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Gibbon: Beyond the Trees | Games zur politischen Bildung | bpb.de

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Gibbon: Beyond the Trees Rezension

Arne Goldmann

/ 6 Minuten zu lesen

Als Gibbon schwingen sich die Spielenden durch einen handgemalten Regenwald. Das Abenteuer führt sie dabei jedoch nicht nur durch malerische Kulissen, sondern konfrontiert sie auch schnell mit Gefahren wie etwa der Zerstörung des kostbaren Lebensraums.

Gibbons sind zunehmend bedroht, was vor allem an der Zerstörung ihrer Lebensräume durch den Menschen liegt. (© Gibbon: Beyond the Trees / Broken Rules / eigener Screenshot)

Zusammenfassung

Gibbon: Beyond the Trees bietet ein kurzweiliges und atmosphärisches Spielerlebnis. Es thematisiert nicht nur die Gefährdung der Gibbons, sondern betont allgemein die Verantwortung des Menschen gegenüber und als Teil der Natur. Aufgrund der kurzen Spieldauer und geringen spielerischen Komplexität bietet es sich an, von Lernenden im Unterricht gespielt und anschließend besprochen zu werden. Thematisch lassen sich etliche Verbindungen zu fachspezifischen und -übergreifenden Kontexten ziehen.

Im Mittelpunkt von “Gibbon: Beyond the Trees” stehen die im südostasiatischen Regenwald beheimateten Gibbons. Die Externer Link: Weltnaturschutzunion (IUCN) stuft mittlerweile alle Arten der erstklassigen Kletterer als “bedroht” oder “gefährdet” ein. Mit Gibbon: Beyond the Trees bietet das Studio “Broken Rules" eine spielerische Möglichkeit, sich mit den Gründen dieser Bedrohung auseinanderzusetzen. Dazu verzichtet es auf eine komplexe Spielmechanik und versucht, das dynamische Spielgefühl sowie die eindrucksvollen Bilder für sich sprechen zu lassen.

Richtig in Schwung kommen

Zu Beginn steht den Spielenden nur der Story-Modus zur Auswahl. In diesem schlüpfen sie in das Fell des Gibbons „Pink“. Gibbons leben in monogamen Kleinfamilien aus zwei Eltern- und einigen Jungtieren und so starten auch die Spielenden ihre Reise durch den tropischen Regenwald in Begleitung eines weiteren ausgewachsenen Artgenossen, an dessen Körper sich ein Jungtier klammert.

Anfangs gilt es, die Spielsteuerung zu verinnerlichen, indem die Spielenden es ihren Begleitern gleichtun und akrobatisch von Ast zu Ast schwingen. Hierbei bedient sich das Spiel einer reduzierten Steuerung: Während Pink sich automatisch von links nach rechts bewegt, benötigen die Spielenden lediglich zwei Tasten, mit denen sie sich entweder entlang von Ästen und Lianen durch das Astwerk des Waldes schwingen oder abschüssige Passagen herabrutschen können. Essentiell für einen dynamischen Spielfluss ist hierbei, die entsprechende Taste gedrückt zu halten und im richtigen Moment – kurz vor den Abgründen – wieder loszulassen, um nicht ausgebremst zu werden. Im weiteren Verlauf erwerben die Spielenden mit dem „Salto“ und dem „Partnerwurf“ noch zwei weitere Fähigkeiten, durch die Pink einen Geschwindigkeitsschub erhält.

Fehler haben zu Beginn wenig Konsequenzen. Verfehlt Pink einen Ast und landet auf dem Waldboden, müssen die Spielenden den Gibbon zwar etwas mühsam zurück in die Baumwipfel klettern lassen, weitreichende Folgen bleiben aber aus. Auch wenn Pink in die Tiefen eines der zahlreichen Abgründe stürzt, entsteht aufgrund der großzügig verteilten Rücksetzpunkte wenig Frust. Auf diese Weise stellt sich schnell ein sehr dynamisches Spielgefühl ein.

Im Laufe des Spiels lernt der Gibbon weitere Fähigkeiten wie den Partnerwurf. (© Gibbon: Beyond the Trees / Broken Rules / eigener Screenshot)

Nicht die einzigen Primaten im Regenwald

Die Geschichte ist in Kapitel aufgeteilt und bereits im zweiten treffen die drei Gibbons auf einen anderen Primaten: den Menschen. Da die Menschen ihre Hütten in den unteren Etagen des Waldes errichten, während sich Pink durch die Baumkronen schwingt, kommt es anfangs zu wenig Berührungspunkten. Doch erste Rauchschwaden am Horizont verheißen nichts Gutes und wenige Augenblicke später finden sich die Affen inmitten von Rodungsarbeiten wieder. Statt an Bäumen und Lianen klettern sie nun entlang von Baggern und Stromleitungen. Auch die ersten kleineren Feuer, die der Mensch legt, um die Rodung voranzutreiben, lassen nicht lange auf sich warten und münden schließlich in einem Waldbrand.

