In der Echtzeit-Aufbausimulation “Imagine Earth” haben große Konzerne im Jahr 2048 die Erde heruntergewirtschaftet. Zu den Aufgaben der Spielenden gehört es nun, in der Rolle einer Verwaltungskraft der Firma “Imagine Earth Ltd.'', fremde Planeten zu besiedeln und den Ausbau möglichst bevölkerungsreicher Kolonien zu organisieren. Dies gelingt sowohl durch planvolles Ressourcen- und Energiemanagement als auch durch Diplomatie und das Erforschen neuer Technologien.
Erste Schritte auf fremden Planeten
In der Kampagne werden die Spielenden langsam an die Spielmechaniken herangeführt. Via Hyperraumsprung finden sie sich in der Andromedagalaxie wieder und werden mit der Gründung der ersten Weltraumsiedlung beauftragt. Auf dem fremden Planeten gilt es zunächst eine Landeregion für das Stadtzentrum und weitere Wohnbezirke auszumachen. Anschließend wird die Siedlung um einen Steinbruch und einen Forstbetrieb ergänzt, um die neuen Bewohner und Bewohnerinnen mit Produkten zu beliefern. Als Nahrungsquelle werden zwei Farmen platziert und die Stromversorgung durch ein Kohlekraftwerk sichergestellt.
Gebäude werden auf einem Netz aus dreieckigen Feldern platziert, welches sich über die gesamte Planetenoberfläche erstreckt. Manche Felder gewähren dabei Boni, wenn wir bestimmte Gebäude auf ihnen platzieren. Andere beherbergen wiederum seltene Ressourcen, die wir erst abbauen und dann mittels Drohnen in nahegelegene Lagerhäuser transportieren können.
Nachdem die neu gegründete Siedlung eine bestimmte Zahl an Bewohnern und Bewohnerinnen erreicht hat, ist die erste Mission erledigt. Im weiteren Verlauf der Kampagne sollen weitere Planeten besiedelt und immer komplexere Aufträge erfüllt werden.
Expandieren und Forschen
Nach und nach können die Spielenden ihre Siedlungen durch neue funktionale Distrikte, wie Krankenhäuser oder Parkanlagen erweitern und bestehende Gebäude aufwerten, um so beispielsweise mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen oder die Produktivität zu erhöhen. Dies sollte jedoch mit Bedacht erfolgen, da jede weitere Ausbaustufe auch neue Bedürfnisse der Siedler und Siedlerinnen mit sich bringt.
Um Platz für diese Gebäude zu schaffen oder neue Ressourcen zu erschließen, lässt sich das Baugebiet in “Imagine Earth” auf zwei Wege vergrößern: Erstens lassen sich angrenzende Felder entweder per Mausklick kaufen, wobei der Preis mit zunehmender Entfernung zum Stadtzentrum steigt. Zweitens können die Spielenden Grenztürme platzieren, die zudem Schutz vor Angriffen und Asteroideneinschlägen bieten und die Grenzen des eigenen Einflussgebiets ausweiten.
Türme sowie weitere neue Strukturen lassen sich dabei im Forschungsmenü freischalten, indem die Spielenden sogenannte Forschungslizenzen einlösen, die mit der Zeit automatisch generiert werden. Hier lassen sich auch neue Erweiterungen für Gebäude erforschen, welche weitere Vorteile wie zum Beispiel eine höhere Energieeffizienz bedeuten.
Unbesiedelte Welten? Nicht wirklich!
Je weiter die Spielenden expandieren, desto mehr stellen sie fest, dass sie nicht als Erste einen Fuß auf die neue Welt gesetzt haben. So zeugen nicht nur verlassene Tempel von längst vergangenen Zivilisationen, auch stoßen die Spielenden bald auf Siedlungen fremder Alienspezies, die sich entweder als Hindernis für die weitere Expansion erweisen, oder sich als wertwolle Anlaufstellen diplomatischer Beziehungen herauskristallisieren.
