Didaktische Prinzipien dienen Lehrenden bei der Planung und Lenkung von Lerngelegenheiten als grundlegende Handlungsregeln (vgl. Detjen 2007: 319). Ziele, Inhalte, Methoden und Medien können mit ihrer Hilfe angemessen ausgewählt werden.
Die Liste der didaktischen Prinzipien, die von verschiedenen Didaktikerinnen und Didaktikern ins Feld geführt werden, ist lang: kategoriales Lernen, exemplarisches Lernen, Kontroversitätsprinzip, Problemorientierung, Schülerorientierung, Handlungsorientierung und Wissenschaftsorientierung sind die gängigsten. Darüber hinaus gibt es Alltagsorientierung, Erfahrungsorientierung, Situationsorientierung, Biografieorientierung, Ganzheitlichkeit, Geschlechterorientierung, Konfliktorientierung, Methodenorientierung, Subjektorientierung, Zukunftsorientierung (vgl. ebd.: 320). In inklusiven Settings der politischen Bildung nehmen aus unserer Sicht vor allem die Prinzipien der Exemplarität und der Schüler bzw. Adressatenorientierung eine herausgehobene Stellung ein, weil sie zum einen eine angemessene Inhaltsauswahl ermöglichen wie andererseits auch den Blick auf die Ausgangslage der Lernenden fokussieren.
Das didaktische Prinzip der Exemplarität
Das didaktische Prinzip der Exemplarität erwächst aus der Kritik an der Stofffülle in den Schulen. Diese führt dazu, dass die Inhalte häufig gehetzt und meist nur oberflächlich behandelt werden. Es mag logische Gründe geben, die dafürsprechen, ein Fach systematisch lehren zu wollen. Stellt man aber die Lernenden und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt, entfallen diese Gründe. In der Konsequenz bedeutet das didaktische Prinzip der Exemplarität, sich auf das Wesentliche zu beschränken. Dabei geht es aber nicht um Isolierung und Spezialisierung: »Das Einzelne, in das man sich hier versenkt, ist nicht Stufe, es ist Spiegel des Ganzen. [...] Das exemplarische Betrachten ist das Gegenteil der Spezialisierung. Es will nicht vereinzeln, es sucht im Einzelnen das Ganze« (Wagenschein 1997: 32 f.). Die Lerninhalte müssen also so ausgewählt werden, dass an ihnen Konzepte, Kategorien, Prinzipien, Strukturen oder Regeln erkannt und auf anderes übertragen werden können. Es geht also um den Wechsel von Abstrahierung und Rekonkretisierung (vgl. Detjen 2007: 324). Zugleich können dies aber Inhalte sein, die in der Lebenswelt der Lernenden verankert sind.
Das Prinzip der Schülerorientierung oder der Adressatenorientierung
Nimmt man das Ziel der Inklusion ernst, dass Zugang, Teilhabe und Selbstbestimmung durch die Rücksichtnahme auf die individuellen Bedarfe der Subjekte und nicht durch deren Anpassung ermöglicht werden sollen (vgl. z. B. Boban / Hinz 2003), dann gewinnen das Prinzip der Schülerorientierung in der schulischen politischen Bildung und das Prinzip der Adressatenorientierung in der außerschulischen politischen Bildung an Bedeutung. Hinsichtlich der Schüler- bzw. Adressatenorientierung besteht in der Alltagsdidaktik von Lehrenden allerdings eine begriffliche Unschärfe. (…)
In der politischen Bildung knüpft das didaktische Prinzip der Schülerorientierung an die gleichnamige Konzeption des Fachdidaktikers Rolf Schmiederer (1977) an. Allerdings bedeutet Schülerorientierung für Schmiederer ein Auflehnen gegen bestehende Werte und ein Rebellieren gegen das bestehende System. Er setzt auf die Mitbestimmung der Lernenden im Unterricht. Ausgangspunkt der Lernprozesse müssten die Sozialerfahrungen und die Lebensrealität der Lernenden sein. Nur wenn deren Bedürfnisse und Interessen berücksichtigt würden, könnten die Lernergebnisse auch eine reale Bedeutung für das Leben der Lernenden entfalten.
»Für mich ist die Legitimationsbasis des hier vorgelegten didaktischen Ansatzes die Schülerin bzw. der Schüler als Subjekt gesellschaftlichen Geschehens und zukünftiger Entwicklung, das im Ganzen der Gesellschaft und ihrer historischen Entwicklung gesehen wird, die ihrerseits wiederum verstanden wird als ein (diskontinuierlicher) Entwicklungs- und Lernprozess der Menschen in Richtung auf die zunehmende Verfügung des Menschen über sich selbst, d. h.
in Richtung auf Abbau materieller Zwänge (zunehmende Aneignung von Natur) und
zum Abbau gesellschaftlicher Fremdbestimmtheit (Utopie der Emanzipation und der Demokratie)« (Schmiederer 1977, zit. n. May/Schattschneider2011: 169).
Als weitere Merkmale der Schülerorientierung zählt Schmiederer die didaktischen Prinzipien Problemorientierung, Projektorientierung und Wissenschaftsorientierung auf (vgl. ebd.: 131).
Wollen die Lehrenden der Schüler- bzw. Adressatenorientierung gerecht werden, benötigen sie also Schmiederer zufolge einerseits Kenntnisse über die Lebenssituation der Lernenden und vor allem über die Beziehungen der Lernenden zum jeweiligen Thema. Es gehören aber genauso eine hohe Flexibilität, eine pädagogische und psychologische Sensibilität sowie ein hohes Engagement der Lehrenden dazu.
Der Artikel ist eine gekürzte Fassung eines Abschnittes aus dem Aufsatz Markus Gloe / Tonio Oeftering (2020), Didaktik der politischen Bildung. Ein Überblick über Ziele und Grundlagen inklusiver politischer Bildung. In: Externer Link: Meyer, D./Hilpert, W./Lindmeier, B. (Hrsg.): Grundlagen und Praxis inklusiver politischer Bildung. Bonn. S. 87 - 132.8