschau (D), Vaals (NL)und Verviers (B) ins Gespräch gekommen und haben dadurch mündliche Zeugnisse über die Geschichte der Region kennenlernen können, die in keinem Buch nachzulesen sind. Sie haben Museen und Orte der Textil- und Modeindustriegeschichte entlang der Wollroute besucht und mit Experten diskutiert. Die Schüler/innen konnten dieses neue Wissen mit ihrem eigenen Erfahrungs- und Alltagswissen in der Arbeit mit den Künstler/innen für die Entwicklung der Installationen und Ausstellungen in den öffentlichen Räumen der sechs Wollroutenorte kombinieren und direkt anwenden.
Eine Ausstellung als Inspirationsquelle
Begonnen wurde dieses große länderübergreifende Projekt mit einer Ausstellung der Arbeiten von acht Künstler/innen, die in der ersten Projektphase von September 2012 bis August 2013 die Leitung der Teilprojekte übernommen haben. Ausgewählt wurden sie aufgrund ihrer künstlerischen Expertise und ihrem Bezug zur Region. Beispielshafte Auszüge aus ihren Werken in den Genres Textildesign, Bildende Kunst, Fotografie und Videokunst waren in dieser Ausstellung zu sehen. Alle beteiligten Projektpartner/innen sowie Projektteilnehmenden wurden in das Kunst- und Kulturzentrum KuKuK e.V. im ehemaligen Zollhaus Köpfchen eingeladen, das bei Aachen an der Grenze zwischen Deutschland und Belgien liegt.
Verbindungen herstellen
Dieser grenzübergreifende Einstieg machte die Strategie dieses Projektes von Beginn an deutlich: Verbindungen herstellen - über Grenzen hinweg. Unterstrichen wurde dies durch die grundlegenden Eigenschaften des traditionellen Umgangs mit dem textilen Material: Weben, Stricken und Nähen visualisieren die Möglichkeit, Verbindungen herzustellen. Ein Bewusstsein dafür sollte wachgerufen und für das individuelle und soziale Handeln der Beteiligten verfügbar gemacht werden. So sind auf viele Arten Verbindungen hergestellt worden. Mit der Ausstellung zum Einstieg konnte später in den teilweise viele Kilometer weit auseinanderliegenden Teilprojekten immer wieder an die Vielfalt der Möglichkeiten künstlerischer und textiler Techniken und dem Austausch hierüber angeknüpft werden.
Grenzen überschreiten
Der Aufbau von Verbindungen ging einher mit Grenzüberschreitungen. Dies war in der Projektstruktur konzeptionell verankert: Altersgrenzen wurden überwunden; künstlerische Genregrenzen infrage gestellt. Durch die Verknüpfung kulturgeschichtlichen (Praxis-)Wissens mit modernen künstlerischen Ausdrucksmitteln konnte der gefühlte Abstand zwischen Geschichte und Alltag manchmal ebenso spielerisch überwunden werden wie der zwischen unterschiedlichen kulturellen Wurzeln der beteiligten Schüler/innen.
Die Praxis
Passgenaue Teilprojekte gewähren Ausblicke auf das Ganze
Parallel zur Ausstellung hatte die Projektleitung die Lehrer/innen der sechs Schulen der ersten Projektphase mit den Künstler/innen, den Studierenden und den Seniorinnen ins Gespräch gebracht. Es ging darum, Kooperationen anzuregen, deren Beteiligte gemeinsam Projektideen rund um die Textilgeschichte der sechs Orte der Wollroute sowie textile Techniken entwickelten. Anschließend wurden die Projektideen in moderierten Beratungsgesprächen zu 25-stündigen Teilprojekten weiterentwickelt. Diese sollten unterschiedliche Aspekte miteinander in Einklang bringen: den jeweiligen Schulalltag, die Vermittlung der Textilhistorie an dem gewählten Wollroutenort, das Knowhow der Künstler/innen und das Ziel einer öffentlichen Präsentation. So aufgebaut konnten die sechs Teilprojekte zeitlich, inhaltlich und technisch unabhängig voneinander im vereinbarten Zeitrahmen eines Schuljahres mit verschiedenen Formaten, Mitteln und Ausdrucksformen arbeiten, ohne dass der gemeinsame Fokus des Gesamtprojektes verloren ging.