Die Tempel können genutzt werden, um sogenannte Gaiakräfte zu aktivieren, welche in Abhängigkeit der Art des Tempels sowohl unterstützende (z.B. das Bepflanzen einer Grünfläche oder die Heilung der Bevölkerung eines Wohnkomplexes), als auch destruktive (die Beschwörung eines Wirbelsturms oder eines Brandes) Effekte hervorrufen können.
Balance zwischen Profit und Nachhaltigkeit
Nachdem der anfängliche Ausbau der Siedlungen mit Hilfe fossiler Energieträger und wenig nachhaltigen Produktionsstätten rapide vorangetrieben werden konnte, tritt die Kernmechanik von “Imagine Earth” und die Thematik der ökonomischen und ökologischen Nachhaltigkeit in den Vordergrund: Jeder Planet verfügt über eine eigene Emissionsbilanz. Diese bewegt sich zunächst im positiven Bereich. Wälder und Meere beeinflussen die Bilanz positiv, wohingegen sie durch dichte, großflächige Bebauung sowie Industrie negativ geprägt wird. Eine negative Emissionsbilanz wirkt sich direkt auf die globale Erwärmung des entsprechenden Planeten aus und führt schnell zu steigenden Meeresspiegeln und anderen Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen, Waldbränden oder Epidemien.
Ein weiteres Risiko stellen konkurrierende Unternehmen dar, die mit fortschreitender Spielzeit auf den fremden Welten landen und diese den Spielenden streitig machen wollen. Diese rivalisierenden Firmen agieren dabei meist profitorientiert und priorisieren große Erträge durch Kohle-, Öl- oder Atomenergie, ohne sonderlich auf die oben beschriebene Nachhaltigkeit Rücksicht zu nehmen. Die Spielenden sehen sich nun mit der Fragestellung konfrontiert, wie sie die Balance zwischen einer weiterhin profitablen als auch einer nachhaltigen bzw. klimafreundlichen Siedlung bzw. Wirtschaftsweise finden können. Diese Aufgabe kann durch den Ausbau bestehender Gebäude mit nachhaltigen Technologien, einer Abwanderung von fossilen zu regenerativen Energieträgern oder dem Pflanzen von Wäldern bewerkstelligt werden.
Mit der Zeit bekommen die Spielenden dabei zunehmend Unterstützung: Indem beim regelmäßigen Weltkongress der Erlass solcher Gesetze, die eine nachhaltige und klimafreundliche Strategie begünstigen, vorangetrieben wird, lässt sich die Lukrativität emissionsintensiver Kolonien reduzieren und lassen sich konkurrierende Unternehmen zum Ändern ihrer bestehenden Praxis bewegen.
Neben der Kampagne, welche nach ungefähr 12-15 Stunden abgeschlossen ist, bietet “Imagine Earth” weitere genretypische Spielmodi an. Neben einem wöchentlichen Auftrag, welcher die Spielenden regelmäßig vor neue Herausforderungen stellt, existieren noch Endlosspiel, Wettstreit sowie ein Editor. Mit Letzterem lassen sich Planeten nach eigenen Vorstellungen umgestalten sowie Szenarien und Zielsetzungen definieren, sodass sich die Spielenden kreativ ausleben können.
KurzinfosImagine Earth
Genre: Aufbaustrategie
Herausgeber: Serious Bros.
Plattform: PC, Xbox One, Xbox Series X/S
Erscheinungsdatum: 25. Mai 2021
USK: ab 6 Jahren
bpb-Empfehlung: ab 13 Jahren
Pädagogische Einschätzung
“Imagine Earth” bietet durch sein authentisches Science-Fiction-Setting eine sowohl motivierende als auch glaubhafte Grundlage für ein unterhaltsames Aufbau-Strategiespiel, das aktuelle Themen wie zum Beispiel ökonomische Nachhaltigkeit spielerisch aufgreift.
Positiv hervorzuheben ist, dass traditionelle Methoden der Energiegewinnung durch Kohle-, Öl- oder Atomkraftwerke nicht einseitig negativ präsentiert, sondern ihre Vor- und Nachteile im Laufe der Kampagne kritisch diskutiert werden. Erst gegen Ende der Kampagne wird klar Stellung zur Notwendigkeit einer nachhaltigen und umweltschonenden Wirtschaftsplanung bezogen. Dadurch wirkt das Spiel hinsichtlich dieses Themenkomplexes nicht dogmatisch, sondern behandelt das Thema angemessen kontrovers.
