Neben dem Schulfach Politik, realisiert durch fachwissenschaftlich und fachdidaktisch ausgebildete Lehrkräfte, ist politische Bildung auch Unterrichtsprinzip in allen anderen Unterrichtsfächern. Bereits in dem Beschluss der Ständigen Konferenz der Kultusminister (KMK) über die Grundsätze zur politischen Bildung vom 15. Juni 1950 heißt es:
»Die politische Bildung erstrebt auf der Grundlage sachlichen Wissens die Weckung des Willens zum politischen Denken und Handeln. In der Jugend soll das Bewusstsein erwachsen, dass das politische Verhalten ein Teil der geistigen und sittlichen Gesamthaltung des Menschen darstellt.
In diesem Sinne ist politische Bildung ein Unterrichtsprinzip für alle Fächer und für alle Schularten. Jedes Fach und jede Schulart haben darum nach ihrer Eigenart und Möglichkeit zur politischen Bildung beizutragen. Eine besondere Verantwortung trägt der Geschichtsunterricht, der geschichtliches Denken und Werten mit Verständnis für die Gegenwart verbinden muss.
Politische Bildung erfordert Kenntnis der wichtigsten Tatsachen, Formen und Zusammenhänge des gesellschaftlichen, staatlichen und überstaatlichen Lebens. Es wird empfohlen, zur Vermittlung dieses Stoffwissens und zur Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen, soweit dies nicht in anderen Unterrichtsfächern möglich ist, vom 7. Schuljahr ab Unterricht in besonderen Fachstunden zu erteilen. (…)«
Jede Lehrkraft, gleich in welchem Fachbereich sie unterrichtet, ist also verpflichtet, politische Bildung zu ermöglichen. Leider ist die Zusammenarbeit über die eigenen Fachgrenzen hinaus unter Lehrkräften noch nicht weit verbreitet, dennoch ist sie für eine qualitativ hochwertige politische Bildung von großer Bedeutung. Im Hinblick auf politische Bildung bedeutet dies, dass sich Lehrkräfte anderer Fachbereiche bei ausgebildeten Lehrkräften der politischen Bildung Rat und Unterstützung einholen sollten.
Wie könnte eine Zusammenarbeit von Lehrkräften mit unterschiedlichen Fächern aussehen? Dirk Lange unterscheidet dazu zwischen
einem Integrationsmodell (intradisziplinär, fächerüberschreitend), also dem Verbleiben in einem Fach und Einbezug von Elementen eines weiteren Faches,
einem Kooperationsmodell (multidisziplinär, fächerverknüpfend) und
einem Korrelationsmodell (interdisziplinär, fächerkoordinierend), also einem Unterricht, der die fachlichen Perspektiven einer übergeordneten Fragestellung unterordnet (vgl. Lange 2004).
Nach den Ergebnissen der Studie von Beatrice Ziegler (2018) zur politischen Bildung im fächerübergreifenden Unterricht kommt vor allem das Kooperationsmodell infrage. Dabei geht es nicht um die sachfremde Politisierung anderer Fächer, sondern um die Thematisierung und Erschließung der politischen Bezüge, ohne deren Erarbeitung das Bild des fachlichen Gegenstands unterkomplex oder offenkundig unzutreffend ist. Lehrerinnen und Lehrer müssen eine Idee dafür gewinnen, wie politische Bildung in einem solchen Kooperationsmodell aussehen kann – ohne es als zusätzliche Belastung oder Vereinnahmung durch andere zu empfinden. (…) Für Ingo Juchler eröffnet die »Verflechtung […] in der fächerübergreifenden politischen Bildung ein ganzheitliches Lernen und Verstehen des Politischen« (Juchler 2015: 6). (…)
Der Artikel ist eine gekürzte Fassung eines Abschnittes aus dem Aufsatz Markus Gloe / Tonio Oeftering (2020), Didaktik der politischen Bildung. Ein Überblick über Ziele und Grundlagen inklusiver politischer Bildung. In: Externer Link: Meyer, D./Hilpert, W./Lindmeier, B. (Hrsg.): Grundlagen und Praxis inklusiver politischer Bildung. Bonn. S. 87 - 132.