Die zweite, erweiterte Umsetzungsphase
Auch in der zweiten, erweiterten Umsetzungsphase von September 2013 – September 2014 wurde dieser komplexe Projektaufbau durch eine gezielte Steuerung bei gleichzeitig größtmöglicher Individualität der Teilprojekte mit Erfolg erneut umgesetzt und die Teilprojekte auf dieselbe Art aufgebaut. In der zweiten Projektphase kamen auch Schulen aus Belgien und den Niederlanden hinzu und das Spektrum der künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten wurde um die Bereiche Modedesign, Tanz und Kostümdesign erweitert. Die Abschlussausstellung der ersten Projektphase diente als Auftakt und Inspirationsquelle für die zweite Runde.
Die Abschlussausstellungen
Alle Beteiligten konnten im Rahmen der Abschlussausstellungen in den Sommern 2013 und 2014 ihre Erfahrungen, ihre Kunstwerke und ihr erworbenes Wissen über die Region wie Puzzleteile miteinander in Verbindung bringen, sich austauschen und ein Gesamtbild entwickeln. Die Abschlussausstellungen waren getragen von der fotografischen Dokumentation der Teilprojekte und der Präsentation einiger ausgewählter Kunstobjekte. Alle Bausteine wurden auch auf der gleichnamigen Internetseite präsentiert.
Die Teilprojekte
Die Teilnehmenden der Teilprojekte besuchten einen Wollroutenort ihrer Wahl. In allen sechs Wollroutenorten konnte die Textilgeschichte anhand der Stadtarchitektur oder einzelner Relikte durch Expert/innen erläutert und veranschaulicht werden. In Aachen, Verviers und Euskirchen standen darüber hinaus Textil- und Modemuseen und Ausstellungen bzw. Archive zur Verfügung. In allen Teilprojekten stand die Vermittlung von Techniken- teilweise traditionell, teilweise experimentell – aus den Bereichen Textil und Mode im Zentrum. In den meisten Fällen wurden die traditionellen Techniken vermittelt, um unmittelbar im öffentlichen Raum oder in experimentellen Installationen zur Anwendung zu kommen. Die Anwendung der erlernten Techniken wurde nur im Bereich des Modedesigns in der zweiten Umsetzungsphase direkt überführt in tragbare Kunstobjekte bzw. Mode.
Charakteristische Strukturen bilden sich
Jedes der Teilprojekte konnte darüber hinaus sehr eigene charakteristische Strukturen und Inhalte ausprägen. Wurde das eine Teilprojekt in fünf aufeinanderfolgenden Tagen umgesetzt, waren die Schüler eines anderen Teilprojektes über mehrere Wochen mit wenigen Stunden pro Tag einmal wöchentlich in den künstlerischen Prozess involviert. Die Formate variierten dabei zwischen zusätzlichem AG-Angebot, Projektwoche oder –tagen, Anbindung an den Kunstunterricht oder Einbindung in die reguläre Projektarbeit im Rahmen von Kursstunden.
Die Inhalte der Teilprojekte waren so vielfältig wie die Begabungen und Interessen der Beteiligten.