Schon bald verändert der Mensch die Lebensbedingungen der Gibbons. (© Gibbon: Beyond the Trees / Broken Rules / eigener Screenshot)

Je mehr der Mensch in das Habitat der Gibbons eindringt und es sich zu eigen macht, desto mehr verändert sich auch die Dynamik des Spiels: Gerodete Waldflächen bieten nur noch wenig Möglichkeiten, sich schwungvoll fortzubewegen. Die entforsteten Flächen dienen im weiteren Verlauf des Spiels unter anderem als Anbaugebiete für Ölpalmen. In den Plantagen schwingt sich Pink nur sehr träge von einem Gewächs zum nächsten, da Verästelungen innerhalb der Monokulturen fehlen.

Noch schwerwiegendere Konsequenzen ergeben sich durch die Waldbrände. Denn brachte ein Sturz zu Beginn des Spiels den pelzigen Protagonisten nur kurz aus dem Tritt, besteht nun die Gefahr, in die Flammen zu stürzen und so am letzten Rücksetzpunkt starten zu müssen. So führt die Erzählweise ganz zwangsläufig zu einer allmählichen Steigerung des Schwierigkeitsgrades von Gibbon: Beyond the Trees.

Feuer durch Brandrodungen sind eine der Gefahren, die der Mensch in den Regenwald bringt.

Auf der Flucht

Mit fortschreitender Handlung kommen die Spielenden immer direkter in Kontakt mit Menschen. Beeinflussten diese die Lebensweise der Gibbons bisher nur durch Eingriffe in ihren Lebensraum, entwickelt sich in Kapitel sechs eine noch direktere Bedrohung: Die Wilderei. Eine Gruppe von Personen hat das Ziel, das Jungtier der Gibbonfamilie zu entführen. Um dies zu erreichen, versuchen sie zuerst, die adulten Tiere zu erlegen, um das Junge anschließend ungehindert einfangen zu können. Es folgt eine dramatische Fluchtsequenz, die damit endet, dass Pink das Bewusstsein verliert. Die Spielenden können beobachten, wie das Jungtier in einen Käfig auf der Laderampe eines Pickups verladen wird.

Im Beton-Dschungel

Mit dem Ziel, das Junge zu befreien, wagt sich Pink nun immer weiter in die Zivilisation vor und findet spätestens im Großstadtdschungel wieder etliche Strukturen, an denen der Affe sich agil entlanghangeln kann. Dennoch fällt es wesentlich schwerer, die Übersicht zu bewahren und mögliche Greifpunkte wahrzunehmen. Stürze auf den Boden werden mit Fußtritten der urbanen Bevölkerung bestraft. Den Spielenden wird verdeutlicht, dass ihr Spielcharakter trotz all der Kletteroptionen, die das urbane Szenario bietet, dort eigentlich nicht hingehört.

Im Finale schließen sich Pink mehrere Tiere an, wie Hornschnäbel und andere Affenarten. Sie fliegen über den Spielcharakter hinweg oder schwingen an seiner Seite durch die Häuserschluchten. Zwar erfüllt dies keinen spielerischen Zweck, trägt aber dennoch viel zur Atmosphäre bei, die sich auch durch die musikalische Untermalung immer weiter verdichtet.

In der Stadt fällt es schwer, den Überblick zu behalten.

Nach Abschluss des etwa 60-minütigen Story Modus' stehen den Spielenden die beiden zusätzlichen Spielmodi „Täglicher Lauf“ und „Befreiung“ zur Option. Während das Ziel im ersten ist, in einer vorgegebenen Zeit eine möglichst große Distanz zurückzulegen, müssen die Spielenden im Modus Befreiung weitere Tiere aus Käfigen retten. Hierbei lassen sich zusätzliche Enzyklopädie-Einträge freischalten, die Informationen zur Lebensweise der Gibbons sowie zum Ökosystem Regenwald bieten. Im Gegensatz zur Story folgen diese Modi keiner weiteren Rahmenhandlung, sondern es reihen sich verschiedene Kulissen unkommentiert und zufällig aneinander.

