Tatsachlich treffen geplante oder durchgeführte Naturschutzmaßnahmen in Interessen- und Berufsgruppen oder in der Bevölkerung oft auf eine zunehmend breite Ablehnung und geringe Akzeptanz. Was sind die Hintergründe für die Widerstandsäußerungen gegenüber Naturschutzmaßnahmen? Eine Analyse der Gründe für die Akzeptanzprobleme bei Großschutzprojekten erbrachte eine Liste mit folgenden Punkten:
1. Freiheitseinengung: Das Gefühl der Freiheitseinengung entsteht vor allem durch Verordnungen, die von außen kommen und als Behinderung empfunden werden, sich frei entscheiden zu können. In der Regel führt sie zu Widerstandsreaktionen, die das Ziel verfolgen, die Freiheit wieder zu erlangen.
2. Informationsdefizite: Mangelnde oder widersprüchliche Informationen führen zu Unsicherheiten. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich Naturschützer untereinander über bestimmte Maßnahmen uneinig sind: "Trotz eines weitreichenden Konsenses über allgemeine Naturschutzziele hat sich für konkrete Falle in der Öffentlichkeit nicht zu unrecht der Eindruck verfestigt, Naturschützer untereinander seien bezüglich ihrer Zielvorstellungen restlos zerstritten. Dies ist weder eine Werbung für 'den Naturschutz' noch Indiz einer erfolgreichen Strategie."
3. Abwehrmechanismen: Berichte über die "dramatische Lage" der Natur und Angst auslösende Darstellungen der Naturprobleme können leicht Abwehrmechanismen aktivieren, die Gefühle der Angst oder Ohnmacht unterbinden sollen.
4. Wahrnehmungsbarrieren: Die Konsequenzen des eigenen Handelns sind z.T. nicht direkt wahrnehmbar, sondern treten nur verzögert und möglicherweise an einem anderen Ort auf. Zudem ist die menschliche Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitungsfähigkeit begrenzt.
5. Verhaltensbarrieren: Gewohnheiten, Bequemlichkeit und fehlende Handlungsanreize können als stabile Verhaltensbarrieren wirken.
6. Verluste: Empfundene Verluste materieller und ideeller Art (Heimat, kulturelle Identität etc.) werden in der Regel nicht akzeptiert und mit Gegenaktionen beantwortet.
7. Sündenbockfunktion: Naturschutz kann auch als Sündenbock für andere politische oder gesellschaftliche Probleme dienen, die nicht unmittelbar lösbar sind. Naturschützer sind dagegen direkt "greifbar".
8. Interessenkonflikte: Beispiel: Einschränkung der Zugänglichkeit von Schutzgebieten im Wattenmeer und das Interesse von Seglern an uneingeschränkter Bewegung in menschenleeren Küstenregionen.
Positiv betrachtet zeigen die Widerstandsäußerungen aber auch, dass es ein Potenzial für mögliche Berührungspunkte zwischen dem Alltag der Bevölkerung und Naturschutzmaßnahmen gibt. Die Frage ist allerdings, wie ein positives Verhältnis zwischen Alltag und Naturschutz aufgebaut bzw. eine positivere Bedeutung des Naturschutzes im Bewusstsein der Bevölkerung erzielt werden kann.
Aus: Ernst-D. Lantermann und Kai Schuster: Natur als Bühne - Lebensstile, Naturschutz und Kommunikation, in: Cansier/Dworog/Kirsch (Hrsg.): Herausforderung Umwelt. Marburg: Metropolis-Verlag 2003, S. 265f.