In der Druck- u. Schreibwerkstatt des Buchkinder Leipzig e.V. entwickeln Kinder und Jugendliche im Alter von 4-16 Jahren ihre Geschichten zu eigenen Büchern. Sie überlegen und diskutieren ihre Ideen in der Gruppe, schreiben sie auf, illustrieren, setzen und drucken, bis die bunten Produkte ihrer Fantasie gebunden zwischen Buchdeckeln vorliegen. Die Besonderheit der Buchkinderarbeit liegt neben dem freien und selbstständigen Arbeiten in der Einbindung in alle Prozesse des Büchermachens; vom ersten Strich auf dem Papier bis hin zum Vertrieb ihres eigenen Buches, welches in kleinen Auflagen in der eigenen Buchmanufaktur hergestellt wird. Buchkinder wachsen mit ihren Büchern. Die Kinder tauschen sich untereinander aus, entwickeln Achtung für die Ideen anderer. Sie übernehmen Verantwortung und entwickeln neben Kreativität und kommunikativen Fähigkeiten auch soziale Kompetenz. Lesungen und Ausstellungen gehören ebenfalls zum Buchkinder-Alltag. Hierbei präsentieren die Kinder ihre eigenen Bücher in der Öffentlichkeit und verkaufen diese sogar selbst.
Warum gibt es den Verein? Was treibt uns an?
Wir verstehen unsere Arbeit als Bildungsarbeit ergänzend zu dem, was Schule und Elternhaus leisten können. Ziel ist es, die Freude am eigenen Ausdruck zu wecken und diese in einem schöpferischen Arbeitsprozess zu erhalten, dicht an der Lebenswirklichkeit der Kinder.
Aktuelle Zahlen aus der KIM-Studie 2010 (KIM-Studie 2010, Kinder+Medien+Computer+Internet, Basisuntersuchung zum Medienumgang 6- bis 13-jähriger in Deutschland, Herausgeber: Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, S. 61,62) zum Thema Mediennutzung und Bedeutung bei Kindern und Jugendlichen unterstreichen die Wichtigkeit dieser Arbeit. Auch heute lesen Kinder natürlich in ihrer Freizeit Bücher. Drei Fünftel der Mädchen und zwei Fünftel der Jungen sind regelmäßige Leser. Kinder lesen oft Bücher, deren Inhalte auch aus dem Fernsehen bekannt sind. Allerdings: Der Anteil der Nichtleser wird von Jahr zu Jahr größer. Aktuell liest jedes fünfte Kind in seiner Freizeit NIE ein Buch.
Das ist erschreckend und beängstigend, denn: Welche Bedeutung die einzelnen Medien nach Ansicht der Eltern für Kinder haben, wurde anhand verschiedener Aussagen über potenzielle Wirkungen ermittelt. Ganz eindeutig: „Als bestes Medium“ gilt nach wie vor das Buch: Kein anderes Medium ist bedeutsamer für die Förderung von Fantasie, des Lernens generell und für den Schulerfolg der Kinder.
Statistik: Bedeutung der Medien für Kinder 2010
Buchkinderarbeit ist demnach nicht „nur“ eine Freizeitbeschäftigung. Die Beschäftigung mit Büchern und dem Büchermachen bildet sowohl einen Grundstein für künftige Lernerfolge in den Schulen als auch bei der persönlichen/charakterlichen Entwicklung der Kinder.
Was uns noch antreibt: Unser Freund und Förderer, der Reformpädagoge Otto Herz, hat es treffend formuliert: „Kinder sind und bleiben Hoffnungs-Träger. Dann, aber auch nur dann, wenn wir ihre ihnen eingeborene Künstler-Kraft belassen, wenn wir Räume schaffen und Zeiten sichern, in denen sie ihre Wesens-ART, KÜNSTLER zu sein, leben können und leben dürfen.“ Mit unserer Arbeit schaffen wir einen Raum, in dem die Kinder sich frei fühlen und entfalten können und dies jenseits ihres gewohnten Alltagsstresses. Mit dem Heranführen der Kinder und Jugendlichen an die Handwerkstraditionen des Setzens, Druckens und Buchbindens stützen wir uns bewusst auf die Tradition Leipzigs als Buchstadt. Wir fördern dabei den Erwerb von handwerklichen Fähigkeiten und ein Verständnis für praktische Arbeitsabläufe. Gleichzeitig wird der selbstverständliche Umgang mit neuen Medien gepflegt. Im Mittelpunkt des zeitintensiven Arbeitsprozesses steht schöpferische Auseinandersetzung mit den eigenen Bildern, dem eigenen Text bis zum fertigen Buch. Die Arbeit in der Kindergruppe gibt Anregungen, ist "Spiegel" und Korrektiv. Das Resultat in der Buchkinderarbeit ist das eigene Buch, der Weg dorthin ist das Ziel der Buchkinderarbeit.
