Unter dem Titel "Gemeinsam Lernen: Politische Bildung für Menschen mit geistiger Behinderung und Studierende – Erfahrungen und Perspektiven" fanden sich am zweiten Kongresstag die Werkstatt-Teilnehmenden im Tagungshaus Neue Mälzerei zusammen. Bevor diese etwas über zwei Seminarangebote zur inklusiven politischen Bildung erfuhren, lud Dorothee Meyer, Projektleiterin und Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik der Universität Hannover, dazu ein, das Methodenelement kennen zu lernen, das auch in den Seminaren Verwendung findet: eine Vorstellungsrunde, bei der die Teilnehmenden ihre Fantasie nutzen können.
Seit vier Jahren, so erfuhren danach die Teilnehmenden, laufen in der Universität Hannover die Seminare Geschichte erleben" und "Gemeinsam lernen". Diese bieten inklusiven Gruppen die Möglichkeit, voneinander und miteinander zu lernen. Die Themen der Seminare sind "Demokratie und politische Mitbestimmung" – hier geht es auch um aktuelle Themen wie die Flüchtlingskrise – und "Menschen mit Behinderung zur Zeit des Nationalsozialismus: Eine Exkursion zur Gedenkstätte Hadamar". Die aus etwa 30 Teilnehmenden bestehenden Seminargruppen setzen sich zusammen aus Studierenden der Universität Hannover und Menschen mit Behinderung aus Werkstätten. Highlight der je vierwöchigen Seminare, erzählte Dorothee Meyer, sei jedes Jahr ein Abschlusswochenende mit Übernachtung,
Eine "Win-Win"-Situation für alle
Einen Einblick in das Hannoversche Universitätsangebot gaben auch eine Studentin und ein Teilnehmer mit Behinderung, die von ihren Erfahrungen dort berichteten. Dabei erfuhren die Teilnehmenden der Denkwerkstatt, was die Seminare erfolgreich macht und welche Idee dahinter steckt: Lerneffekt sei für die Studierenden der Austausch und die Erfahrung mit Menschen mit Behinderung. Währen diese gleichzeitig die Chance hätten, die Universität von innen kennenzulernen und sich selbst als Expertinnen und Experten in einem Fachbereich zu erleben.
Dass in den Seminaren unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit praktiziert werden, erläuterte Dorothee Meyer anhand des typischen Ablaufs der Seminare "Gemeinsam Lernen": "Es gibt es einen Vorbereitungskurs für die Teilnehmer mit Behinderung, gemeinsame Seminarsitzungen für Studierende und Teilnehmer mit Behinderung, eine Exkursion mit Übernachtung, Projektarbeiten in inklusiven Kleingruppen und eine öffentliche Abschlusspräsentation."
Die Studierenden des Seminars würden vor allem hinsichtlich der Verwendung von Leichter Sprache geschult. Diese würde über das Seminar hinweg immer besser angewandt, so dass auch komplexe politische Zusammenhänge in Leichter Sprache gut untereinander vermittelt werden könnten. Dass das Angebot mehr als positiv angenommen wird, zeigte nicht nur die Reaktion der Zuhörerschaft in der Denkwerkstatt, sondern auch das beispielhaft vorgelesene Feedback eines Projektteilnehmers aus einer Werkstatt: "Es war ein Vergnügen, das Zusammensein miteinander. Zusammen sein und sich unterhalten, weil man neue Leute kennengelernt hat… wie es denen geht, was die so machen, was ich so mache."
Perspektivwechsel ermöglichen
Im anschließenden Austausch mit den Denkwerkstatt-Teilnehmenden wurden viele Fragen gestellt und Parallelen zu anderen Projekten gefunden. Von der Stiftung Drachensee aus Kiel waren ein paar Vertreterinnen und Vertreter vor Ort, die ebenfalls kurz ihr Projekt vorstellten, bei dem sechs Menschen mit Behinderung über einen Zeitraum von drei Jahren zu Lehrkräften ausgebildet werden. Durch Lehrkräfte mit Behinderungen profitierten auch Lehramts-Studierende ohne Behinderung, die die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung besser kennenlernen würden.
Sowohl beim Drachensee-Projekt als auch beim Projekt der Universität Hannover ginge es darum, allen Beteiligten einen Perspektivwechsel zu ermöglichen.
Zum Abschluss dieser Denkwerkstatt wurden Ergebnisse und Forderungen gesammelt. So wünsche man sich vor allem, dass deutlich mehr Universitäten solche Projekte anbieten sollten, da Hannover hier leider noch einsamer Vorreiter sei.
Die Präsentation der Universität Hannover kann Interner Link: hier als PDF-Dokument herunter geladen werden.
Von Lennart Reiners