So atmosphärisch und anschaulich wie in „1979 Revolution: Black Friday“ hat das Thema der Interner Link: iranischen Revolution gegen das vom Schah geführte Regime wohl noch nie den Einzug auf die heimischen Spielebildschirme gefunden.
In der Rolle des Reza Shirazi, eines jungen iranischen Fotojournalisten, kehren wir nach einem Auslandsjahr in Deutschland nach Teheran zurück und finden die Stadt in Chaos vor. Schnell und eher unfreiwillig gerät Shirazi mitten in die Revolution hinein, welche sich im Verlaufe des Spiels immer mehr zuspitzt.
Wir erleben dabei direkt zu Beginn des Spiels, dass die Dinge anders verlaufen sind, als gedacht. Die ersten beiden Kapitel spielen nämlich im Jahr 1980, also nach der Revolution gegen den Schah und der Machtübernahme des neuen Staatsführers Ruholla Chomeini. Auch dieser schreckt nicht vor Gewalt zurück, in seinem Fall, um seine Idee einer islamischen Republik durchzusetzen. Trotz der revolutionären Erfolge bleibt der Iran also von einem demokratischen Rechtsstaat weit entfernt. Reza Shirazi wird verhaftet und im Gefängnis befragt, warum er sich gegen die neue Staatsführung gewendet habe. Vom friedlichen Revolutionär, welcher mit seinen Fotos und Artikeln die Bevölkerung aufklären möchte, ist Shirazi zur Zielscheibe der neuen Staatsführung geworden.
Im Wechselspiel mit den Zwischensequenzen aus dem Jahr 1980 durchleben wir in Form von spielbaren Rückblicken den Verlauf der Revolution und lernen die Rolle von verschiedenen Revolutionären innerhalb der Bewegung kennen. Diese gewinnt nach dem Brandanschlag im „Cinema Rex“-Kino, bei dem 422 Personen zu Tode kommen, enorm an Fahrt. Gibt es zu Beginn der Revolution noch etliche Stimmen, die sich für friedliche Proteste einsetzen, greifen infolge dieses Ereignisses immer mehr Revolutionäre auf gewalttätige Mittel zurück. Diese werden von der iranischen Armee, der Polizei und dem Geheimdienst SAVAK in gleichem Maße beantwortet. Die so entstehende Gewaltspirale mündet am 08. September 1978 im sogenannten „Schwarzen Freitag“, bei dem es auf dem Jaleh-Platz in Teheran zu einem Schusswechsel zwischen Demonstranten und Soldaten der Armee kommt, den die Spielenden alias Shirazi live miterleben.
Die Spielmechanik von „1979 Revolution: Black Friday“ hält sich dicht am klassischen Telltale-Adventure. Das bedeutet, dass sich die Spielenden im Grunde einen interaktiven Film ansehen, bei dem sie trotzdem häufig die Möglichkeit haben, durch unterschiedliche Antwortmöglichkeiten den Kurs eines Dialogs zu variieren und dadurch den Verlauf der Geschichte als Ganze zu beeinflussen. So haben unterschiedliche Entscheidungen beispielsweise verschiedene Handlungsausgänge und Enden zur Folge.
Aufgelockert wird dieses Spielprinzip durch ergänzende Quick-Time-Events, bei denen wir mit schneller Reaktion und teilweise im richtigen Rhythmus bestimmte Tasten drücken müssen, um so im Spiel Schüssen auszuweichen, Gegenstände zu überspringen und so weiter.
„1979 Revolution: Black Friday“ liefert ein packendes Spielerlebnis und sorgt während des gesamten Spiels für eine teilnahmsvolle und dichte Atmosphäre. Menschen, die hysterisch Parolen rufen, Steine werfen oder Transparente in die Höhe strecken, sorgen dafür, dass wir die Revolution hautnah miterleben. Auch die Darstellung von realen Quellen, die in das Spiel integriert wurden, sorgen für eine weitere Verdichtung der Atmosphäre. So ist es beispielsweise möglich, bestimmte Situationen während der Revolution zu fotografieren und die Aufnahmen im Anschluss mit echten Bildquellen von den revolutionären Aufständen in Teheran zu vergleichen.
Im Verlauf des Spiels stoßen wir immer wieder auf Informationstexte und Privatvideos, die uns noch tiefer in die iranische Geschichte eintauchen lassen. Die Comicgrafik des Spiels lässt nicht nur die Stimmung nicht abreißen, sondern hilft auch dabei, eine angemessene emotionale Distanz zur ansonsten sehr realistischen und bedrückenden Atmosphäre im revolutionären Iran herzustellen.