Buchkinder unterwegs
Der Verein und seine Arbeit werden über die Grenzen von Leipzig hinaus im deutschsprachigen Raum wahrgenommen. Mehrere Ausstellungen und die damit verbundenen Lesungen steigerten die öffentliche Wahrnehmung der Buchkinder. Die Buchkinder nehmen seit 2002 regelmäßig an den Buchmessen in Frankfurt und Leipzig mit einem eigenen Stand und Lesungen teil. Mit Unterstützung der Bundeskulturstiftung konnten wir die Idee einer Wanderausstellung mit einem begleitenden Seminarprogramm für Multiplikatoren im Jahr 2005 erstmalig umsetzen. In den vergangenen sechs Jahren hat sich so ein bundesweites Netzwerk herausgebildet mit weiteren 14 aktiven Buchkinderstandorten in Deutschland. Das Konzept der Buchkinderarbeit findet ebenfalls international seine Anwendung. In Zusammenarbeit mit den Goethe-Instituten finden seit 2006 Workshops für Kinder und Seminare für Multiplikatoren statt (Italien/ Neapel 2006, Kenia/Nairobi – 2008+2009, Südafrika/Johannesburg 2010, Polen/Warschau 2010, Frankreich/ Lyon 2011).
Ehrungen und Preise
Ein öffentliches Feedback zu unserer Arbeit erfahren wir durch überregionale mediale Aufmerksamkeit, aber auch durch verschiedene Auszeichnungen, wie zum Beispiel den startsocial-Preis (2004), den Zukunftspreis Jugendkultur der PWC-Stiftung (2006), oder dem Antiquaria-Preis (2006) für ein „vorbildhaftes, bildungspolitisch akutes und pädagogisches Projekt, das Kindern das Besondere an Büchern greifbar und erlebbar macht, den Ehrenpreis „Aktiv für Demokratie und Toleranz“ (2007), und den Sonderpreis des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz "Heimat (er)finden!" für das Projekt „Tagebücher“ (2009). 2011 wurde der Verein im Rahmen des Programms „Die Verantwortlichen“ von der Robert Bosch Stiftung für zukunftsweisendes Engagement ausgezeichnet.
Die Zukunft ist ungewiss
Seit elf Jahren wächst der Verein. Zum Jahresbeginn 2012 gab es rund 20 Beschäftigte. Derzeit nutzen 90 Kinder und Jugendliche einen der neun wöchentlich stattfindenden Nachmittagskurse. Buchkinderwerkstätten gibt es in mittlerweile vier Stadtteilen Leipzigs, der Hauptstandort verfügt über eine eigene Buchmanufaktur. Zwei Werkstätten befinden sich in Stadtgebieten mit besonderem Entwicklungsbedarf durch die Bündelung sozialer Problemlagen. Mit unseren Angeboten vor Ort möchten wir der Bildungsarmut entgegenwirken. Neben der außerschulischen Arbeit hat der Verein sein Angebot an Schulen wesentlich erweitert. Vor allem über die bestehenden Institutionen erreichen wir die Kinder und Jugendlichen auf direktem Weg, also unabhängig von der Unterstützung, die sie durch ihr Elternhaus erfahren (oder eben nicht). Über die Kooperation mit Schulen und Kitas erreicht die Vereinsarbeit weitere 70 Kinder und Jugendliche.