Die Spielenden werden mittels Audioanleitungen sowie Textboxen langsam an alle Spielmechaniken herangeführt, die zwar vielfältig, aber dennoch einfach gehalten sind. Als Kehrseite dieses fehlenden Tiefgangs zeigt sich jedoch, dass Missionen mit fortschreitender Spielzeit an Dynamik und Herausforderungen verlieren.
Alterseignung
Lernende sollten wegen der vielen Textboxen bereits über ein sicheres Leseverständnis sowie Grundwissen über Themen wie Energiegewinnung, Klimawandel und demokratische Strukturen verfügen. In den meisten Lehrplänen der Bundesländer sind dies Themen, die bereits in der Primarstufe eingeführt und in der Mitte der Sekundarstufe I vertieft werden. Somit entfaltet “Imagine Earth” für Spielende ab etwa 13 Jahren sein volles Potenzial.
Leider verpasst “Imagine Earth” die Chance, sich kritisch mit dem Mittel der Kriegsführung auseinanderzusetzen. Es stellt sich meist als leichtestes Mittel heraus, Infrastrukturen in Brand zu setzen oder Siedlungen mittels Geo-Engineerings von Wirbelstürmen verwüsten zu lassen, ohne dass dies weitreichende Konsequenzen für die eigene Siedlung mit sich bringt. Im Gegenteil: Der Einfluss der Spielenden auf das Weltgeschehen und im Weltkongress steigt sogar. Gleiches gilt für den Umgang mit (ein)heimischen Außerirdischen, deren Territorien und Bedürfnisse mit der Expansion der eigenen Siedlung in Konflikt stehen. Hier wäre eine kritische Einordnung in Bezugnahme zur Historie des europäischen Kolonialismus wünschenswert gewesen. Beim Einsatz in pädagogischen Settings sollte dies unbedingt beachtet werden.
Anregungen und Potenziale für den Unterricht
Dadurch, dass im Spiel keine Musterlösungen präsentiert werden, sondern zum Abwägen motiviert wird, scheint es prädestiniert für den Einsatz im Bildungskontext. Dieser ist jedoch mit Einschränkungen verbunden.
Da einzelne Missionen 1-2 Stunden dauern können, bietet es sich für pädagogisches Personal an, sich im Vorfeld mit dem Editor auseinanderzusetzen. Dieser bietet die Möglichkeit, Welten nach eigenen Vorstellungen zu gestalten und Missionsziele vorzugeben. So könnten Lehrkräfte kürzere Settings erstellen, deren Fokus sich auf wenige Unterrichtsziele beschränkt. Da ein minimales Zeitlimit von 30 Minuten jedoch nicht unterschritten werden kann, gestaltet sich eine Nutzung im regulären Unterricht dennoch als schwierig.
Mögliche Anknüpfpunkte für den Unterricht könnten sein:
Lernende können im naturwissenschaftlichen Unterricht Vor- und Nachteile fossiler und regenerativer Energiequellen erörtern.
Lernende können sich im Rahmen des Politik- und Wirtschaftsunterrichts mit dem Emissionshandel und globaler Klimapolitik auseinandersetzen.
Auch die Behandlung eines historischen Vergleichs des gespielten "Weltraum-Kolonialismus" mit europäischen Kolonialmächten im Geschichtsunterricht ist denkbar.
Im Ethikunterricht schließlich lassen sich Diskussionsrunden über die verschiedenen Wege zum Erreichen der Missionsziele (Sabotage, Diplomatie, Krieg etc.) durchführen.
Aufgrund des zeitlichen Aufwands und der großen thematischen Vielfalt, ist ebenfalls ein fächerübergreifendes Projekt denkbar, indem die Lernenden zunächst ausgewählte Szenarien spielen und im Anschluss Aufgaben und Fragen zu ihrem Spielerlebnis und dem oben genannten Themenspektrum erarbeiten.