Zunächst beschrieben die beiden Abgeordneten den Reisenden typische Arbeitstage in Berlin, unter anderem erfuhren die Gruppen, dass Abgeordnete im Bundestag an vielen unterschiedlichen und oftmals komplizierten Themen und Problemen arbeiten und versuchen, Lösungen dafür zu finden. In Berlin widmen sie sich in Arbeitsgruppen und Fachausschüssen einem Fachgebiet, einen Teil ihrer Arbeitszeit verbringen sie aber auch in ihrem eigenen Wahlkreis, wo sie sich um die Belange der dort ansässigen Bürgerinnen und Bürger kümmern.
Saskia Esken erzählte, dass komplexe Themen oft sehr schwierig zu verstehen seien und dies auch im Bundestag der Fall sei. Sie erlebe es selbst, dass man sich insbesondere in Fachausschüssen nur in einer Fachsprache unterhalten würde, zu der Nicht-Experten keinen Zugang hätten. Wenn sie selbst dann eine Rede für den Bundestag vorbereite, würde sie versuchen, diese für alle anderen möglichst verständlich zu schreiben. Daher wüsste sie auch, dass es ein großes Problem sei, komplexe Thematiken in Leichte Sprache zu übersetzen. Trotzdem müsse versucht werden, auch diese komplexen Inhalte möglichst allen Menschen zugänglich zu machen.
Als Fachleute der Inklusion die eigene Meinung sagen
Es wurde in diesem Gespräch schnell deutlich, dass es noch viele Stellschrauben gibt, an denen die Politik, die Gesellschaft, aber auch jeder Einzelne selbst drehen muss, damit Inklusion und inklusive politische Bildung weiter vorangebracht werden können. Dabei sei es besonders wichtig, da war sich die Gruppe einig, dass Menschen mit Behinderung stärker einbezogen werden: So wie die Abgeordneten Fachleute in ihren Fachausschüssen sind, sind Menschen mit Behinderung schließlich Fachleute für ihre Belange und für Inklusion. Die Reise-Gruppe wurde von Saskia Esken dazu ermutigt, sich stärker an Politik zu beteiligen, indem alle ihre Meinung sagen und sich auch beschweren sollten, wenn sie Gründe dafür sehen. Dazu gäbe es neben den Wahlen unterschiedliche Plattformen und Wege – wie zum Beispiel der Besuch bei den Abgeordneten im Wahlkreis.
"Man muss schauen, wie man über die Hürden kommt"
Auch eine Nachricht an die Parteien, an Arbeitsgruppen oder der Beitritt in eine Partei sei hilfreich, die Demokratie im Land und die eigenen Anliegen zu stärken. Jeder Mensch könne Politik machen, auch Menschen mit Behinderung, sagte Saskia Esken. Selbst im Bundestag würden Menschen mit Behinderung arbeiten, auch wenn Behinderungen nicht immer sichtbar seien. Ein Teilnehmer sagte hierzu abschließend: "Jeder wird irgendwo behindert, einige haben größere Hürden. Man muss nur schauen, wie man über die Hürden kommt."
Zurück im Tagungszentrum trafen sich beide Gruppenhälften zum gemeinsamen Austausch wieder. Der Abgeordnete Uwe Schummer verwendete laut Berichten aus der zweiten Reise-Gruppe ein treffendes Zitat eines katholischen Bischofs: "Vor jedem Strukturwandel muss ein Gesinnungswandel passieren." Oder sei es doch andersherum, fragte man sich in der Gruppe? Letztlich einigten sich alle darauf, dass die Politik zunächst einen Rahmen für mehr Inklusion schaffen müsse und gleichzeitig die Gesellschaft Inklusion vorleben müsse, um mehr Teilhabe zu ermöglichen. Zur Umsetzung von Inklusion reichte nicht einfach die Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention. Deren Umsetzung sei mit viel Arbeit und einem Prozess verbunden, der einerseits Geld kostet, welches die Regierung zur Verfügung stellen müsse, so einige Teilnehmende. Andererseits bedürfe es auch ein Umdenken in der Gesellschaft, für das Menschen sensibilisiert werden müssen. Zum einen sollte man selbst aktiv werden, so die Diskutanten, zum anderen solle die Politik auch stärker mithilfe von Kampagnen, Werbung oder Veranstaltungen Aufklärungsarbeit leisten, um das gesamtgesellschaftliche Anliegen Inklusion in allen Lebensbereichen weiter voranzubringen.
Insgesamt war der Tag geprägt von lebhaften Diskussionen, die nicht nur den Reisenden eine Idee von den Gedanken und Handlungen der Politik zum Thema Inklusion einbrachten, sondern vielleicht auch den beiden Abgeordneten wichtige Anregungen für ihre Arbeit gaben.
Von Stefan Botters