Verlag der Kinder: Kinder wie Jugendliche ernst zu nehmen, heißt für uns auch, ihre Arbeiten zu veröffentlichen, Podien zu schaffen, damit sie sich mit ihren Gedanken sowohl Gleichaltrigen als auch der Erwachsenenwelt stellen können. Dazu werden die Bücher in der buchkindereigenen Manufaktur in kleinen Auflagen hergestellt. Alle Bücher, die bei uns entstehen, kann man auch kaufen: auf den Buchmessen, zu Stadtteilfesten, Weihnachtsmärkten und im Onlineshop. Für diese Idee der wirtschaftlichen Betätigung mit einem gleichzeitigen sozialen Output wurde der Verein mit dem Gründerpreis der IHK Leipzig ausgezeichnet. Der Buchkinder-Jahreskalender wird seit 2005 erfolgreich über den Buchhandel im gesamten deutschsprachigen Raum angeboten. So finden Texte und Bilder der jüngsten Autoren/-innen einen größtmöglichen Kreis von Interessierten.
Bildungsarbeit bedeutet für uns, das Angebot für alle zu öffnen, also unabhängig vom sozialen Status oder Bildungsniveau. Doch dieser Anspruch „rechnet“ sich nicht. Und so waren und sind wir mit diesem Anspruch immer auf Unterstützung angewiesen. Neben Kooperationen mit der Wirtschaft, beantragen wir Finanzierungen bei Stiftungen, werben für Spenden/Sachspenden und Fördermitgliedschaften und sind aktiv, was die wirtschaftliche Betätigung anbelangt. Nach dem Prinzip der Subsidiarität stellen wir bei der Stadt Leipzig jährlich Anträge im Rahmen der Projektförderung beim Jugend- und Kulturamt. Hinzu kommen ein riesiges ehrenamtliches Engagement, Improvisationsvermögen, engagierte Fördermitglieder, Geld- und Sachspenden von Förderern.
Das war der Status quo, der sich seit Beginn des Jahres 2012 durch eine geänderte Bundesgesetzgebung radikal geändert hat. Für uns sehr wichtige Möglichkeiten der Personalförderung aus Mitteln der Beschäftigungsförderung wurden ersatzlos gestrichen. Bis Ende des Jahres 2012 laufen zudem sukzessive alle kommunal geförderten Stellen unserer Mitarbeiter/-innen aus.
Im Sinn der Idee, die es zu bewahren gilt und im Interesse der Kinder haben wir Strategien entwickelt, mit deren Hilfe wir die Buchkinderarbeit bewahren und neu organisieren möchten. Wir werden unsere Angebote und begonnene Buchprojekte zunächst mit ehrenamtlicher Hilfe gemeinsam mit den Kindern umsetzen. Die Anzahl der Kurse muss reduziert werden und wir müssen neben einem verkleinerten Kernteam vermehrt auf Ehrenamt und Berufspraktikanten/-innen setzen. Uns fehlen dennoch erhebliche finanzielle Mittel zur Weiterführung unserer Arbeit. Wir sind jedoch optimistisch und arbeiten daran, dieses Geld „einzuwerben“.
Auf der Internetseite der Buchkinder heißt es: „Es ist mit der Arbeit eines guten Schlüsselmachers vergleichbar. Mit selbstverständlicher Leichtigkeit schließen Kinder in ihren Geschichten Türen auf, hinter denen sich eine Welt voller unverhoffter Beziehungen und Absurditäten auftun. Ein gedankliches Urreich, das seine Fäden bis in den Alltag spinnt und dort für aufsehenerregende Verwicklungen sorgt.“
Aus dem Kindermund klingt das so:
Lilly (9 Jahre): „Ich schreibe und male gern. Und ich finde es toll, dass man in den Pausen auch mal rausgehen und rumrennen kann, und nicht alles so streng hier ist. Wie ich zu meinen Ideen komme? „Ich tue halt verrückte Sachen, und dann fallen mir die Ideen alle aus dem Ärmel.“
Alina (10 Jahre): „Ein Buchkind zu sein macht Spaß, Spaß, Spaß! Ich weiß nicht, was ich mehr dazu sagen soll. Klar ist es Arbeit, aber Arbeit, die Spaß macht.“
Jannes (8 Jahre): „Hier ist man zu nichts gezwungen, hier kann man Linolschnitte machen oder schreiben, wann und wie man will. Man kann eigentlich alles machen, was man will.“