This War of Mine | Games zur politischen Bildung | bpb.de

This War of Mine Rezension

/ 7 Minuten zu lesen

Im Anti-Kriegsspiel „This War of Mine“ helfen wir einer Gruppe von Zivilisten in einem Bürgerkriegsgebiet, zu überleben. Dafür müssen zahlreiche schwierige Entscheidungen getroffen werden.

In einem Fenster ist eine junge Frau namens Katia mit einem Verband an der Stirn und über dem linken Auge zu sehen. In kurzen Texten erzählt sie ihr Leben von ihrem Leben im Krieg und dem Wunsch, ein Buch über den Alltag von Zivilisten im Krieg zu schreiben.
Die zufällig zusammengewürfelten Überlebenden bringen ihre eigene Vergangenheit und ihre Kriegserlebnisse mit in den Unterschlupf. (© This War of Mine / 11 Bit Studios / eigener Screenshot)

„This War of Mine“ geht einen ungewöhnlichen Weg bei der Inszenierung von Krieg, indem es die Spielenden in die Rolle von Kriegsopfern versetzt. Wir müssen das Überleben einer kleinen Gruppe von bis zu vier Zivilisten sicherstellen, die zufällig gemeinsam Schutz gefunden haben. Die Spielwelt besteht aus Schnittdarstellungen von verschiedenen Arten von Gebäuden, darunter Wohngebäuden, Geschäften, Fabriken, sowie Bahn- und Flughäfen, die jeweils unterschiedliche Herausforderungen bieten können. Dabei kann ein Marktplatz ein friedlicher Ort mit Händlern sein oder eine offene Fläche, die wegen Scharfschützen nur unter Lebensgefahr überquert werden kann.

Die Spielwelt zeigt Häuser, die aufgeschnitten sind. Darin sind Zivilisten zu sehen, die sich mit Sprechblasen zu aktuellen Ereignissen äußern. Symbole zeigen an, was wo gemacht werden kann. Unten rechts sind Visitenkarten mit den Namen und dem Bild von den Bewohnern zu sehen. Auch Krankheiten und weitere Leiden werden erwähnt.

Im Unterschlupf müssen Schutthaufen weggeräumt, Türen aufgebrochen und Nahrungsmittel zusammengekratzt werden. (© This War of Mine / 11 Bit Studios / eigener Screenshot)

Tagsüber finden die Überlebenden in einem verlassenen Wohnhaus Unterschlupf. Hier müssen sie ihre Bedürfnisse befriedigen und können dafür unter anderem kleinere Dinge konstruieren und produzieren. Die Sicherheit kann beispielsweise verbessert werden, indem Löcher im Mauerwerk verbarrikadiert und ein Alarmsystem in der Tür installiert werden. Waffen helfen dabei, nächtliche Überfälle durch Plünderer abzuwehren – Messer, Pistolen und Gewehre können aber auch verwendet werden, um andere Überlebende anzugreifen und an deren Habe zu gelangen. Betten ermöglichen Verletzten und Kranken, sich bei guter Versorgung zu erholen. Zu den größten Herausforderungen zählen Medikamente und Verbandsmaterial, da diese nur in geringer Zahl gefunden oder aufwendig selbst hergestellt werden können. Werden Verletzungen oder Krankheiten nicht behandelt, kann dies schnell zum Tod führen.

In der Nacht kann eine Person auf eine Erkundungstour geschickt werden, um beispielsweise Nahrung, Waffen und Medikamente zu suchen. Jedoch sind auch die Häuser der Nachbarschaft vom Krieg gezeichnet und meist bereits geplündert oder von anderen Menschen besetzt. Häufig muss dabei zwischen den Bedürfnissen der eigenen Gruppe und denen anderer Überlebender abgewogen werden: Soll etwa die eigene Spielfigur ein wehrloses Rentnerpaar bestehlen, damit die eigene Gruppe nicht verhungert?

Auf einer Luftaufnahme einer Stadt sind Orte markiert, die besucht werden können. Links davon sind Fotos von unseren Zivilisten angezeigt, denen eine Aufgabe für die Nacht zugewiesen werden kann: Plündern, Wache stehen, schlafen oder im Bett schlafen. Rechts steht eine Beschreibung des ausgewählten Ortes und den Dingen, die dort gefunden werden können.

Nachts können andere Orte der Stadt durchsucht werden, was aber sehr gefährlich werden kann. (© This War of Mine / 11bit Studios / eigener Screenshot)

Andere Familien oder Gruppen sind oft bewaffnet und reagieren aggressiv auf unsere Anwesenheit. Bei dem Versuch etwas zu stehlen, kommt es oft zum Kampf, so dass Spielende genau abwägen müssen, ob die Beute, also beispielsweise Medizin für einen Schwerkranken oder Essen für Verhungernde, das einzugehende Risiko wert ist.