Bedingungen für alle Teilprojekte waren:
Prozessorientierung
Besuch und Führung durch einen der sechs Wollroutenorte
Erlernung einer oder mehrerer traditioneller textiler Techniken
Erprobung einer künstlerischen Strategie, die zur Installation, Präsentation oder Ausstellung des im Projekt erarbeiteten führen konnte
Einbezug des öffentlichen Raumes
EIN BEISPIEL: Das Teilprojekt der Grundschule in Kettenis
Das Projekt an der Grundschule Kettenis in Belgien brachte eine Fülle an günstigen Verbindungsmöglichkeiten für das Gesamtprojekt mit sich. Der Schulleiter, zwei Lehrerinnen, zwei Video-Künstler, der Leiter des Kulturbüros der Stadt Eupen und die Projektleitung arbeiteten eng zusammen. Die dritte Klasse der Grundschule nahm an einer Experten-Führung zur Tuchmachergeschichte der Stadt Eupen sowie an einem Rundgang durch den kleinen Ort Kettenis teil. Dort gab es zu Beginn des 18. Jahrhunderts, der Blütezeit der Tuchmacherproduktion, fast in jedem Haushalt einen Webstuhl. Ansässig waren damals rund 300 Hausweber in Kettenis – fast die gesamte Dorfgemeinschaft. Die Schüler/innen konnten mit einem Nachfahr eines dieser Hausweber über das damalige Leben an diesem Ort sprechen. Anhand von Aufzeichnungen, einzelnen Relikten im Stadtbild und dem einzig erhaltenen Webstuhl in Kettenis erlebten die Kinder die Geschichte ihrer heutigen Heimat hautnah. Nach einer Unterrichtssequenz vor Beginn des Projektes zu der Thematik, erarbeiteten die beiden Videokünstler Benjamin Fleig und Ludwig Kuckartz mit den Schülern ein Filmkonzept parallel zum Textilunterricht, der von den beiden begleitenden Lehrerinnen angeleitet wurde. Wolle und Nadeln wurden von Sponsoren gestellt. So entstanden im Verlauf der Projektwoche Klangspiele mit Nadeln, Tricks mit Nadel und Faden, ein Wollspektakel auf der Bühne, wollige Zeichentrickgeschichten, selbstkomponierte Lieder rund um Wolle und die Weber und andere kleine filmische Geschichten in denen die Kinder ihre Erfahrungen im Projekt, ihre textilhandwerklichen Künste und ihr neu erworbenes Wissen rund um ihre Heimat mit Nadel und Wolle darstellen konnten. Mit Trickkamera wurde daraus ein Film, zu dessen Vorführung andere beteiligte Schulen geladen wurden.
Streiflichter aus anderen Teilprojekten
In anderen Teilprojekten wurden Berufsperspektiven in den Feldern Modedesign, Maskenbildnerei oder Kostümbildnerei eröffnet, bildhauerische, modistische und tänzerische Fähigkeiten entwickelt, Strickguerillatechniken im öffentlichen Raum erprobt, Selbstinszenierungen auf ganz ungewöhnliche Art ermöglicht, soziale Kompetenzen erweitert, Bühnenpräsenz geschult. Es gab ein professionelles Mode-Fotoshooting und es bauten sich länderübergreifende dauerhaft bestehende Schulkooperationen auf.
Pädagogische und künstlerische Aspekte
Kreatives Arbeiten und Präsentieren im öffentlichen Raum ermöglichten eine direkte Kommunikation über die Kunstwerke und damit oft auch wieder über die Geschichte der Region und die eigene Biographie, die in manchen Fällen künstlerisch zum Ausdruck kam. Das von Experten vermittelte geschichtliche Wissen wurde durch praktische Erfahrungen ergänzt konnte in den eigenen Alltag integriert werden. Für viele Schüler/innen entstand ein Gefühl für Heimat und kulturelle Wurzeln, das es ermöglichte fremde und eigene Wurzeln und kulturelles Erbe erst kennenzulernen und dann wertzuschätzen. Von entscheidender Bedeutung war die Qualität der künstlerischen Prozesse, die auf Zeiteinsatz, dem Erlernen der notwendigen künstlerischen Techniken, Teamgeist, Peer to Peer-Erfahrungen und der Professionalität der Künstler/innen beruhte.
Sichtbare Ergebnisse
Es entstanden in den jeweils 25-stündigen Teilprojekten ganze Modekollektionen mit experimentellen und sehr individuell künstlerisch gestalteten Modellen. Es wurden Projekt- und Arbeitsbücher angelegt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Spannende und aufsehenerregende textile Installationen auf Markt- und Spielplätzen, in Einkaufsstraßen und auf Fabrikgelände entstanden und regten die Diskussion zwischen Passanten und Ausstellenden an - in denen es nicht zuletzt auch um Ethik und gesellschaftliche Werte ging. Es entstand eine Tanzchoreografie, die die Produktionsprozesse in Verviers nachempfinden ließ und die nicht nur dem ehemaligen Werksleiter vor Augen führte, das künstlerisches Tun die Notwendigkeit der Verhandlung kultureller Gemeinsamkeiten und Eigenheiten und gesellschaftlicher Bedingungen sichtbar machen kann.
