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Info 03.05 Was ist Heimat?- Definitionen | Jugendliche zwischen Ausgrenzung und Integration | bpb.de

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Info 03.05 Was ist Heimat?- Definitionen

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Wie definiert man 'Heimat"? Hier finden Sie kurzgefasst Informationen zur Definition und Begriffsgeschichte von "Heimat".

Zur Relevanz des Begriffs Heimat


Das Wort "Heimat" klingt altmodisch, irgendwie unpassend in einer vernetzten, grenzenlos gewordenen Welt. Wir nennen sie sogar globalisiert. Und ist in Deutschland das Reden über Heimat nicht sowieso anrüchig, weil unsere Geschichte die schrecklichsten Seiten der Heimatverbundenheit gezeigt hat? Heute ist Multikulturalismus, die bunte Mischung der Kulturen, angesagt gegen die ewig Gestrigen, die die Grenzen dicht machen und alle "Fremden" abschieben wollen. Doch mit der einfachen Gegenüberstellung von "Multikulti" und "Deutschland den Deutschen" ist man offenkundig in eine Sackgasse geraten. Statt auf ein fröhliches Fest der Kulturen trifft man im Alltag auf deutliche Trennungen zwischen deutschen und ausländischen Mitbürgern. Die Eingliederung kommt nicht voran und betroffen sind vor allem die Kinder und Jugendlichen. Darüber nachzudenken, was einem selbst Heimat bedeutet, welche Freiheiten und Probleme mit ihr verknüpft sind, macht aufmerksam für die Probleme der unfreiwillig Heimatlosen und all derjenigen, die zwischen verschiedenen Heimaten hin und her gerissen sind.

Im glücklichsten Fall kann man sich Heimat als einen Raum vorstellen, der Geborgenheit und Sicherheit gibt und doch ausreichend groß ist, um für andere und Unbekanntes offen zu stehen. Viele Menschen haben dieses Glück nicht. [...] Woran knüpft sich Identität, also das, worin sich ein Mensch erkennt und findet? Wie stellt sich Heimat dar? Was hat sie mit Macht zu tun? Ist sie an ein bestimmtes Gebiet gebunden? Ist Heimat teilbar oder unteilbar; und kann man eine andere als eine geographische Heimat finden? Wie lässt sich eine alte Heimat in eine neue Heimat überführen? Wie fühlt es sich an, unwillkommen zu sein?

Aus: Ute Vorkoeper: Heimat. Eine Einführung, in: Zeit-online vom 01. 12. 2005 online verfügbar unter: Externer Link: http://www.zeit.de

Der Heimatbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion


Die Diskussion um den Heimatbegriff ist mittlerweile so weitverzweigt, dass er sich jeder eindeutigen Definition entzieht. Zudem spiegelt die z.B. "von Max Frisch attestierte Unübersetzbarkeit des deutschen Wortes Heimat" (Cremer und Klein 1990: 35) dessen zahlreiche Bedeutungsfacetten und Verwendungszusammenhänge wider.

In jedem Fall ist der Begriff Heimat mit vordefinierten Bedeutungen besetzt. So ist Heimat im allgemeinen Sprachgebrauch in erster Linie auf den Ort bezogen, "in den der Mensch hineingeboren wird, wo die frühen Sozialisationserfahrungen stattfinden, die weithin Identität, Charakter, Mentalität, Einstellungen und auch Weltauffassungen prägen" (Brockhaus-Enzyklopädie 1989). Aber eine positive Einstellung einem Ort gegenüber muss keineswegs notwendigerweise Folge der an diesem Ort stattgefundenen Sozialisierung eines Individuums sein (Treinen 1974).

Für Bausinger ist Heimat eine räumlich-soziale Einheit mittlerer Reichweite, in welcher der Mensch ein Stück Sicherheit und Verlässlichkeit seines Daseins erfährt, ein Ort tiefsten Vertrauens. "Heimat als Nahwelt, die verständlich und durchschaubar ist, als Rahmen, in dem sich Verhaltenserwartungen stabilisieren, in dem sinnvolles, abschätzbares Handeln möglich ist - Heimat also als Gegensatz zu Fremdheit und Entfremdung, als Bereich der Aneignung, der aktiven Durchdringung, der Verlässlichkeit" (Bausinger 1980: 20).