Im weiteren Spielverlauf kommt es zu Ausbrüchen von Bandengewalt, bei denen besonders häufig Überfälle auf den eigenen Unterschlupf stattfinden. Kann dieser nicht verteidigt werden, stehlen Banditen wertvolle Dinge und verletzen die Bewohner. Ein Wintereinbruch lässt außerdem die Temperaturen im Unterschlupf schnell fallen. Ohne ausreichende Heizöfen und Brennstoff für diese werden die Bewohner leichter krank oder können erfrieren.

In einem Fenster werden Ereignisse aufgelistet, die im Unterschlupf passiert sind, als nachts ein anderer Ort erkundet wurde. Genannt werden Dinge, die bei der Erkundung gefunden wurden und ein Überfall auf den Unterschlupf, bei dem etwas gestohlen und jemand verletzt wurde.

Während der nächtlichen Streifzüge können sich die Ereignisse im eigenen Unterschlupf bisweilen zuspitzen. (© This War of Mine / 11bit Studios / eigener Screenshot)

Das Spiel hat zwei Modi: Im klassischen Modus kann aus einer Vielzahl an Szenarien gewählt werden, die sich in den Zivilisten zu Spielbeginn, dem Unterschlupf, den besuchbaren Orten und dem allgemeinen Schwierigkeitsgrad unterscheiden. Im Geschichten-Modus, der über drei der derzeit insgesamt sechs erwerbbaren Zusatzinhalte (DLCs) verfügbar wird, folgen Spielende hingegen einer Erzählung, welche exemplarisch drei Aspekte von Krieg zeigt: Der Verlust des eigenen Interner Link: Kindes

, die Gefahren freier Meinungsäußerung und die Zerstörung des kulturellen Erbes. In „Vaters Versprechen“ geht es um einen Vater, der seine schwerkranke Tochter pflegt, bis diese eines Morgens spurlos verschwunden ist. Da sie täglich Medikamente benötigt, müssen Spielende jedem Hinweis nachgehen, um sie zu finden. „Die letzte Sendung“ versetzt uns in die Rolle eines Radiomoderators, dessen Nachrichten in anderen Szenarien gehört werden können. Er wird von Rebellen und Militär unter Druck gesetzt, ihre Interner Link: Propaganda zu verbreiten, was die Spielenden zwingt, sich mit dem Wert von unabhängigen Nachrichten für die Bevölkerung der Stadt auseinanderzusetzen. In „Glut, die erlischt“ werden schließlich Herausforderungen bei der Bewahrung von Kulturgütern in Kriegsgebieten thematisiert. Wegen ihres kulturellen Wertes für die Bevölkerung werden diese gezielt zerstört oder gestohlen, um sie zu verkaufen. Die Spielenden müssen dies so gut es geht verhindern.

Pädagogische Einschätzung

This War of Mine lehnt sich an die Interner Link: Belagerung von Sarajevo von 1992 bis 1996

an und hat das Ziel, den Alltag von Zivilisten in einem Kriegsgebiet zu zeigen Zur Auflösung der Fußnote[1]. Obwohl das Spiel in einer fiktiven Stadt spielt, lassen sich die enthaltenen Themen wiedererkennen, weil sie durch Nachrichten, Dokumentationen, Social Media und viele weitere Quellen Teil des kulturellen Gedächtnisses geworden sind. Kriegsverbrechen in Form von willkürlichen Hinrichtungen, Beschuss von Wohnhäusern, sexuelle Gewalt und viele weitere Themen werden im Spiel behandelt. Im Szenario „Forget Celebrations“ von 2024 finden sich zudem Bezüge auf den Interner Link: Ukraine-Krieg, wenn Katia die große Gefahr durch Mehrfachraketenwerfer beschreibt oder im Unterschlupf, der erstmals ein beschädigter Plattenbau ist, wie sie in häufig in Nachrichten zum Ukraine-Krieg zu sehen sind.

Im Spiel gibt es immer wieder Dilemmata. Im Beispiel steht in einem Fenster eine Anfrage einer Nachbarin. Diese bittet um Hilfe für den Schutz vor Banditen für sie und ihre Tochter. Die Anfrage kann angenommen, abgelehnt oder vertagt werden.