Das Textile
Das Textile als individuelles Ausdrucksmittel und Träger sozialer Codierungen fungiert als Vermittler unterschiedlicher Lebenswelten. Vermittelnd wirkt es darüber hinaus auch in seiner handwerklichen Dimension, die Kopf, Herz und Hand verbindet. Das Textile hat sich in diesem Projekt world-wide-wool.net als Medium erwiesen, das es ermöglicht die komplexer werdenden Bezüge und Zusammenhänge entlang roter Fäden von Geschichte, Kultur und künstlerischer Praxis zu entknoten oder wahlweise auch zu verknüpfen. Das Textile erweist sich als Quelle vielfältiger Vermittlungsangebote.
Dokumentation
Die Teilprojekte von world-wide-wool.net wurden fotografisch und teilweise filmisch dokumentiert. So kann auf der gleichnamigen Webseite der rote Faden durch das Projekt, die Region und die innovative künstlerische Aneignung der textilen Kulturgeschichte nachverfolgt werden.
Ausblick
Das Projekt world-wide-wool.net hat ein in den direkt darauf folgenden Jahren aktives Modeprojekt mit sich gebracht: TAFT. Es wurde von der Jugendkunstschule Bleiberger Fabrik und dem Label x. labor can2 aus den Erfahrungen der Projektbeteiligung am Wollrouten-Projekt world-wide-wool.net heraus entwickelt und umgesetzt. Hier liegt der Schwerpunkt in den Bereichen Modedesign, Modeillustration und Entwurf, Modistik, inszenierte Fotografie, Textildesign und Videokunst. Der Anspruch an die Verknüpfung verschiedener Ebenen ist auch in diesem Projekt vorrangig für die Erschließung von Lebenswelt und der Persönlichkeitsentwicklung erfolgreich eingesetzt worden. (Externer Link: http://bleiberger.de/Kategorie/taft/)
Das Ursprungsprojekt world-wide-wool.net befindet sich in einem Entwicklungsprozess an dem das Projektteam von aachenstricktschön gemeinsam mit der Arbeitsgruppe Wollroute – Route de la Laine – Wolroute arbeitet. Aus den Erfahrungen der ersten beiden Durchgänge und aus den Ansprüchen an nachhaltige kulturelle Bildungsarbeit, wie sie formuliert ist auch durch das Modellprogramm für kreative Schulen der Stiftung Mercator und der Kulturstiftung des Bundes, wird zurzeit ein Projektaufbau anvisiert der:
eine größere Flexibilität für Fördermöglichkeiten
die bessere Implementierung der Teilprojekte in den schulischen Alltag
eine Dokumentation des Expertenwissens aus den sechs Regionen
eine noch näherer Anbindung an die Kulturdenkmäler
und eine passgenauere Entwicklung von begleitenden innovativen Lernmaterialien mit sich bringen soll.
Dazu soll auch die Internetseite des Projektes ausgebaut werden zur kulturellen Lern- und Wissensplattform. Diese Teilaspekte werden zurzeit im Vorfeld mit Schüler/innen, Künstler/innen, den begleitenden Pädagog/innen und den Experten vor Ort entwickelt und für weiterführende Projektanträge vorbereitet.
ZitatDas Textile ist eine Weltsprache...
Das Textile ist eine Weltsprache und aktueller denn je. Allerorten wird gestrickt, gehäkelt und geknüpft. Der digital bestimmte Alltag im Zeitalter des World Wide Web provoziert den Abgleich mit der Hand. Dabei mussten sich gerade die textile Kunst und das Kunsthandwerk zunächst von ihrem Image als rein weibliche, häusliche sowie kunstgewerbliche Kunstform befreien. Tatsächlich jedoch wird unsere gesamte Kultur- und Kunstgeschichte von der Frühzeit bis zur Gegenwart von textilen Materialien, Techniken und Metaphern bestimmt.