Bei Greverus (1979) nimmt der Identitätsbegriff eine besondere Stellung ein. Heimat ist heile Welt und nur in der Dreiheit von Gemeinschaft, Raum und Tradition zu finden, denn nur hier werden die menschlichen Bedürfnisse nach Identität, Sicherheit und aktiver Lebensgestaltung in einem kulturell gegliederten Territorium befriedigt. Auf jeden Fall stellt Heimat, oder besser: die Auseinandersetzung mit Heimat, eines neben anderen Identifikationsfeldern dar, die Ich-Identität bilden (Hasse 1985).

Es wird deutlich, dass zeitgenössische Heimatforscher davon ausgehen, dass der Mensch sich ein neues Lebensumfeld schaffen kann: "Unter heutigen Bedingungen kann Heimat auch nicht mehr statisch an den Ort der Geburt gebunden sein. Heimat kann auch neu gewonnen (...) werden" (Piepmeier 1990: 106). Der Heimatbegriff schließt gewissermaßen die Möglichkeit auf Beheimatung ein - also auf Aneignung einer vertrauten Lebenswelt und Ausbildung sozialer Zugehörigkeiten (Mitzscherlich 1997a). Heimatfindung kann gleichsam in beweglichen Modellen von Raumdefinitionen und persönlichen Zuordnungen erfolgen. Heimat als sozialer Raum eröffnet sich in lebens- und alltagsweltlichen Interaktionen im Rahmen von Bekanntschaften, Freundschaften und Nachbarschaften (Cremer und Klein 1990). Er erschließt sich in der Auseinandersetzung mit der lebensweltlich-kulturellen Umwelt - mit dem Ziel, individuelle Handlungsgewissheiten zu erlangen. So verstanden ist Heimat Lebensmöglichkeit und nicht Herkunftsnachweis. "Heimat also wird nicht länger als Kulisse verstanden, sondern als Lebenszusammenhang, als Element aktiver Auseinandersetzung" (Bausinger 1980: 21). Heimat ist Lebensort, der Ort, an dem man zu Hause ist und sich zu Hause fühlt, "wo ich im vollen Sinne lebe als einer, der eingewöhnt ist und nicht nur eingeboren" (Waldenfels 1990: 113). Heimat ist ein Raum, den man sich durch einen schöpferischen Prozess aktiv aneignen kann (Greverus 1979). Dabei hat Heimat immer einen räumlichen Kristallisationskern.

Diesem Verständnis liegt ein dynamisches Konzept zugrunde. Der Mensch bedarf als Kulturwesen von Natur aus eines sozialen Raumes, der Heimat - weshalb er sie in seinem Bewusstsein und durch sein Verhalten immer wieder neu schafft (Brepohl 1957: 348f., zitiert nach Dürrmann 1985: 91).

Aus: Cosima Peißker-Meyer: Heimat auf Zeit. Europäische Frauen in der arabischen Welt, Bielefeld transcript-Verlag 2002, S.17-19.


Weiterführende Literatur:



Bausinger, H. "Kulturelle Identität - Schlagwort und Wirklichkeit, in: Konrad Köstlin u.a. (Hrsg.): Heimat und Identität. Probleme regionaler Kultur. Neumünster: Wachholtz 1980, S.9-24.

Belschner, W. u. a. (Hrsg.): Wem gehört die Heimat? Beiträge der politischen Psychologie zu einem umstrittenen Phänomen, Opladen: Leske+Budrich 1995.

Bienik (Hrsg.): Heimat. Neue Erkundungen eines alten Themas, München: Hanser 1985.

Cremer, W. und A. Klein (Hrsg.): Heimat. Analysen, Themen, Perspektiven, Bd.249/I Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2002, S. 33-55.

Klueting , E. (Hrsg.): Antimodernismus und Reform. Beiträge zur Geschichte der deutschen Heimatbewegung, Darmstadt: Wiss. Buchges., 1991.

Moosmann, E.: Heimat. Sehnsucht nach Identität, Berlin: Ästhetik u. Kommunikation 1980.

Neumeyer, M.: Heimat. Zu Geschichte und Begriff eines Phänomens, Kiel: Selbstverlag des Geographischen Instituts der Universität 1992.

Thuene, W.: Die Heimat als soziologische und geopolitische Kategorie, Würzburg: Creator 1987.

Fussnoten