Beispiel für ein Dilemma: Eine Nachbarin bittet um Hilfe beim Schutz für sich und ihre Tochter. Gleichzeitig fehlt dann eine Wache im eigenen Unterschlupf. (© This War of Mine / 11 Bit Studios / eigener Screenshot)

Die Bewohner des Unterschlupfs kommentieren außerdem aktuelle Entwicklungen und getroffene Entscheidungen der Spielenden. Da diese keinen eigenen Avatar haben, sondern einen der Zivilisten auf den nächtlichen Streifzügen steuern, sind sie es, über deren Entscheidungen am nächsten Tag gesprochen wird. Dies stellt nicht nur ein wichtiges Feedback dar, sondern regt zudem dazu an, das eigene Handeln zu hinterfragen: Musste ich stehlen, um an lebensrettende Medizin zu gelangen, war es angemessen Interner Link: einen Soldaten zu töten, der eine Frau vergewaltigen wollte

, helfe ich meinen Nachbarn, auch wenn es dann für meine Gruppe schwieriger wird – kurzum: Habe ich mich richtig verhalten? Das Spiel zeigt eindringlich, dass es auf diese und weitere Fragen keine eindeutigen Antworten geben kann.

Indem im Abspann nicht nur wichtige Ereignisse, sondern auch das Schicksal der Zivilisten nach dem Krieg genannt werden, werden die Handlungen der Spielenden mit deren Konsequenzen in Verbindung gebracht. Dies kann dazu anregen, das eigene Verhalten zu reflektieren und mit anderen zu diskutieren. Nach mehreren Spieldurchgängen wird klar, dass hilfsbereites Verhalten gegenüber anderen Figuren zu positiveren Entwicklungen führt als Egoismus; in This War of Mine findet so, neben dem Wecken von Empathie für das Leid der Zivilisten, eine implizite Vermittlung von zwischenmenschlichen Werten statt.

Trotz umfangreicher Planungen bleibt das Spielgeschehen jedoch in weiten Teilen unberechenbar. Dies liegt auch am automatischen Speichersystem, bei dem nach Fehlern oder Misserfolgen nicht neu geladen werden kann. Auch Entwicklungen innerhalb des Unterschlupfes tragen zu einer Unberechenbarkeit bei, da hier nachts keine Entscheidungen möglich sind. Wird eine Person beispielsweise bei einem Überfall verletzt oder treten psychische Erkrankungen auf, so hat dies unmittelbare Konsequenzen für die weitere Partie, weil sich unbehandelte Leiden verschlechtern und schnell zum Tod der betroffenen Figur führen können. Da jeder Zivilist zudem eine bestimmte Fähigkeit besitzt, wirkt sich z.B. der Verlust vom Handwerker Marin, der weniger Materialien an der Werkbank benötigt oder dem Feuerwehrmann Marko, der besonders viel tragen kann, unmittelbar auf den weiteren Spielverlauf aus.

Durch die Aufteilung in kurze Abschnitte von 5 bis 15 Minuten je Spieltag, von denen es je nach Szenario durchschnittlich 35 bis 40 gibt, die einfach zu erlernenden Spielmechaniken sowie die Erweiterung durch die DLCs Zur Auflösung der Fußnote[2] eignet sich der Titel gut für den Einsatz im Unterricht. Auch die Erstellung von eigenen Szenarien über einen Editor ist möglich. Zwar ergeben sich aus der fehlenden spielinternen Möglichkeit zum manuellen Speichern und Laden Herausforderungen, jedoch ist es möglich, Spielstände mithilfe des Betriebssystems zu übertragen und so zu einem bestimmten Moment zurückzukehren.

Der Einsatz im Unterricht ist wegen der enthaltenen Themen, der plastischen Beschreibungen der Erlebnisse der Zivilisten und dem oft hohen Level an Stress bei den zu treffenden Entscheidungen erst ab 16 Jahren sinnvoll. Das Spiel passt gut zu Unterrichtsschwerpunkten ab Klasse 10, wenn etwa im Geschichts- und Politikunterricht die großen Konflikte des 19. und 20. Jahrhunderts behandelt oder Staatsformen und ihr Verhältnis zu Gewalt diskutiert werden. Auch für den Philosophie- und Ethikunterricht kann sich das Spiel wegen der enthaltenen ethischen und moralischen Fragen gut als Diskussionsgrundlage eignen, denn es zeigt, dass auch vermeintlich akzeptables Verhalten dramatische Konsequenzen haben kann. Schließlich kann es in Projekten zur medialen Bildung dabei helfen, die unterschiedliche Herangehensweise insbesondere von digitalen Spielen an das Interner Link: Thema Krieg

zu kontextualisieren, weil sich diese in This War of Mine Interner Link: deutlich von Blockbustern wie Call of Duty, Battlefield und ähnlichen militärisch geprägten Titeln unterscheidet. Da das Spiel bereits 2014 veröffentlicht wurde und vergleichsweise populär ist, sind bereits eine Reihe an konkreten Handreichungen für den Einsatz im Unterricht erschienen. Zur Auflösung der Fußnote[3]

Fussnoten

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