KurzinfosGibbon: Beyond the Trees

  • Genre: Geschicklichkeitsspiel, Jump & Run

  • Herausgeber: Broken Rules

  • Plattform: PC, iOS, Playstation 4, Mac, PS5, Nintendo Switch

  • Erscheinungsdatum: 25. Februar 2022

  • USK: nicht geprüft

  • bpb-Empfehlung: ab 10 Jahren

Pädagogische Einschätzung

“Gibbon: Beyond the Trees” lädt Spielende durch eine ansprechende audiovisuelle Präsentation dazu ein, in die Welt des tropischen Regenwalds einzutauchen. Es setzt vor allem auf eine einfache Steuerung und den dadurch entstehenden Flow. Dass sich dieser nicht in jeder Spielszene einstellt, scheint zum Konzept zu gehören. Die Spielenden sollen sich in die Gibbons hineinversetzen. Wird das Leben der Gibbons und aller anderen Lebewesen des Regenwaldes negativ verändert, wirkt sich dies wiederum auf das Spielgefühl aus, das entsprechend abflacht und ein wenig an Dynamik verliert.

Trotz der malerischen Aufbereitung nehmen drastische Themen wie Tod und Furcht eine zentrale Rolle ein. Extreme Gefühle können durch die immersive und atmosphärische Inszenierung potenziert werden, weshalb diese Themen unbedingt mit jungen Spielenden reflektiert und besprochen werden sollten. Jene sollten darüber hinaus auch Antworten auf Fragen nach den Beweggründen der Menschen erhalten, indem ihnen komplexere Zusammenhänge skizziert werden.

Zwar stehen Gibbons und der südostasiatische Regenwald im Mittelpunkt, dennoch beschäftigt sich das Spiel mit einer globalen und weitreichenden Frage. “Gibbon Beyond: Trees” fordert Spielende auf, sich damit auseinanderzusetzen, welchen Einfluss der Mensch auf die Natur hat und welche Verantwortung daraus erwächst.

Enzyklopädie

In den freischaltbaren Seiten der Enzyklopädie finden Spielende weitere Informationen, die zum einen die Bedrohung der Gibbons und zum anderen die Gefährdung des tropischen Regenwalds allgemein betreffen. Die Seiten sind meist kurz und prägnant formuliert und bieten darüber hinaus Quellenangaben, durch die Interessierte ihr Wissen weiter vertiefen können.

Bildungsgelegenheiten

Durch die relativ kurze Spieldauer, die simple Steuerung und die Vielfalt der Plattformen, auf denen Gibbon: Beyond the Trees angeboten wird, bietet es sich an, im Unterricht oder anderen pädagogischen Settings gespielt zu werden. Jedoch könnten auch die handgemalten Kulissen bereits als Impulse für Unterrichtsgespräche genutzt werden. Im schulischen Kontext bieten sich Anknüpfpunkte für naturwissenschaftliche und gesellschaftswissenschaftliche Fächer sowie den Ethikunterricht.

Je nach Klassenstufe können die Schwerpunkte variieren und Lernende sich kritisch mit folgenden Themen auseinandersetzen:

  • Lebensräume, Umwelt- und Artenschutz im integrativen Sach- bzw. naturwissenschaftlichen Unterricht

  • Tourismus und Konsumverhalten im gesellschaftswissenschaftlichen Unterricht

  • Verantwortung im Ethikunterricht

  • Wirtschaftliche Zusammenhänge und Interessen am Beispiel von Palmöl im Politik- und Wirtschaftsunterricht in höheren Klassenstufen

Bei Klassen der Sekundarstufe I könnte das Spielgefühl mehr in den Fokus gerückt und gefragt werden, inwiefern es zur Geschichte des Spiels passt.

Das Spiel könnte ebenfalls als kurzweiliger und motivierender Einstieg zu Beginn einer neuen Unterrichtseinheit gespielt werden. So könnten Lernenden etwa über die Gründe des menschlichen Handelns im Spiel spekulieren und diskutieren. Der weitere Verlauf der Unterrichtseinheit erfüllt anschließend die Aufgabe, unter anderem diese Frage zu klären.

Altersempfehlung

Die reduzierte Steuerung stellt die meisten jüngeren Spielenden vor wenig Herausforderungen. Sollten oben erwähnte inhaltliche Aspekte berücksichtigt und Spielende durch Angehörige oder pädagogische Fachkräfte aufklärerisch begleitet werden, ist Gibbon: Beyond the Trees spielbar ab 10 Jahren. Jüngeren Kindern kann es schwerfallen, den Rückschluss vom Spiel zum Thema Umweltschutz zu ziehen.

Fussnoten

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Arne Goldmann studierte Sonderpädagogik und Arbeitslehre auf Lehramt und war daraufhin mehrere Jahre als Lehrkraft an Berliner Schulen tätig. Während dieser Tätigkeit fanden regelmäßig Videospiele als Lernmedium den Weg in seinen Unterricht. Mittlerweile erstellt er Bildungsmedien bei einem Schulbuchverlag und leitet nebenbei Workshops mit dem Fokus Games.