Die Spielzeit des Spiels liegt bei ungefähr drei Stunden. Nach einem Durchlauf kann das Spiel allerdings noch einige Male wiederholt werden, da man durch unterschiedliche Entscheidungen auch unterschiedliche Enden des Spiels erreichen kann.
Bis auf einige Quick-Time-Events, die für Shirazi im Falle des Scheitern den virtuellen Tod bedeuten, lässt sich das Spiel ohne größere spielerische Hürden durchspielen. Kleinere Herausforderungen bereiten dabei jedoch vor allem diejenigen Verhör- und Gesprächssituationen, in denen die Spielenden in sehr kurzer Zeit Entscheidungen treffen müssen. So gibt es im Dialog mit anderen in der Regel vier Antwortmöglichkeiten. Bis die Spielerinnen und Spieler diese vollständig gelesen haben, ist die verfügbare Zeit nicht selten abgelaufen und Reza Shirazi spricht einfach gar nicht, sondern schweigt sein Gegenüber an. Dies ändert zwar nichts am Fortschreiten des Spiels, erweckt aber das Gefühl, etwas Wichtiges im Spiel verpasst zu haben.
Kurzinfos1979 Revolution: Black Friday
Genre: Adventure
Herausgeber: iNK Stories
Plattform: PC, iOS, Android, Playstation 4, Xbox One, Mac, Xbox Series X/S, Nintendo Switch
Erscheinungsdatum: 5. April 2016
USK: nicht geprüft
bpb-Empfehlung: ab 16 Jahren
Pädagogische Einschätzung
Die Schwierigkeit des Spiels liegt größtenteils in dessen Rezeption. „1979 Revolution: Black Friday“ verlangt von den Spielenden eine hohe Medienkompetenz sowie einen sicheren Umgang mit Quellen und Quellen und Quellenkritik. Zwar macht das Spiel die Geschichte der iranischen Revolution greif- und auch erlernbar, jedoch liegt genau darin auch ein enormes Konfliktpotenzial: Entwickelt wurde das Spiel von Navid Khonsari, einem iranisch-kanadischen Videospiel- und Filmeentwickler, Autor, Regisseur und Produzent, der in seiner Kindheit selbst zusammen mit seinen Eltern vor dem Regime Chomeinis geflohen ist. Seine eigenen Erfahrungen und Darstellungen sind maßgeblich in das Spiel eingeflossen, und obwohl Khonsari seinen Titel als (neutralen) interaktiven Dokumentarfilm versteht, ist „1979 Revolution: Black Friday“ dadurch insgesamt sehr subjektiv eingefärbt und wird im Iran als Propaganda gegen die islamische Republik angesehen.
Vor diesem Hintergrund eignet sich das Spiel „1979 Revolution: Black Friday“ je nach Lehrplan allerdings für die Behandlung im Ethik- und Geschichtsunterricht. Sowohl die Auswirkungen moralischer Entscheidungen als auch die Deutung bzw. Einordnung historischer Ereignisse können thematisiert werden. Denn trotz der möglicherweise subjektiven Darstellung der Ereignisse der Revolution bietet das Spiel eine informative Sammlung verschiedener Quellen. So lesen die Spielerinnen und Spieler nicht nur Lexikoneinträge über bestimmte Ereignisse, sondern schauen auch Originalvideos aus dem revolutionären Iran an, hören Chomeinis Originalreden auf Tonband und vergleichen authentische Fotografien mit denjenigen, die sie selbst im Spiel machen. Durch dieses wechselseitige Verhältnis von spielerischen Inhalten und historischen Quellen erlangt das Spiel ein hohes pädagogisches Potenzial für die mögliche Auseinandersetzung im Unterricht.
Altersempfehlung
Aufgrund der emotionalen Komponenten des Spiels, verbunden mit der dynamischen Entwicklung der Ereignisse, welche die Spielenden im Verlauf der Geschichte immer mehr fesselt und am Ende in einem blutigen Konflikt endet, ist das Spiel nicht für Kinder geeignet.
Gerade im unterrichtlichen Geschehen bieten sich Möglichkeiten, die Vielzahl von Quellen, auf denen „1979 Revolution: Black Friday“ aufbaut, zu nutzen und diese mit älteren Schülerinnen und Schülern aufzuarbeiten. Entsprechend trauen wir diese inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema „iranische Revolution“ auf Grundlage der im Spiel dargestellten historischen Quellen Schülerinnen und Schülern nach Vollendung des 16. Lebensjahres zu. Hier bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, diese Elemente des Spiels beispielsweise im Unterricht der Oberstufe oder den höheren Klassen der Berufsschule einzubauen.