Zitat aus der Ankündigung zur Ausstellung "Kunst & Textil. Stoff als Material und Idee in der Moderne von Klimt bis heute" im Kunstmuseum Wolfsburg vom 12.10.2013 - 02.03.2014.
Allgemeine Informationen
Projekttitel:
world-wide-wool.net
Durchführende Institutionen:
Initiative aachenstricktschön (Entwicklung und Durchführung) und Jugendkunstschule in der Bleiberger Fabrik (Trägerin des Projektes)
Ansprechpartnerinnen:
Monika Nordhausen und Sibylle Keupen
Kooperationspartner:
x. labor can, Arbeitsgruppe Wollroute – Route de la Laine – Wolroute , Tuchwerk e.V. Aachen (D), LVR Industriemuseum Euskirchen, Tuchfabrik Müller (D), Musée de la laine et de la mode Verviers (B), Kulturbüro der Stadt Eupen (B), Geschichtsverein Vaals (NL), Kulturamt Monschau (D), KuKuK – Kulturverein im Köpfchen, Museum Zinkhütter Hof, Stadttheater Aachen, Studiengang "Ästhetische Erziehung" der Universität zu Köln, Seniorenresidenz Sophienhof Niederzier
Durchführungszeitraum:
September 2012 – September 2014
Alter der Teilnehmenden:
6 – 90 Jahre
Anzahl der Teilnehmenden:
rund 500
Beteiligte Schulformen:
Grundschule, Realschule, Gesamtschule, Gymnasium, niederländisches College mit den der Fachhochschulreife vergleichbaren Abschlussmöglichkeiten, Fachoberschule
Künstlerische Sparten:
Bildende Kunst, Modedesign, Textildesign, Kostümdesign, Videokunst, Tanz, Fotografie
Blohm, Manfred; Kämpf-Jansen, Helga: Über ästhetische Forschung. Lektüre zu Texten von Helga Kämpf-Jansen. München, Kopaed 2006 (Kontext Kunstpädagogik. 5)
Bombek, Marita: Material-Erinnerung und Material-Erleben im Bewusstsein der Sinne. Erschienen in: Kunst & Therapie Nr. 31/2001, Zeitschrift zu Fragen der ästhetischen Erziehung, S. 75-85.
Gaugele, Elke; Gaugele-Reiss, u.a.: Jugend, Mode, Geschlecht - Die Inszenierung des Körpers in der Konsumkultur. Frankfurt am Main [u.a.], Campus-Verl. 2003
Krautz, Jochen: Bildung als Anpassung? Das Kompetenz-Konzept im Kontext einer ökonomisierten Bildung. In: Fromm-Forum, 2009, S. 87-100
Kunstmuseum Wolfsburg: Kunst & Textil. Stoff als Material und Idee in der Moderne von Klimt bis heute. Katalog zur Ausstellung. Ostfildern, Hantje Kantz Verlag 2013
Wulf, Christoph: Ethik der Ästhetik. Berlin, Akad.-Verl. 1994
Zur Lippe, Rudolf: Sinnenbewußtsein. Grundlegung einer anthropologischen Ästhetik. Orig.-Ausg. Reinbek bei Hamburg, Rowohlt 1987 (Rowohlts Enzyklopädie. 423)
Monika Nordhausen, geboren 1963, Kulturagentin und Künstlerin arbeitet seit 2007 an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Bildung; 2008-2012 Lehrbeauftragte an der Universität zu Köln, Institut für Kunst und Kunsttheorie; 2010 Umsetzung eines Cross-Over-Projekt in Anlehnung an die Tradition der Tuchmacher in der StädteRegion Aachen; seit Mai 2011 künstlerische Leitung des Labels aachenstricktschön; seit September 2011 Kulturagentin für kreative Schulen in NRW im Netzwerk Aachen; im Schuljahr 2012/2013 konnte erstmalig das von ihr entwickelte Projekt world-wide-wool.net umgesetzt werden.
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